23 Jan, 2011
Wir fahren nach Berlin
Die Modewoche in Berlin? Ist wie eine Tüte Pommes. Man schlingt sie herunter und fühlt sich hinterher schlecht. Fasziniert hat mich das Thema vegane Mode, weil hinter uns zweifellos die Woche der Vegetarier und Veganer liegt. Doch bei all dem aktuellen Wirbel in der Schneekugel, überzeugt mich die V-Mode nicht.
Sicher gibt es die Stella McCartneys und Natalie Portmans, die dem Verzicht auf Seide, Leder und Wolle Glamour geben und mich beeindruckt die ethische Konsequenz von jungen Modeschöpferinnen wie Anja Umann von Umasan, die vegan arbeiten. Sie war eine der Finalistinnen des Humanity Fashion Awards von Hess Natur.
Nur letztendlich führt diese Mode zu Ausweichreaktionen, die der Umwelt nichts nützen, fürchte ich. Was leistet der Verzicht auf Seide, wenn dafür mehr Baumwolle angebaut wird, die mit Düngern und Pestiziden traktiert wird. Was leistet der Verzicht auf Leder, wenn dafür jede Menge Plastik und damit der Rohstoff Erdöl in Schuhen steckt?
Mir leuchtet deshalb sowohl Leder ein, das möglichst von artgerecht gehaltenen Tieren stammt und pflanzlich gegerbt wird oder auch Seide, wenn die Blätter der Maulbeerbäume, von denen die Raupen sich ernähren, nicht gespritzt sind, die Zucht ordentlich gemanagt wird und der Rohstoff fair bezahlt wird. Das wird die Hard-Core-Veganer nicht freuen – und ich respektiere ihre Entscheidung – aber für mich ist vegane Mode keine überzeugende Lösung. Zu Seide gibt es nächste Woche einen Gastblog von Enrico Rima von Lebenskleidung.
Halbgar fand ich auch das meist gebrauchte Wort der Modewoche: „Manufaktur“. Seit sich mehr Menschen für die Qualität ihrer Kleidung interessieren, übt sich die konventionelle Modeszene, darüber zu sprechen. Dann handelt es sich neuerdings eben nicht um einen beliebigen schwarzen Schuh, sondern ein Werk, in dem 300 Handgriffe stecken. Nicht um eine simple Jacke aus Kaschmir, sondern ein handgestricktes Unikat. Der Kenner kauft also Können – möglichst noch mit individueller Note, also Maßanfertigung.
Was ist daran falsch? Manufaktur-Fans produzieren nicht in Niedriglohnländern, sondern regelhaft in Europa. Aber sie blenden in allen Gesprächen, die ich geführt habe, regelhaft die Herkunft ihrer Rohstoffe aus. Es interessiert sie zu wenig, ob das Leder aus einer Gerberei in Indien oder die Kaschmir-Ziege in China gehalten wird. Meist kennen sie ihre Lieferanten nicht, sondern kaufen über einen Großhändler, der in Europa sitzt. Made in – meint in ihren Köpfen – immer nur den letzten Schritt der Produktion.
Perfekt finde ich das nicht. Wer in dieser Güteklasse auf das Thema Qualität einsteigt, sollte sich auch dafür interessieren, unter welchen Bedingungen beispielsweise die Tiere gehalten werden, die ihre Haut zu Markte tragen. Zumal die Preise von Manufaktur-Ware eh so hoch ist, dass das Spiel ist, um auch die Rohstoffe in 1A-Qualität zu liefern. Soll heißen: ein Modemacher neuer Prägung reist durch die Welt und schaut auch genau hin, wo er einkauft.
Nur einmal in die Spielkiste greifen und aus dem Gewimmel den Begriff „Manufaktur“ klauben, reicht nicht. Wer sich zu den Themen Substanz und Wertigkeit bekennt, der sollte das so konsequent wie möglich tun. Geredet wurde jedenfalls viel darüber auf der Fashionweek in Berlin. Ein anderes Beispiel: Sich gegen „Schnelllebigkeit“ in der Mode auszusprechen, ist gut, aber das schon eingelöst zu sehen, wenn es als Zitat von Bread&Butter-Chef Karl-Heinz Müller im Berliner Tagesspiegel steht, genügt nicht.
Das neue Bewusstsein in der Mode treibt zur Zeit noch seltsame Blüten. Aber Gedanken werden sich zweifellos gemacht, auch diejenigen, die ökologische Mode bisher nie bewegt hat, beginnen nachzudenken. Nur wäre mir lieber, sie würden mehr Gas geben als dann doch auf die Bremse zu treten, wenn es an die Produktion der Kleidung geht oder die Auswahl der Labels auf ihren Messen.
Und nun noch im Schnelldurchlauf speziell zur grünen Mode.
Gesehen: Katrin Kummer von Studio Ecocentric im Green Showroom. Sehr formale Mode, die das Potential eine Lücke zu schließen, wenn es um das Einhalten strengerer Dresscodes geht. Anne Bansleben von Rooters, deren Taschen aus Rhabarberleder Auge und Gewissen überzeugen. Meine Lieblingstasche (Goliath-Ausmaße) ist von Vilde Svaner aus Weimar entworfen. Rooters stellte übrigens auf der Key.to aus. Akela Stoklas von room to roam macht extrem schöne, aber auch schwere Strickmäntel. Da braucht es höchstens noch eine Weste drüber, dann kommt man auch durch Schauerwetter. Inka Koffke hat einen neuen Materialmix aus 55 Prozent Biobaumwolle, 35 Prozent Milchfaser und 10 Prozent Kaschmir, den ich einmalig weich und fließend fand. Es wird Shirts und Kleider geben.
Gehört: Peter Ingwersen hat das dänische Label Noir verlassen. Aus dem Duo der Wilden Schwäne wird ein Einzel. Anne Gorke macht alleine weiter. Im Sommer gibt es eine neue Kollektion, dann wird es allerdings keinen Mix mehr aus Recycling-Material und neuen Stoffen geben, sondern zwei getrennte Linien.
Geschaut: Die Innatex-Lounge war erneut ein Höhepunkt. Hier traf sich am ersten Abend die Szene und diskutierte. Auf der Key.to war leider das Licht sehr spärlich. Dabei gab es doch was zu sehen. BItte Licht anmachen. Selbst Öko-Model Summer Rayne Oakes, die einen Workshop gab, saß zunächst im Dunkeln. Aber die Schöne ist ein All-American-Girl und glitzerte mit ihrem Haarband und dem hellen Spitzenkleid ganz alleine. Gottseidank. Ihre Plattform Source4Style ermöglicht Designern, beim Einkaufen von guten Stoffen erheblich Zeit zu sparen. Interview mit der klugen Fee im Deutschlandfunk: Dlf 20110121 1539 09620ae3
Gekauft: Ging ja nicht! Gerne hätte ich ein Paar Schuhe von Janosch Mallwitz, Absolvent der Universität der Künste und Sieger des Hess-Natur-Modepreises. Die Schuhe sahen absolut futuristisch aus, erinnerten eher an Technik als an Natur und waren sehr klar vom Design. Für alle angehenden Modedesigner mache ich jetzt aber mal Werbung für eine andere Hochschule. Die ESMOD in Berlin bietet ab dem Wintersemester 2011 eine Masterstudiengang „Sustainability in Fashion“ ab. Finde ich absolut großartig.
EXTRAS: Video der Deutschen Welle zur TheKey.to mit dem charmanten Frans Prins und wer wissen will, wie sich Schirmfrau Renate Künast dort geschlagen hat, erfährt das hier.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |