26 Mrz, 2010

Geständnisse

http://img.lesmads.de/upload4/580-1600-0-100.gardencollehm.jpg

Gestern kam ich aus Heidelberg zurück und bin mit dem Rollkoffer vom Hamburger Hauptbahnhof direkt zur größten Filiale von H&M gelaufen, um mir die neue Garten-Kollektion live und in Farbe anzusehen. Ich traf auf Mädchen, die völlig verzweifelt nach der weißen Biobaumwoll-Tunika in XS oder dem blauen Tencel-Minirock suchten. „Ausverkauft“, sagten die Verkäuferinnen unisono. Online? „Schon seit Tagen weg“. Ehrlich gesagt war ich beeindruckt von der Welle, die H&M entfacht hat. Ganz ohne Star-Designer, nur mit dem Hinweis, dass diese komplette Kollektion aus umweltfreundlichen Materialien ist UND topmodisch.

Unter dem Vorwand, sie sei für meinen Sohn, habe ich eine helle Boyfriend-Jeans gekauft, die das undankbare Kind nicht wollte, weil sie mit Silberspray verschönert ist und glitzert. Meine Tochter teilte mir aus Frankreich vom Schüleraustausch mit, ich möge bitte ein Blumen-Top organisieren – schließlich hätte ich schon diese Bluse aus Tencel im Schrank. Wie macht H&M das? Mit einer Kollektion, deren Rohstoffe clean ist, weiß Gott aber nicht aus fairem Handel stammen (wie die RTL-Nachrichten behaupteten) und mit einer Fülle von Skandalen am Hals?

Ehrlich gesagt hatte ich mir schon Sorgen um den Textildiscounter gemacht. Nachdem H&M bei Schnipp-Schnapp-Politik erwischt worden war und in New York einwandfreie, nicht verkaufte Ware, einfach zerschnitten und in die Mülltonne geworfen hatte. Nachdem H&M nach dem vermeintlichen Skandal um die indische Biobaumwolle um den Ruf fürchten musste. Nachdem jüngst in einer Fabrik in Bangladesch, in der H&M Strickwaren produzierte, viele Näherinnen bei einem Feuer umgekommen waren. Nachdem Nachdem Nachdem…..

„Wir werden besser“, verspricht der Pressesprecher von H&M. Ab 2010 wird die gesamte Baumwolle von H&M aus „nachhaltigem“ Anbau stammen. Was das genau heißt? Erlaubt sind unter dem N-Titel drei verschiedene Arten von Baumwolle: Biobaumwolle, Recycling-Baumwolle und Baumwolle von der „Better Cotton Initiative“, die weder bio noch fair ist und vergleichbar mit „Cotton Made in Africa“ (Otto, Tchibo, Puma). Allerdings verspricht H&M die Baumwolle der „Better Cotton Initiative“ nicht lautstark zu bewerben – und schon gar nicht der Biobaumwolle als ebenbürtig zu verkaufen (etwa durch ein grünes Etikett). Und es bleibt dabei, dass die Mengen von Biobaumwolle, die H&M verarbeitet, sich jedes Jahr um 50 Prozent steigern sollen.

In Sachen Fairness wird H&M eher in Trippelschritten vorankommen. Fairtrade-Baumwolle ist nicht geplant, allerdings guckt H&M deutlicher auf die Löhne, die gezahlt werden. Zumindest in Bangladesch. Unlängst haben elf multinationale Unternehmen – darunter H&M – einen Brief an den Premierminister von Bangladesch geschrieben und gefordert, die Mindestlöhne anzuheben. Inzwischen wurde eine Erhöhung der Mindestlöhne angekündigt – Handelskonzerne haben also politischen Einfluss.

Außerdem unterstützt H&M die Kampagne für den „Asiatischen Grundlohn“ der Kampagne für saubere Kleidung, die einen existenzsichernden Lohn für ganz Asien einführen will, damit die Länder nicht gegeneinander ausgespielt werden können.

