05 Mrz, 2011

Groß denken

Es ist eine Ankündigung mit biblischer Wucht. Die Größten der Großen in der Textilindustrie, darunter Adidas, Nike, H&M und C&A, kündigen an, dass sie nur noch Textilien produzieren wollen, die Mensch und Umwelt nicht schaden. Die Sustainable Apparel Coalition denkt groß und kündigt deshalb im selben Atemzug absolute Offenheit an.

Das ist kein Pappenstiel, was sie sich vorgenommen haben. Denn die Produktion von Textilien verschlingt und verschmutzt wertvolle Ressourcen im wirklich großen Stil. Beispiel Wasserverbrauch: 2009 verbrauchte die Textilindustrie 13,68 Billionen Liter Frischwasser, um 60 Millionen Tonnen Stoff zu produzieren.Beispiel Energie: Eine Billion Kilowattstunden braucht es Jahr für Jahr, um den weltweiten Kleiderbedarf zu fertigen. Das entspricht 10 Prozent des globalen Kohlendioxidausstoßes.

So klar wie die Fakten sind, so klar und messbar sollten die Ziele der Koalition sein. Darauf gilt es jetzt, ein waches Auge zu haben. Aber ein vorsichtiges „Willkommen Sustainable Apparel Coalition“ ist definitiv drin.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: Gesehen|News

10 Kommentare auf "Groß denken"

1 | mp

März 6th, 2011 at 01:35

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Also wenn man in einer Grossstadt an einem H&M vorbeigeht, schlimmer noch kurz reingeht, dann frägt man sich doch wie das alles zusammengeht. Diese Firmen sind mit so einer Massenwucht und Quantität an Kleidung in schlechter Qualität gross geworden, und sind mittlerweile so gross sind, das nicht mal im Ansatz für mich ein gutes Gefühl rüberkommt bei H&M ein nachhaltiges Denken zu spüren, auch wenns dort mittlerweile Klamotten aus Organic Cotton gibt. Da gibts keine tiefen Wurzeln, das sind Riesenfirmen, die fett und noch mehr verkaufen müssen sonst gehts nicht weiter. Die Mega-Lichterflut, Musikvolldröhnung, Schaufensterdarstellung, Diskothekenflair, vergängliche Ladeneinrichtung, tonneweise Kleidung die hinten reingekarrt wird und vorne billig rausgetragen wird und nach ein 2 Monate die Strickjacke in der Altkleidung liegt weil sie kaputt ist…..haben nichts mit Nachthaltigkeit zu tun. Jeder Schritt in diese Richtung ist natürlich gut, aber für mich brauchts da eine tiefere Einstellung um sich mit diesen Wörtern schmücken zu können.

2 | Kirsten

März 6th, 2011 at 20:08

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@mp: Ich teile dein Unbehagen am nackten Kleider-Konsum, aber ich denke, diese Textilhersteller möchten womöglich endlich mal in den Spiegel gucken und sich gut finden. Wer möchte schon jemand sein, der nur ökologisches Chaos hinterlässt und nicht einer, der das Ruder herum reißt? Dass die Widerstände auch in den eigenen Reihen immens sind, davon können wir sicher ausgehen. Klar wird das ein steiniger Weg, aber wie holprig wird das erst in Zukunft, wenn wir die Modewelt so lassen, wie sie ist?
Vielleicht habe ich auch gerade ein wenig zu viel Frühlingssonne gehabt, schaun mer mal.

3 | Lars

März 7th, 2011 at 23:04

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Das Fast-Fashion und Nachhaltigkeit letztlich nicht zusammengehen können,
ist sicherlich richtig.

Das Hauptanliegen dürfte sein, eine wünschenswerte gesetzliche Regulierung durch nicht unabhängig kontrollierte Selbstverpflichtungen abzuwehren. Das kennen wir ja schon aus anderen Branchen und es ist leider meist sehr erfolgreich (im Sinne der Regulierungsabwehr).

Unternehmen sind nunmal keine denkenden und fühlenden Wesen und gerade so große Konzerne sind alles andere als persönlich. Ein Konzern hat kein Gewissen und die Menschen, die dort arbeiten, sind austauschbar.

Dass die Anteilseigner von diesen Riesenunternehmen zur Risikominimierung größere Feigenblätter verlangen dass glaube ich ja gerne. Aber ein ökologisch und/oder sozial orientertes Umdenken findet da sicherlich nicht statt.

Solange es jedoch nur um das renditerelevante Image geht, wird auch sicherlich keinen Deut mehr getan, als notwendig, um Gewinnminderung durch Konsumentenabwanderung zu verhindern und vielleicht sogar noch ein paar Euros von Lifestyle-Ökos dazuzugewinnen.

Einen Kodex nach ILO-Norm haben die Teilnehmer ja auch eh schon (fast?) alle. Nur setzten sie den nicht durch und lassen seine Einhaltung auch nicht unabhängig kontrollieren. Ich fürchte das Ganze wird dann noch um einen Öko-Kodex ergänzt, der dann ebenfalls höchstens selbst kontrolliert wird.

Dann bekommts ein schickes Siegel und sieht es aus wie ein nachhaltiges Produkt, ist aber eigentlich kaum was anderes als konventionelle Ware. Für die Durchsetzungschancen vernünftiger gesetzlicher Mindeststandards wäre das ein herber Rückschlag.

Sollte ich mich irren, freue ich mich sehr!

Auch beim leider manchmal etwas unkritischen treehugger.com wird die Nachhaltigkeits-Koalition eher skeptisch gesehen:
https://www.treehugger.com/files/2011/03/sustainable-apparel-coalition-plans-fashion-eco-index.php

Liebe Kirsten, ich fürchte, ich setze hier auf die Frühlingssonne. Aber vielleicht weißt du auch einfach nur schon mehr als ich?

4 | Mary

März 8th, 2011 at 10:45

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Auch wenn ich die Ablehnung von Fast-Fashion und die Skepsis gegenüber Global Playern, gerade bei solchen wie Nike und Adidas mehr als verstehen und nachvollziehen kann, finde ich man sollte ein Schritt in die richtige Richtung nicht per se abstrafen, nur weil es eben große Konzerne sind.

Der Trend geht nunmal in Richtung ökologischer Mode, da können auch die sich nicht drumherum winden. Die Weltmarktpreise für Baumwolle sind durch die politischen Umwälzungen und die Umweltkatastrophen in Pakistan gestiegen und die für deswegen mehr gefragten Bio-Baumwolle auch.
Es mag uns zynisch erscheinen, aber dass ist was die Konzerne auf den grüneren Weg bringt. Die sind auch nur ein Teil der freien Marktwirtschaft, wie wir als Konsumenten auch.

Und genau da ist unsere Verantwortung. Denn das der Trend zu fair und mehr Transparenz geht, daß liegt meiner Ansicht nach in unserer Verantwortung. So ärgerlich das ist, aber beides muß eingefordert werden, sonst sieht kein größerer Konzern dazu eine Notwendigkeit dazu. Wenn das alles so schreckliche, gesichtslose Unternehmen sind, müssen wir das eben gegen sie verwenden.
Auch Fast-Fashion-Billigklamotten-Konzerne können es sich nicht leisten vorhandene Kunden zu verlieren, weil jemand auf Missstände aufmerksam macht und Transparenz fordert.
Und ganz vielleicht sind sie dazu auch mehr bereit, weil sie eben nicht so zynische, gesichtslose Konzerne sind.

Und nicht zuletzt muß endlich ein am besten staatliches Siegel her oder das GOTS muß bekannter und auch hier ist eine Mitarbeit unsererseits erforderlich.

Nicht den Kopf hängen lassen, sondern aktiv werden und die richtigen Schritte als Ermutigung nehmen, dann geht auch bald die Frühlingssonne auf 😉

5 | Dorian Gray

März 8th, 2011 at 22:05

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Sehr spannend, auch die Kommentare. Ich poste hier einfach nochmals frech ein neues Mail, das wir an H&M geschickt haben. Und zwar, weil viele der als Organic ausgezeichneten Artikel heute nur mehr zu 50% aus biologischer Baumwolle bestehen…. Wieso das so ist? nun ja, die Argumentation von H&M überzeugt nicht so ganz und passt eigentlich nicht mit den vollmundigen Ankündigungen zusammen…

http://montagsmailer.ch/2011/03/08/hm-begrunt-seine-laden/

6 | mp

März 12th, 2011 at 01:34

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In dem Schreiben von H&M an Dorian Gray fällt folgender Satz:

„Unser Ziel ist es, bis 2020 nur noch Baumwolle aus nachhaltigerem Anbau zu verwenden.“

Daraus könnte natürlich auch 2025 werden.

