15 Dez, 2010

Hess Natur wird nicht an Heuschrecke verscherbelt?

Nachdem es sich schon rasend in Zeitungen und im Netz verbreitet, ist es Zeit für ein offizielles Dementi, um den Ruf von Hess Natur nicht weiter zu schädigen. Die Frankfurter Rundschau hatte heute gemeldet, dass Ökomode-Versender Hess Natur an den US-Finanzinvestor Carlyle verkauft werden soll, der sein Geld auch in Rüstungsgeschäften hat und somit auf der Liste der wirklich Bösen ganz oben rangiert. Zwar gehört Hess Natur zum untergegangenen Arcandor-Konzern und soll tatsächlich in 2011 verkauft werden, aber nicht an Carlyle.

Es laufen definitiv keine Verkaufsverhandlungen, bestätigte der Geschäftsführer der Primondo Speciality Group in einem Telefonat mit mir. Die Frankfurter Rundschau hatte ihn nicht mal angerufen, es handelt sich also um eine Zeitungsente. Die FR hat sich in letzter Zeit öfters mal mit solchen Geschichten verhauen, die Redaktion muss sparen (Dumont Konzern) und hat offenbar keine Zeit mehr für eine solide Gegenrecherche und ein einziges Telefonat mehr.

Allerdings hätte Hess Natur die Geschichte selber schon viel früher dementieren müssen, anstatt alle Pferde scheu zu machen. So ist erst mal ein Imageschaden entstanden, denn die Geschichte ist in der Welt und im Netz. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens jemand Attac anruft, die zu einer großen Protestaktion aufgerufen hatten.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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17 Kommentare auf "Hess Natur wird nicht an Heuschrecke verscherbelt?"

1 | Markus Henn

Dezember 15th, 2010 at 20:59

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Sehr geehrte Frau Brodde,

als einer der Mitverfasser der Attac-Pressemeldung kann ich Sie leider versichern, dass die Aktion von Attac gute Gründe hat, was auch immer der Primondo Geschäftsführer Ihnen gesagt haben mag. Da Sie anscheinend in bester Absicht handeln, kann ich Ihnen nur raten, den Alarm ernst zu nehmen und dieses Anliegen von Attac zu unterstützen. Für Rückfragen können Sie mich gerne anrufen (Tel. Nr. 0176-37630916).

Mit freundlichen Grüßen
Markus Henn

2 | Stephanie

Dezember 15th, 2010 at 21:08

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Liebe Kirsten, na ja, Du hast selbst mindestens zwei Telefonnummern von „Attac“. 😉
Leider handelt es sich nicht um eine Ente – schön wär’s. Schon mal darüber nachgedacht, dass der GF von Primondo möglicherweise Märchen verbreitet?
Außerdem: Die FR hat niemals behauptet, mit Primondo gesprochen zu haben, denn für den Verkauf ist nicht Primondo, sondern KQMT zuständig. Und mit denen hat er gesprochen. und der KQMT-Vorstand hat bestätigt, dass unter anderem carlyle interesse hat.

LG
Stephanie

3 | Kirsten

Dezember 15th, 2010 at 21:09

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@Markus Henn: Ich rufe Sie gerne morgen früh gleich an. Das interestsiert mich schon brennend, ob sie mehr Infos haben. Dann unterstütze ich Sie gerne. Ansonsten ist der Imageschaden für die gute Ökomarke Hess Natur nämlich immens, aber ich denke, das weiß Attac.

4 | Michael Wenzl

Dezember 15th, 2010 at 21:14

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Schlechte Recherche ist zwar mittlerweile eine Epedemie, aber in der FR wird KQMT Vorstand Haselmann und der hess GF Lüdke zitiert. Sofern die authentisch sind, würde ich das als Quellen gelten lassen. Gleichwohl (über-) dreht der Autor des Artikel das Rad ein bisschen heftig, dass ich mich frage ob da nicht jemand Rauch herbeischreibt, damit sich eine Feuerwehr in Stellung bringen kann. Cui bono?

