10 Jul, 2010

Berlin zeigt sich grün

Vom kleinen Sternchen in der Milchstraße zum Zentralgestirn – so lässt sich der Aufstieg der grünen Mode in Berlin beschreiben.  Natürlich thront immer noch die konventionelle Mode etwas gottväterlich über allem, aber die ehrfürchtige Scheu der grünen Modemacher ist gewichen.

Ratlos wirken eher die großen Modelabel, deren Engagement jetzt alle fordern und die nicht genau wissen, wie sie mit den neuen Ansprüchen an sie umgehen sollen. Meist verbarrikadieren sie dann zunächst hinter ein paar T-Shirts und warten auf Lob. So wie Michael Michalsky, der auf der „Premium“ eine Serie von T-Shirts aus Biobaumwolle präsentierte, bedruckt mit Motiven von bedrohten Tierarten (Protect! siehe das Shirt mit dem Monarchfalter oben). Diese Idee hat er vom Müncher Öko-Label RoomtoRoam kopiert, die das schon seit Jahren machen – leider mit weniger Aufmerksamkeit.

Doch wenn Michalsky dann einsteigt, dann kooperiert er eben gleich mit dem mächtigen WWF und verkauft horrende Stückzahlen an Ecorepublic, den Otto-Shop für grüne Mode. Kluge Bündnispolitik ist das auf jeden Fall. Die Blender hoffen einfach, dass es reicht, auf ein paar Teile der Kollektion „Organic“ zu schreiben und die Verbraucher nicht weiter fragen. Selbst Stofflieferanten wie Swiss Organic Fabrics staunen über diese versuchte Verbrauchertäuschung. Die Schweizer, die im Green Showroom im Luxushotel Adlon ausstellten, stoßen mit ihrem Angebot sogar auf Interesse von Glamour-Labels wie Gucci und Edel-Versender Manufactum. Nur die Ausrüstung, in diesem Fall die wasserfeste Beschichtung von ETA Proof (Biobaumwolle) soll bitte weiter mit dem Mineralölprodukt Paraffin passieren und nicht mit Bienenwachs. So wird es ausdrücklich gefordert von den Firmen. Wahrlich ökologisch ist das nicht, sondern schlicht eine SACKGASSE, in der sich die Modemacher manövrieren. Womöglich taugt es sogar zur langsamen Demontage. Irgendwann merken die Verbraucher die Schummelei und springen ab, weil sie sich über den Tisch gezogen fühlen. Das wiederum schadet dann der ganzen grünen Mode, für die ein guter Leumund essentiell wichtig ist.

Wer es ernst meint, der entwickelt sich von Jahr zu Jahr weiter. So wie die kleinen grünen Label. Nur zwei Beispiele seien hier genannt: Inka Koffke bedruckt ihre Sommerkollektion 2011 jetzt auch ökologisch (RK Textil aus Fürth). Die Prints, die an ein stilisiertes Krokomuster erinnern, zieren farbenfrohe Schals, aber auch ihre Shirts und Kleider (siehe Bild der beiden Tücher oben). Strickqueen Caro E. aus Berlin arbeitet seit neuestem mit Lebenskleidung, die Experten für fair gehandelte und pflanzlich gefärbte Stoffe sind. Gefertigt wird lokal von den Behindertenwerkstätten in Berlin-Weißensee. Die Ledertaschen, die das Sortiment erweitern, sind aus alten Lederjacken und Hosen, die aufgetrennt werden. Das Aushängeschild des Labels ist die Schauspielerin Fritzi Haberlandt, die Carolin Graening bereits für die Berlinale mit ihren Sachen einkleidete.

Man mag mir verzeihen, dass ich jetzt viele kleine Innovationen von anderen Labels unerwähnt lasse und mich auf das Grundsätzliche konzentriere. Letztendlich bin ich der festen Überzeugung, dass sich in dieser Branche IDEALISMUS und PROFESSIONALITÄT stärker als bisher paaren müssen. Es muss möglich sein, grüne Mode mit Herzblut und gewinnorientiert zu machen.

Das gilt für die Mode, aber auch für die Messen in diesem Bereich – deren zersplittertes Auftreten die Woche in Berlin zu einem Marathon machten – und das bei tropischen Temperaturen. Die Ökomodemesse TheKey.to, deren neue Location im Postbahnhof sicher auf der Plus-Seite zu verbuchen ist, ist nach wie vor für die meisten Einkäufer und Journalisten die KÜR und nicht die PFLICHT – anders lassen sich die mauen Besucherzahlen nicht erklären. Als STARTRAMPE für die vielen kleinen Labels, die sich erstmals zeigen, wird die Messe aber weiter eine Bedeutung haben.

