21 Apr, 2010

Lidl muss Werbung zurückziehen

Die Klage der Hamburger Verbraucherzentrale wegen Verbrauchertäuschung gegen Lidl hatte schnell Erfolg. Lidl verpflichtete sich in einer Unterlassungserklärung, nicht mehr zu behaupten, sie würden weltweit fair produzieren. Die Klage wurde von der Kampagne für Saubere Kleidung und dem European Center for Constitutional und Human Rights unterstützt, die mit einer Studie über miese Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Lidl-Zulieferbetrieben den Humus für die Klage geliefert hatten. Gratulation an diejenigen, die die Idee und die Chuzpe hatten, den juristischen Weg zu beschreiten.

Die Signalwirkung an andere Textilunternehmen ist nicht zu unterschätzen. Sich fälschlich ein Sozialmäntelchen umzuhängen, kann vor dem Kadi enden – und mit einem immensen Imageverlust. Die Prahlerei wird jetzt deutlich schwerer.

Trotzdem hat Gisela Burkhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung recht, wenn sie jetzt das Rad weiterdreht und die Politik ins Spiel bringt.  Burckhardt fordert die Bundesregierung auf, Unternehmen gesetzlich zu verpflichten, Sozialstandards in der Lieferkette einzuhalten – damit es den Näherinnen auch wirklich besser geht. Meiner Überzeugung nach bedeutete das auch den bitter nötigen Rückenwind für Modefirmen, die jetzt schon fair produzieren.

Lieber wäre mir noch ein deutlicherer Adressat der Kampagne. Wir haben eine Verbraucherministerin, die dringend Format braucht. Soll sie doch den Etikettenschwindel bei Textilfirmen bannen. Man darf nicht vergessen, dass Ilse Aigner die Ägide über die Verbraucherzentralen hat, die jetzt Mut bewiesen haben. Deren Initiative könnte sie deutlich loben.  Soll die Kampagne für Saubere Kleidung ihr jetzt doch Gespräche anbieten. So könnte aus diesem Widerhaken ein echter Enterhaken werden!

Fest steht: Man muss Erfolge auch feiern können – selbst wenn noch weiter gehende Ziele zu erreichen sind. In diesem Sinne: Tassen hoch!

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

4 Kommentare auf "Lidl muss Werbung zurückziehen"

1 | cotton.de

April 22nd, 2010 at 10:57

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Gratulation an die CCC und die Verbraucherzentrale. Lidl hat ja die Möglichkeit wenn es ihnen wirklich um faire Arbeitsbedingungen ginge, was zu bezweifeln ist, sich zertifizieren zu lassen, z.b. von der Fair Wear Foundation.

2 | Mark

April 24th, 2010 at 14:26

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Sorry, wenn das jetzt nach Wortklauberei aussieht. Aber die Fair Wear Foundation zertifiziert keine Firmen. Ein Zertifikat würde garantieren, dass es zu keinen Verstössen gegen die gesetzten Standards kommt. Aber das tut (und kann) die FWF nicht. Das heisst: Es ist gut möglich, dass es z.B. bei Produzenten von „Hess Natur“ oder „Continental Clothing“ zu Verstössen gegen soziale Standards kommt. Aber im Gegensatz zur BSCI macht die FWF u.a. transparent, wie es um jedes Mitglied bzw. seine Produzenten steht, und wie sich die Mitglieder um Verbesserung bemühen. Dies lässt einen Dialog zu. Und das ist gut. Aber es stimmt: Lidl könnte der FWF beitreten, und seine Bemühungen „verifizieren“ lassen.

3 | Kirsten

April 25th, 2010 at 11:27

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@Mark: Auch ein Zertifikat gibt keine 150prozentige Sicherheit, gibt aber den Firmen nicht nur auf ihrer Webseite, sondern auch am Produkt Gelegenheit, ihre Leistungen auszuloben und den Kunden eine einfache Entscheidung zu ermöglichen. An dieser Idee hänge ich nach wie vor.
Mir hat deshalb gefallen, dass die Fair Wear Foundation einen „jugendlichen“ Ableger hat, der Ethical-Fashion-Firmen mit noch niedrigen Umsätzen und „Bonsai-Format“ die Möglichkeit gibt, sich zertifizieren zu lassen – mit Zertifikat/Etikett.
Mich würde interessieren, wie deine Meinung zu „Clean&Unique“ ist. Roosmarie Ruigrok hat auf der „TheKey.to“ und der „Biofach“ ihren Ansatz vorgetragen und ich fand das eine interessante Option, denn die Fear Wear Foundation adressiert doch wohl eher an die großen, „fiesen“ Bösen als an den kleinen grünen&fairen Nachwuchs. Sieh dir das mal an unter: http://www.cleanunique.org

4 | Mark

April 25th, 2010 at 15:52

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@Kirsten: Sicher, auch ein Zertifikat gibt nicht 100% Sicherheit (die Debatte wollte ich eigentlich nicht aufrollen). Im Gegensatz zu Zertifikaten sagen Initiativen wie die FWF oder BSCI explizit, dass sie bei weitem nicht perfekt sind, u.a. weil Sie ein Ziel verfolgen und keinen Endzustand zertifizieren. Dies sollte eigentlich im Voraus vor solchen juristischen Klagen schützen. Deshalb wurdert mich etwas, dass Lidl jetzt gar nicht mehr mit dem BSCI Label werben will.
Aber durchaus spannend: Was tun nun die anderen über 500 BSCI Mitglieder? Man ist doch Mitglied, weil man sich einen Impact erhofft und/oder sich vor Reputationsverlust schützen will. Bisher jedoch fehlt jeder glaubwürdige Nachweis, dass eine Mitgliedschaft die Situation der ArbeiterInnen verbessert. Also bleibt die Reputation. Aber wenn ich werbe, dann kann ich wegen „social washings“ verklagt werden. Wenn ich deshalb aber nicht mehr werben will, warum bin ich dann Mitglied? Ein bisschen Catch 22 …
Ja, C&U ist eigentlich ein Muss für eine kleine Firma, die auf Biomode setzt und in Niedriglohnländern produziert. Viele glauben sicherlich, dass „Grüne“ Mode (von den „guten“ Kleinen) automatisch auch fair ist. Je nachdem, wo man als Nachwuchs produziert, muss man jedoch aufpassen, dass man durch Bio-/Nachhaltigkeitsslogans nicht plötzlich bei der „irreführenden Werbung“ landet (siehe Südwind-Studie 2009).
C&U ist sicherlich mit mehr Arbeit und Kosten verbunden als auf Biobaumwolle zu switchen (u.a. Koordination zwischen den Mitgliedern), und das kann natürlich abschrecken.