5 | Frauke Distelrath

Dezember 15th, 2010 at 21:38

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Liebe Kirsten Brodde,

das finde ich erstaunlich, wie du aus einem einzigen Anruf bei einem Primondo-Geschäftsführer, der ja kein sonderliches Interesse hat, Verkaufsverhandlungen publik zu machen, schließt, die Recherche eines erfahrenen FR-Redakteurs sei eine Ente. Frank-Thomas Wenzel, der Autor, hat doch gar nicht behauptet, mit Primondo gesprochen haben. Er hat mit dem Vorstand des Karstadt-Quelle-Mitarbeitertrusts KQMT gesprochen, weil KQMT für den Verkauf zuständig ist. Und der KQMT-Vorstand Detlev Haselmann hat bestätigt, dass Carlyle zu den Hess-Natur-Interessenten gehört. Meinst du nicht, dass Haselmann das Ganze scharf dementiert hätte, wäre an den Übernahmeplänen wirklich nichts dran? Und meinst du nicht, dasselbe gilt für den Geschäftsführer und den Betriebsrat von Hess-Natur? Noch deutlicher hätten die beiden doch kaum werden können.

Beste Grüße!
Frauke Distelrath
(Attac-Pressesprecherin)

6 | Kirsten

Dezember 15th, 2010 at 22:03

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@Stephanie: Du weißt genau, dass du mein ganzes Vertrauen hast. Und natürlich telefoniere ich morgen mit euch. Und ich möchte natürlich, dass auch die Primondo Speciality Group das tut. Direkt telefonieren, nicht über Dritte. Aber verstehe doch, dass ich besorgt bin um den Ruf von Hess Natur, die ein gutes Unternehmen sind – ökologisch und ethisch gesehen. ich finde, da müssen wir einfach sicher gehen, sonst ist deren Marke hin und die ganze Branche – zugegeben, für die ich mich immer eingesetzt habe – gleich mit. Lass uns das morgen besprechen. Mein Stand ist: Carlyle hat alles mögliche gekauft (Baby Walz), nur Hess Natur wollten sie nicht. Aber wenn ihr mehr habt, lasse ich mich absolut belehren. Hess Natur sagt, Zitate seien nicht autorisiert. Aber ich gestehe euch zu, dass die Nummer schwer durchschaubar ist. Aber ihr gemahnt mich zu Recht an Sorgfalt und kritische Prüfung, das gilt auch für euch, das weißt du. A domani, Kirsten

7 | Jutta Sundermann

Dezember 15th, 2010 at 22:52

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Liebe Kirsten!
Na, bald hast Du den ganzen Club der Nachrichten-VerbreiterInnen beisammen 😉 Ich bin auch sehr für ein direktes Gespräch morgen.

Wichtig ist mir aber ein Punkt, der in den letzten Texten noch fehlte: Die MitarbeiterInnen von Hess Natur unterstützen unsere geplante Protestaktion.

Die Rückmeldungen sind auch eindeutig: Viele Leute wollen jetzt aktiv werden, um Hess Natur zu _retten_!

Eine jetzt vielfach geäußerte Boykott_androhung_ unterstreicht, dass Hess Natur nicht an einen unmöglichen Investor wie Carlyle verkauft werden kann ohne massive „Nebenwirkungen“ zu haben. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Wirbel, den wir jetzt verursachen können, KQMT zwingt, nur noch Käufer in Betracht zu ziehen, die zu Hess Natur passen.
Viele Grüße
Jutta

8 | Markus Marx

Dezember 16th, 2010 at 00:29

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Man muss doch nur mal die verschiedenen offiziellen und halboffiziellen Statements wirklich lesen:
– der Geschäftsführer von Primondo Speciality Group ist ein Herr Siekmann – zumindest bislang gewesen. Dieser steht mit dem Verkauf der ersten 6 Speciality Group Unternehmen in Diensten von Carlyle.
– glaubt irgendjemand wirklich, dass ein Carlyle-Vertreter in so aufgeheizter Stimmung seine Kaufabsichten auch noch publiziert?
– Carlyle baut sich offensichtlich ein Deckmäntelchen auf und erschließt zukunftssichere Zweitmärkte. Da passt das eine oder andere Öko-Unternehmen gut rein.
– ob der Austausch der Geschäftsführung von Hess Natur nun wirklich ein Verlust wäre, sei einmal dahingestellt. Aber das Nicht-Dementi des KQMT-Vertreters, der in der Rundschau ziert wird, spricht ja doch eine sehr deutliche Sprache:
Die Bank macht mit Hess Natur was sie will. Da muss nur der Preis stimmen. Jetzt wird man wohl noch ein oder zwei Wochen warten, um die erste Empörung abklingen zu lassen, bevor die Verhandlungen mit Carlyle weitergehen.