Wenn Bread&Butter-Chef Karl-Heinz Müller ab 2012 in Tempelhof noch eine weitere Messe nur für Kindermode startet – wie er ankündigte, wird die Konkurrenz allerdings noch größer. Und viele junge Labels auch im grünen Bereich starten mit Kindermode. Vermutlich macht dieses Segment inzwischen den Löwenanteil an der grünen Mode aus. Das ist eine pure Spekulation – belastbare Zahlen fehlen.

Zum Thema Charakter und Gewinn darf die Rolle rückwärts von Kuyichi nicht unerwähnt bleiben. Kuyichi hat sich von der alten Führungsriege getrennt und einen Haufen alter MEXX-Leute eingekauft, denen die Ökologie völlig egal ist – das ergaben meine Gespräche auf der Bread&Butter, die von Marketing-Blabla nur so strotzten. Als größte Innovation wurde mir der Wechsel der Logo-Farbe von Orange zu Indigoblau angepriesen. So fängt die Erosion der traditionellen Identität an. Eigentlich müssten man diese neuen Managern gleich wieder das Sorgerecht für Kuyichi entziehen. Ehrlich gesagt hat mir die neue Kollektion aber immer noch gefallen und nach Aussagen der führenden grünen Ladenbesitzer der Republik wird das coole Label Kuyichi einfach rasend gut verkauft. Wünschenswert ist also, dass die Kollektion charakterstark und eben grün bleibt.

Es sei gestanden, dass ich bei 36 Grad Celsius doch tatsächlich von den dicken, warmen Pullovern beeindruckt war, die es im Green Showroom bei Grüne Erde zu sehen gab, die Hess Natur in Zukunft sicher Konkurrenz machen. Dünne Fummel habe ich genug.



     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

5 Kommentare auf "Berlin zeigt sich grün"

1 | asmona

Juli 10th, 2010 at 15:06

Avatar

Vielen Dank für den Bericht!
Schönen Urlaub.

2 | Sascha

Juli 12th, 2010 at 14:24

Avatar

Liebe Kirsten,

vielen Dank für den guten Überblick, der meinen allgemeinen Eindruck aus Berlin bestätigt. Bleibt nur zu hoffen, dass die VerbraucherInnen kritisch mit Eco-Fashion umgehen und sich weiter intensiv informieren, was sie da von wem kaufen und wie „grün“ die Sachen wirklich sind.
Sollten sich die großen durchsetzen, denen es mit einem wirklichen Wandel der Branche in richtung Öko und(!) fair nicht ernst ist, dann gute Nacht für alle Kleinen.
Danke für deine Gute Arbeit und schönen Uralub.

3 | Anna Sch.

Juli 15th, 2010 at 00:06

Avatar

Ich finde es super, dass Michalsky für den WWF designt und das in Berlin auch kommunziert. Es ist zumindest mal ein Schritt in die richtige Richtung und wenn es die Aufmerksamkeit auf das Thema Organic Cotton lenkt und auch in der breiteren Masse mit den Vorurteilen aufräumt, dass „grüne Mode“ gleich Leinensack ist, dann ist allen geholfen. Dazu braucht es eben solche Meinungsführer, ob wir wollen oder nicht. Was die Qualität der Rohstoffe angeht, so kann es sich doch ein wwf gar nicht leisten, hier Abstriche zu machen, oder? Hier gleich von „Verbrauchertäuschung“ zu sprechen ist meiner Meinung nach sehr gewagt!

4 | Kirsten

Juli 17th, 2010 at 20:00

Avatar

@Anna: Deine These, dass die Michalskys dieser Welt eine gewisse Sogwirkung fuer die ganze Szene haben, teile ich absolut. Trotzdem wuerde ich gerne, dass wir beide ein Jahr abwarten und dann den Status Quo bei Michalsky in Sachen Bioshirts erneut betrachten. Ob Adidas oder Tchibo-Engagement, Michalsky ist ein Durchlauferhitzer, gucken wir mal, ob er dabei bleibt oder einfach ein anderes Pferd sattelt.

5 | mp

Juli 27th, 2010 at 16:22

Avatar

interessant und sehr direkt, ich mag das !
danke für den bericht !