03 Aug, 2010

Fall für die Feuerwehr

Wenn Stiftung Warentest kommt, muss man handeln und in Topform sein. Lippenbekenntnisse reichen da nicht, Papiere müssen her und Zertifizierungen.

Das haben die Bio-Anbieter beim aktuellen T-Shirt-Test der Warenprüfer bitter lernen müssen (August-Ausgabe).  Gerade wer hohe Ansprüche hat, der muss diese einhalten können.  Verbraucher reagieren zu Recht sensibel darauf, wenn sie fürchten müssen, genasführt zu werden.

Otto, Trigema, armedangels und Panda konnten nicht lückenlos nachweisen, woher ihre Biobaumwolle stammt, im Falle von armedangels monierten die Tester auch, dass die Firma in Portugal nicht das zahlt, was die Beschäftigten zum Leben brauchen. Mir tut besonders das schlechte Abschneiden der ambitionierten Kölner Firma leid, deren Designs heißbegehrt sind (oben das neue Shirt designt von Supermodel Eva Padberg und Mann). Nur: das Nadelör der Zertifizierung muss jedes Unternehmen passieren – das ist teuer, anstrengend, aber essentiell für das Verbrauchervertrauen. Stiftung Warentest gebärdet sich sicher wie ein Sondereinsatzkommando, aber dann darf eben nicht gebummelt werden. Eigentlich weiß man doch, dass Stiftung Warentest in jeder Hinsicht ein Party Crasher ist und gerne mal dazwischen haut, oder?

So gesehen wünsche ich mir regelmäßige Razzien dieser Art – damit diese liebenswerten Branche voran kommt. Stiftung Warentest hat übrigens nie behauptet, dass die T-Shirts keine echte Bioware sind, sondern nur, dass die schriftlichen Nachweise fehlen und damit ein Restverdacht bleibe. Erstaunt haben mich übrigens eher die guten Testergebnisse aller bei den Drucken….

Ein Wort zum strahlenden Testsieger Hess Natur, die als einzige Firma ihren Produktionsprozess lückenlos nachweisen konnten und damit Maßstäbe setzen. Bei allem Respekt für die überschwängliche Freude der Butzbacher: die Stars allein bringen es nicht. Um zur Geltung zu kommen, braucht die grüne Mode ein funktionierendes Team. Und eine gute Gesamtleistung.

Das ist die Lehre der Fußball-Weltmeisterschaft – und hier passt sie ausgezeichnet.

Das klingt jetzt vielleicht sonderbar, aber wahrlich gut ist, wie sichtbar das Thema Kleidung inzwischen ist. Wir ziehen uns zwar jeden Tag an und manch einer beschäftigt sich stundenlang damit, aber politisch betrachtet, war Kleidung und was drin steckt, eigentlich bis vor Kurzem unsichtbar. Jetzt ist das Thema Gesprächsstoff.

Machen wir als kleine Bewegung was draus….

Links: Der Hess Natur Blog dokumentiert sehr schön die Presseresonanz von der Zeit bis zur taz von gestern („Bio ist nicht gleich bio“). Die armedangels haben eine eigene Stellungnahme bei sich veröffentlicht.

ACH JA: ICH BIN WIEDER DA!!!!

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

3 Kommentare auf "Fall für die Feuerwehr"

1 | Bernd

August 4th, 2010 at 14:13

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Ich verstehe hier einiges nicht, zum Beispiel: armedangels schreiben, sie seien das einzige geprüfte Unternehmen, dessen Produkte auch als fair gehandelt zertifiziert seien. Aber ist hessnatur nicht Mitglied der fairwearfoundation?
Es ist ja gut, dass die Stiftung Warentest so genau auf Zertifikate achtet, aber warum empfiehlt dann der Herr Müller von der Stiftung im Beitrag des Hessischen Rundfunks, beim Kauf dem ökotex-Standard 100 zu vertrauen. Steht dieses Siegel nicht für Green-washing im wahrsten Sinne des Wortes? Wie kompetent ist eigentlich die „Stiftung Warentest“?