– Die Wunschträume zahlreicher Poster zu den Blog-Einträgen auf der Hess Natur-Website sind ja nett. Aber es ist völlig unrealistisch anzunehmen, dass KQMT abwartet, bis einige Zehntausend Wohlmeinende Geld in einer Genossenschaft gesammelt haben, um die Verkaufspreiserwartungen zu erfüllen.
– es hatte doch einen schlichten Grund, dass Hess Natur eben nicht im ersten Unternehmenspaket, dass Carlyle von KQMT erworben hat, enthalten war. Und dieser ist, dass KQMT den Kaufpreis in die Höhe treiben will. Hess Natur wird wohl, traurig wie es ist, an einen der großen Bieter gehen. Die Erwartung, dass ein ökologischer Weißer Ritter daherkommt und zig-Millionen aus dem Ärmel schüttelt, sind einigermaßen unrealistisch.

9 | Kirsten

Dezember 16th, 2010 at 08:54

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@Jutta: Schön, dass du dich zu Wort meldest. Wenn die Strategie, die du skizzierst, so aufgeht, ist das gut. Ich beobachte die Ökomode-Branche jetzt seit zwei Jahren und weiß, welche wichtige Rolle dieses integre Unternehmen für alle Anbieter, auch die Kleinen spielt.

Hess Natur hat Standards wie den GOTS mit entwickelt, Zeit und Geld in ökologische Innovationen gesteckt, hat Umweltschutz und Ethik immer im Doppelpack betrachtet, junge Designer gefördert und ist ein wichtiges Aushängeschild nach außen (Ökomode in der Vogue!). Und weil die Butzbacher gleichzeitig so bodenständig, fast bieder daher kommen, werden sie eigentlich immer unterbewertet.

Deswegen wäre es fatal, sie verlieren mit dem falschen Investor die Möglichkeit, auf diesem Pfad weiter zu gehen. Oder eben durch zuviel Rauch, der ihre Umsätze einknicken lässt, weil jeder sie jetzt schon verloren gibt.

Aber ich kenne und schätze deine besonnene Analyse und Art. Freue mich auf ein Telefonat.

Kirsten

10 | Juergen Oberst

Dezember 16th, 2010 at 13:38

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Das Primondo-Dementi steht auf jeden Fall auf schwachen Beinen! Und die unreflektierte Verbreitung hier im Blog scheint voreilig und klingt ein bisschen sehr nach „ich weiss auch was“. Damit erzeugt man zwar Traffic auf der Seite, leider aber auch Verwirrung bei den protestierenden Kunden. Deren angekündigte Kaufenthaltung ist sicher die schärfste, und auch einzige, Waffe im Kampf gegen den Unternehmensverkauf. Wer von den dabei beteiligten Parteien dabei möglicherweise welche Meldungen in welcher Absicht verbreitet, ist nicht zu durchschauen und kann bei einer persönlichen Konsumentscheidung keine Rolle spielen. Wir haben Basic links liegen gelassen, sind dabei nicht verhungert und würden das auch mit HessNatur so machen. Die Erfahrung lehrt, dass andere, bessere Anbieter mit der Zeit die Lücke füllen werden.

11 | Kirsten

Dezember 17th, 2010 at 09:39

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@Ich gebe zu, das mich beeindruckt, wie wehrhaft sich Hess Natur und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen, wenn es darum geht, ihr Unternehmen vor dem falschen Investor zu schützen.
Keiner steckt den Kopf in den Sand. Jutta Sundermann von Attac, die heute zu einer Kundgebung in Butzbach aufgerufen hat, hat ausdrücklich betont, sie fordere nicht sofort zum Boykott von Hess Natur auf, sondern drohe gemeinsam mit vielen Kunden einen Boykott an, wenn Hess Natur an die Carlyle Group fallen sollte, quasi als Abschreckung. Sie sieht also deutlich Potential für strategischen Konsum. Und sie hat viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hess Natur an ihrer Seite.
Fragt sich, wie dieses hochprofitable Unternehmen an einen guten Geldgeber kommt, der ermöglicht, dass Hess Natur den Kurs beibehalten kann, den die Butzbacher eingeschlagen haben.
Im übrigen danke ich alle, die sich hier beteiligt haben – ausdrücklich denen, die mir den Kopf gewaschen haben. Gehört dazu.

12 | Bernd

Dezember 17th, 2010 at 11:44

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Ich finde es nicht gut, dass der Artikel, auf den sich die Kommentare beziehen, im Nachhinein geändert wurde (Überschrift).