Im Prinzip sehe ich deshalb Bewegung in diesem Textilkonzern und würde von der Garten-Kollektion nicht abraten. Noch lieber wäre mir allerdings, H&M würde seine klassische und zeitlose Edel-Linie COS komplett auf grün trimmen – dort passen Öko-Anspruch und Design besser zusammen und die Kunden zahlen auch bereitwillig etwas mehr.

Obwohl ich eigentlich als nächstes eine Hanf-Jeans kaufen wollte, werde ich jetzt erstmal die H&M-Boyfriend-Jeans meines Sohnes übernehmen – vielleicht wäscht sich der Silberglanz ja ganz schnell raus…..

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: Label

6 Kommentare auf "Geständnisse"

1 | Fr.Jona&son

März 26th, 2010 at 20:37

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H&M könnten sich viel leisten- viel grünes Engagement. Aber es ist wohl nicht ihre Philosphie. Lieber Billigmode produzieren und ein wenig Garden Collection- das ist doch Greenwashing pur.

Und mit COS haben sie im Nu eine ganze Branche ruiniert: Die der jungen Designerlabels, die sich auf schlichte, geradlienige Formen spezialisiert haben. Die aber jetzt im Vergleich einfach zu teuer sind -obwohl sie mehr bieten.

Und daß ihnen keine Skandale und Mißstände was anhaben können, liegt wohl an der Bequemlichkeit der KonsumentInnen, die sich nicht das Hirn zermartern wollen, wie ihre Kleidung produziert wird.
Die sich dann ja, wären sie konsequent, einen neuen, grünen, Anbieter suchen müssten. Wo doch H&M ja sooo billig ist- und man sich dort ja soviel kaufen kann….

Sorry, mein H&M- Boycott wird wohl noch einige Jahre dauern…

2 | Bernd

März 27th, 2010 at 12:05

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Also, warum soll ich mein Geld zu H&M bringen?
Ich kaufe lieber schöne ökofaire Mode bei gruene wiese, fairticken, zündstoff, fairtragen, tribut, wertvoll, organicc, suburbia, marlowe nature, conSequenzen, glore, hessnatur, ….
Leider mussten ja einige andere Läden wieder schließen. Ich meine, deshalb sollten wir diejenigen, die sich wie David gegen solche Goliaths wie H&M stellen, unterstützen.

3 | Anja Wakeham

März 27th, 2010 at 16:38

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Das Grundproblem liegt ganz woanders. Die Präsentation, das Marketing,der Transport und die Mieten für die Verkaufsfläche sind so teuer, dass das eigentliche Produkt und die Arbeit, die darinsteckt nichts kosten darf.
Das heisst der Kunde zahlt mehr für die schicke Ladeneinrichtung als für das Produkt und die einzigen, die wirklich gut verdienen sind die Immobilienbesitzer. Solange die eigentliche Arbeit nichts wert ist, sollte man auch nicht den Begriff Fairtrade benutzen, denn das bedeutet letztendlich nur, dass keiner mehr an der Arbeit stirbt, aber nicht dass die Menschen von den paar Euros, die ein Kleidungsstück in der Herstellung kosten darf auch wirklich einigermassen leben können.

4 | Fr.Jona&son

März 27th, 2010 at 16:55

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@bernd. sehe ich auch so. es gibt so viele schöne alternativen.

5 | Gerlinde

April 23rd, 2010 at 13:55

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recherchiere gerade für meine heutige moderation beim slow fashion award in wien — was für ein toller informativer blog! warum hab ich den bis jetzt nicht gekannt?!? wahnsinn.

6 | Kirsten

April 25th, 2010 at 11:32

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@Gerlinde: Danke!!!! Viele Grüße an die Modestadt Wien und ans ORF! Habe schon Feedback von einigen Hamburgern, die Wien und den Slow Fashion Award absolut „arty&fashion“ finden!