2 | Kirsten

August 5th, 2010 at 10:00

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@Bernd: Stimmt sowie so nicht. Auch Hess Natur hat Fairtrade-Biobaumwolle, was Stiftung Warentest nicht erwähnt hat – vermutlich, weil sie Hess Natur schon ausreichend gehuldigt hatten.
Wie hoch die Erwartungen an die Unternehmen sind, zeigt dieser Test natürlich auch – und wie verwirrend die möglichen Siegel, bzw. Mitgliedschaften.
Das Gemeinsame an Fairtrade und Fair Wear Foundation ist das Interesse am Wohl der Menschen und einer würdigen Bezahlung. Beide decken doch jeweils nur EIN Glied der Produktionskette ab. Fairtrade setzt auf dem Acker an und kümmert sich um das Wohl der Baumwollbauern, die Fair Wear Foundation setzt sozusagen am Ende und kurz vorm Kleiderschrank an und kümmert sich um die Konfektion/die Nähfabriken.
Hess Natur arbeitet an beiden Enden gut, aber das ist selten.

Ich bin immer noch dafür, eine Vereinheitlichung der Standards und ein Gütesiegel zu schaffen, was alle Glieder der Produktionskette abdeckt. Die Frage ist dann, wie streng wird es sein, wenn vom Acker bis in den Schrank Regeln festgelegt werden.

Zuletzt: Beim Kauf auf ökotex-Standard zu vertrauen, kann man machen, hat aber NICHTS mit BIO oder FAIR zu tun, Ökotex leistet in puncto Umwelt und Soziales so gut wie nichts.

3 | Bernd

August 5th, 2010 at 15:23

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Danke.
Für mich als Verbraucher ist dieses Wirrwarr an Siegeln eine Herausforderung, um nicht zu sagen eine Zumutung und wirklich keine Argumentationshilfe. Ein einheitliches Siegel wird im Entstehungsprozess in der Politik gewiss aufgeweicht werden, wäre aber – ähnlich wie im Lebensmittelbereich – meiner Meinung nach dennoch ein Fortschritt. GOTS, fair wear foundation, transfair et cetera könnten dann als strengere Siegel ja zusätzlich bestehen bleiben wie bei den Lebensmitteln Bioland usw. Aber selbst von einem „weichen Siegel“ sind wir ja offenbar weit entfernt. Wo sitzen eigentlich die Lobbyisten der Textilindustrie? In Berlin? Wer ist das dann, der Einzelhandelsverband? In Brüssel? Mit der Energieindustrie (Kanzlerinfreundin Hildegard Müller) oder der Automobilindustrie (vda-Cheflobbyist Wissmann) kann ich Gesichter verbinden, aber wer vertritt eigentlich die Interessen von kik und Co? Im Textilbereich liegt wirklich vieles im Dunkeln.

4 | Elke

August 8th, 2010 at 07:56

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zu den Aufdrucken: „vielleicht gut“ für den Endverbraucher – und der Rest der Kette? Im gesamten Prozess – von der Herstellung der Farben und Hilfsmittel- bis zur Entsorgung von Reststoffen und Abwasser- kann es bedenkliche bis gefährliche Stoffe geben; manche (z.B. Formaldehyd) entstehen erst bei der Verarbeitung (Freisetzung durch Wärme). Stiftung Warentest beschränkt sich bei der Prüfung des fertigen Produkts auf 3 Stoffe: Formaldehyd, ein Gas, das sich schnell abbaut und nach der Wäsche nicht mehr nachweisbar ist. Zinnorganische Verbindungen und Phtalate: das gute Abschneiden könnte auch an den tolerierten Grenzwerten liegen. Bei ökotex100-Baby ist hier vieles noch erlaubt (Grenzwerte liegen z.T. doppelt soch hoch wie bei GOTS), was z.B. bei GOTS oder gar IVNbest wesentlich strenger eingegrenzt ist. Alles in allem und wie so oft eine, meiner Meinung nach, sehr oberflächliche, einseitige Betrachtung der Dinge.

5 | Kirsten

August 8th, 2010 at 13:58

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@Elke: Ich danke für diese zusätzlichen Informationen, was es für die Modelabel nicht einfacher macht. Gemutmaßt hatte ich das ja schon im Blogbeitrag.

Eure GOTS-zertifizierte Druckerei ist sicher Pionierleistung und Optimum zugleich in Deutschland. Vielleicht organisieren wir mal einen Warentest?
Bedruckte Kindershirts, vermutlich wäre das Entsetzen groß.