13 | Kirsten

Dezember 17th, 2010 at 15:52

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@Bernd: Du hast recht, der Originaltitel lautete: Dementi – Hess Natur wird nicht an Heuschrecke verkauft. Nur, um deinem Einwand Rechnung zu tragen.
Hier ergänzend der Link zum Blog von Hess Natur, wo über die heutige Protestaktion berichtet wird: http://de.hessnatur.com/blog/

14 | Heike

Dezember 20th, 2010 at 15:44

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Ich leite die Geschäftsstelle des IVN und war am Freitag auf der Demo vor dem Hess Natur Laden in Butzbach. Viele der Mitarbeiter von Hess waren auf der Straße, ganz vorn Wolf Lüdge, der Geschäftsführer. Er rief dazu auf, Hess Natur jetzt nicht im Stich zu lassen und auch Attac stellte richtig, wie der Protestaufruf gemeint ist: Erst wenn Hess tatsächlich an einen Investor verkauft wird, der ethisch nicht zu ihnen passt, soll boykottiert werden. Einige Leute hatten nämlich bereits darum gebeten, von Kundenliste gestrichen zu werden. Das trägt dort nicht gerade zur Beruhigung bei.

Ich meine auch, dass es keine große Rolle spielt, welcher Konzern Hess letztendlich schluckt, ob Carlyle oder Otto oder wer sonst auch immer. KQMT hat nicht dementiert und gesagt: „Es kommt nicht in Frage, Hess an eine Heuschrecke zu verscherbeln“ und das ist doch der Punkt. Also ist Protest in jedem Fall angesagt, oder? Aber bitte richtig. Für dieses Pionier-Unternehmen sollte in jedem Fall sicher gestellt werden, dass es in Ruhe arbeiten und der Firmenphilosophie treu bleiben kann. Gerüchte hin Gerüchte her.

Im Übrigen halte ich die Firmenspitze für enorm mutig, wenn sie sich so gegen einen Verkauf wehren! In der FR wurde ja bereits über Entlassungen spekuliert. Hut ab!

15 | Gundula

Dezember 21st, 2010 at 11:10

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Wenn ich recht informiert, läuft im Hause Hess auch intern einiges aus dem Ruder.

Das ist schon lange nicht mehr der nette Öko-Laden von nebenan.

Da werden z.b. Mitarbeiter willkürlich vor die Tür gesetzt, Dienstleister gegeneinander ausgespielt und Dinge dieser Art.

So gibt es wohl seit einem Jahr eine neue Werbeleitung, welche mit diktatorischen Methoden das Zepter zu schwingen versucht, ohne eigentlich die Nötige Kompetenz zu besitzen. Um dieses Unvermögen zu verbergen rollen dann die Köpfe anderer Leute und der Vorstand schaut tatenlos zu.

So gibt es wohl auch permanent Diskrepanzen zwischen den Designern und der neuen Werbeleitung.

Naja eines muss man der Geschäftsleitung zu gute halten. Diese hat es geschafft, nach wie vor das Image des unschuldigen Sozial-Labels aufrecht zu erhalten.

Man erntet was man säht, sage ich da nur !

Viele Grüße,

Gundula

16 | Kirsten

Dezember 21st, 2010 at 15:46

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Hier der neue Dreh der Frankfurter Rundschau, die ich ein wenig voreilig gescholten habe: Nun habe die Triaz-Gruppe (dazu gehören Waschbär und Panda) Interesse bekundet. https://www.fr-online.de/wirtschaft/oeko-investor-fuer-hess-natur/-/1472780/5024208/-/view/asFirstTeaser/-/index.html
Nun ja, ein starker Investor ist nötig, damit Hess Natur weiter Geld in ökologische Innovationen stecken kann. Mir wäre aber jemand mit mehr Glamour lieber, der auch aus der Mode kommt. Ich habe es ja bei Hess Natur auf dem Blog und auch auf Facebook schon veröffentlicht: Wenn Wolfgang Joop bei Schiesser Feinripp einsteigen kann, dann brauchen wir jetzt auch einen Stardesigner für Hess Natur.
Wo ist eigentlich Stella McCartney geblieben? Jil Sander hat sich ja leider schon mit dem reichsten Mann Japans zusammengetan und designt für Uniqlo.

17 | Fr.Jona&son

Dezember 21st, 2010 at 17:02

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Ich denke nicht, daß es so einfach geht aus einem traditionellen Unternehmen wie hessnatur plötzlich eine Glamourmarke zu machen.
Die Firma hat halt einen gewaltigen Ökomodeanstrich.

Wichtig sind „grüne“ Investoren- egal aus welchem nachhaltigen Wirtschaftsbereich.