***
Also man rechnet nochmal mit 9 – 14 Jahren bis H&M komplett auf Organic Cotton umstellt.
***

Wenn man überlegt das Patagonia es bereits 1996 geschafft hat komplett auf Organic Cotton umzustellen, dann hat Patagonia es 24 – 29 Jahre vor H&M geschafft auf Organic umzustellen. Ob 2020+ Organic Cotton noch interessant ist, wäre die andere Frage.

*** nochmal 24-29 Jahre nach einer Firma wie Patagonia ***

Und noch was, H&M sollte am Eingang einen Ladenplan aufstellen damit man auch die Ecken findet wo es die paar wenigen Organic Cotton Produkte gibt.

7 | Anja Wakeham

März 13th, 2011 at 11:34

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Das Konsumverhalten der Menschen müsste sich ändern und es ist sehr schwer sie davon zu überzeugen. Sie sind ja jahrzehntelang davon überzeugt worden, dass man ständig etwas neues kaufen muss.Auch die sogenannte „planned obsolescence“, also Produkte so herzustellen, dass sie nach einer bestimmten Zeit kaputt gehen und die Menschen etwas Neues kaufen müssen, gibt es schon seit Beginn der Massenproduktion. Unsere Wirtschaft ist auf ständiges Wachstum ausgerichtet und nicht darauf gute Produkte vernünftig herzustellen und dabei die Umwelt zu schonen. Ich glaube, dass es ein langer Weg sein wird, daran etwas zu ändern und zu einer sozialen Ökonomie, die lediglich Bedürfnisse stillt und nicht auf ständiges Wachsen ausgerichtet ist, so wie sie vom Franzosen Serge Latouche propagiert wird, zu gelangen. Vielleicht ist es auch eine Utopie.

8 | mp

März 13th, 2011 at 16:15

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http://diepresse.com/home/wirtschaft/quartal/628872/HM_Teure-Baumwolle-belastet-Gewinn

ein paar aktuelle Zahlen über H&M,
ob bei H&M in das „Projekt“ Bio-Baumwolle investiert wird ?
ein Teil des Gewinns in eine hochqualifizierte Abteilung für Nachhaltigkeit mit der Aufgabe den Anteil der Bio-Baumwolle so schnell wie möglich zu erhöhen bis zur kompletten Umstellung ?

das ist die grosse Frage,
oder geht das doch in 250 neue Modehäuser ?

9 | Simone

März 14th, 2011 at 11:27

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Zitat: „kündigen an, dass sie nur noch Textilien produzieren wollen, die Mensch und Umwelt nicht schaden. “

hrmpf.. na wenn das mal gut geht^^ Ich geh davon aus H&M und Konsorten, wissen nicht mal, was der Begriff „Nachhaltigkeit“ überhaupt alles mit sich zieht. Darunter zählt nicht lediglich eine bewusste Textilwahl oder Produktionsstätte, sondern ein allumfassendes Prinzip, welches angefangen bei der Stromversorgung, über die Produktion, bis hin zu Verpackungsmaterialien und Logistiklösungen alles mit einbezieht. Firmen wie Deerberg ( https://www.deerberg.de ) setzen so ein Konzept in Form einer konsequenten Firmenphilosophie ziemlich exakt um. Ob Adidas & Co hier mithalten können, wage ich zu bezweifeln! Aber ich lass mich gerne eines besseren belehren.

10 | Muyserin

März 14th, 2011 at 23:49

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Mein erster Kommentar auf diesem Blog, das ich erst vor kurzem über die Schrot&Korn entdeckt habe und dessen Ansatz mir sehr gut gefällt.

Ich finde, Nachrichten und Reaktionen wie dieser Post sollten weiterverbreitet werden, damit ein massenhaftes Bewusstsein entsteht. Dafür wäre es toll, wenn es die gängigen Social-Media-Knöpfchen gäbe

Alles GuUte und bitte weiter so!