03 Jan, 2011
Mehr Substanz, Herr Müller!
Karl-Heinz Müller, Chef der Bread&Butter, Zentralgestirn im Mode-Himmel und jemand, dem die Branche folgt wie einem Leitwolf, hält nicht viel von Ökomode. Jedenfalls, wenn man seinem Zitat in der „Textilwirtschaft“ glaubt.
„Ich glaube, dass die Öko-Bewegung keine wirkliche Substanz hat. Qualität, Wertigkeit und Niveau. Das zählt viel mehr.“
Zeit für ein Geständnis.
Ich finde Karl-Heinz Müller und seine bauchigen Urteile spannend und sicher ist er jemand, der ein Gespür für Modernität und die Spielarten von Zeitgeist hat. Außerdem dachte ich bisher recht großzügig, wir lägen auf der selben Linie. Zumindest seitdem ich in seinem preisgekrönten Laden 14oz in Berlin stand und dieses Spielen mit Langlebigkeit, Tradition und Qualität ein angenehmes Gegengewicht zur allzu schnell-lebigen Modebranche fand. Das antik anmutende Interieur (angeblich Secondhand aus Paris) war so wenig aufgeregt und so beiläufig oldschool, dass ich kurz dachte, wir seien eigentlich beide müde, was das Hinterherhecheln hinter immer neuen Trends anginge. Irgendwie hatte der Laden was Androgynes, viel Denim, keine Prinzessinnen-Looks.
Theoretisch, so dachte ich, ist der Mann auf dem richtigen Weg.
Offenbar verstehen der Mode-Entertainment-König und ich aber doch etwas extrem Unterschiedliches unter Substanz, Qualität und Niveau. Unter „meaningful products“, die ins 21. Jahrhundert passen. Wie kann die fortgesetzte Ausbeutung von natürlichen Ressourcen substantiell sein? Wie die fortgesetzte Ungerechtigkeit gegenüber denen, die die Mode letztendlich zusammen nähen, ein Zeichen von Niveau?
Ach herrje, Karl-Heinz Müller. Können Sie und die Branche wirklich nach wie vor so wenig mit dem Thema Ökologie und Ethik anfangen? Wie können Sie Qualität ohne ökologische und ethische Qualität verstehen? Überlagert ihre Obsession für Mode jede Vernunft, jeden Sinn für die wirklichen Fragen der Zukunft?
Dabei hätte ich so gerne Köpfe wie Sie an meiner Seite. Oder zumindest das Gefühl, das es möglich ist, unsere unterschiedlichen Zeitgefühle ins Gleichgewicht zu bringen.
Für einen emotionalen Menschen wie Müller scheint die Ökomode immer noch die falschen Vibes zu versprühen. Nichts davon scheint ihn wirklich gestalterisch und ökonomisch zu überzeugen. Und – zugegeben – ich spüre diese Kluft gelegentlich auch. Zwischen dem gewaltigen Öko-Versprechen und dem, wie die Mode sich tatsächlich praktisch zeigt.
Dann weiß ich wie heute morgen beim Auspacken eines verspäteteten Geschenk-Paketes kaum, was ich mit dieser misslungenen Mischung aus Schal, Stola und Sesselüberzug eigentlich machen soll? Will ich mir das anziehen? Wie lange muss ich eigentlich noch täglich solche Kröten schlucken?
Aber umgekehrt sehe ich dann, was Karl-Heinz Müller mir auf der Bread&Butter anbietet. Was ja wohl Substanz, Wertigkeit und Niveau haben soll. Doch das Gros, das ich dort sehe, sind nur negative Ausschläge der Entwicklungskurve. Suchen wir andere Lösungen, Karl-Heinz Müller. Und ja, meinetwegen auch andere Vibes.
Wie wäre es zunächst mal mit einem Doppelinterview in der Textilwirtschaft?
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |