01 Mrz, 2015
Bunt und beweglich wie ein Kaleidoskop
Als alle da sind am Abend des Experten-Talks zur Zukunft der Mode bei Greenpeace, ergibt das im Atrium des Gebäudes ein sehr hübsches Bild. Auf rauen Paletten sitzen coole Instagram-Mädchen neben Mode-Professoren, hockt der Cradle-to-Cradle-Gründer neben einem Kindermode-Macher, zeigen sich abgefahrene Looks neben Allwetter-Kluft: Greenpeace meets Glamour. In der ersten Reihen schreiben Mädchen erste Bemerkungen in ihre Notizbücher, hinten schießen Fotografen erste Bilder. Es fühlte sich großartig an und sehr gegenwärtig, obwohl wir doch über die Kleiderschränke von morgen reden wollten. Moderiert von Yvonne Weiß, Chefreporterin des „Hamburger Abendblatts“ unterhalten sich hier die Berliner Mode-Professorin Friederike von Wedel-Parlow, Thekla Wilkening von der Hamburg Mode-Bibliothek „Kleiderei“ und ich als Detox-Campaignerin über unsere Überzeugungen und Haltungen zur Mode. Parallel zu den Modeschauen in London, Mailand und Paris, wo gerade die originellsten Outfits bejubelt werden, beglücken wir hier die Besucher mit ein paar originellen Ideen und zelebrieren auch ein paar Gegensätze.
Wir reden über Ökomode-Labels als „revolutionäre Zellen“ und Vorhut des größeren Wandels, den wir gerade in der Mode-Industrie sehen, welche Rolle das Leihen spielen kann als Alternative zum Neukaufen und wie wichtig eigentlich der stete Wandel ist. Aus dem Publikum kommen kluge Fragen und wunderbare Anregungen, wir sollten doch nicht mehr „Kunden“ sagen, sondern „Wertschätzer“, denn um diese Wieder-Entdeckung ginge es doch schließlich a la long. Absolut! Und weil ins Atrium des Greenpeace-Gebäudes in der Hafen-City nur 100 Leute passen und wir deshalb einen Live-Stream ins Internet organisiert hatten, könnt ihr alles nochmal hier angucken. Es kam mir an diesem Abend so vor, als würde ich in ein Kaleidoskop gucken, so bunt und beweglich war die Veranstaltung.
Und gab es Dissens? Vielleicht an diesem Punkt. Obwohl mich Mode über die Jahre ständig mehr fasziniert und ich den Wunsch nach Veränderung verstehe, halte ich den Rahmen, in dem diese angebliche Veränderung stattfindet, für eng. Sicher habe ich das etwas angespitzt formuliert und süffisant erklärt, letztendlich ginge es doch jeden Morgen um die Auswahl einer Hose und eines Oberteils und nicht mehr, dadurch werde man eben nicht an einem Tag zum Gruftie und am anderen Tag zum Punk. Trotz Mode seien wir alle mehr oder weniger uniformiert. Zur steilen These inspiriert hat mich die Arbeit eines Fotografen, der 20 Jahre Leute fotografiert hat – die alle ziemlich gleich angezogen sind. Seht selbst.
Aber es mag so angekommen sein, dass ich Leute, die sich gerne über Mode ausdrücken, für oberflächlich halte. Jedenfalls lese ich das so aus Theklas Blogeintrag über die Veranstaltung und das tut mir leid. Denn letztendlich haben Thekla und Pola mit dem Ausleihen von Alltagskleidung etwas gestartet, was Umweltschutz und Leidenschaft für Mode vereint und dem hemmungslosen Konsum etwas entgegen setzt. Diese Idee des „never ending“ – des unerschöpflichen – Kleiderschrankes ist inzwischen in viele andere Städte geschwappt. Ich war so hin und weg, dass ich am nächsten Tag mein erstes Kleiderpaket geordert habe – vier Teile pro Monat für 30 Euro (inkl. Reinigung und Retour-Schicken). Minimum ist ein Drei-Monatsabo – danach lässt sich jederzeit kündigen. Rein ökonomisch argumentiert ist das für jede Fashionista etwas, der sonst in drei Monaten 90 Euro für NEUE Klamotten ausgeben würde – nicht abwegig, oder? Jedenfalls sind es ein knallbunter Kimono (Eco), eine blaue Wickelbluse, ein weißes Shirt mit Eidechsen-Print (Eco/Fair) und ein Häkel-Pulli angekommen und vervollständigen meine Garderobe. Ich habe übrigens die Girls auswählen lassen, weil sie so sichtbar Stil haben. Ich hätte aber auch selber meine Wahl auf der Kleiderei-Webseite treffen können – nächstes Mal nehme ich „Wertschätzerin“ einen dieser kurzen Jumpsuits!
Friederike von Wedel wiederum – ebenfalls auf dem Podium – bildet den Nachwuchs von morgen in anderer Hinsicht aus – sie entwickelte an der ESMOD in Berlin das Master-Programmes „Sustainability in Fashion“und unterrichtet dort auch. Vor kurzem lud sie zu einem Experten-Workshop zu kreislauffähiger Mode. Eines der großen Zukunftsthemen, die immer so ein bisschen wie eine Prophezeiung aus dem Märchenland klingen. International wird „zero waste fashion“ aber immer breiter diskutiert und die Ideen werden vielfältiger und ausgereifter – das zeigte auch dieser Workshop überzeugend. Die Projekte der Studierenden, die wir dort diskutierten, werden hoffentlich Realität – das Potential haben sie. Und wie es sich gehört für „fashion in cycle“ saßen wir im Kreis wie die Ritter der Tafelrunde.
Gefreut hat mich, eine der großen Persönlichkeiten der ersten Stunde persönlich kennen zu lernen: Britta Steilmann, die Anfang der Neunziger mit Mitte zwanzig ihre erste Öko-Kollektion auf den Markt brachte und – sie sagte das selber – grandios scheiterte. Sie war womöglich einfach zu früh – ihr Mut, etwas mit voller Kraft voran zu treiben und auszuprobieren, inspirieren den Mode-Nachwuchs aber bis heute.
Apropos Pioniere: Christoph Dahn aus Freiburg hat den Podcast Greenblut FM gestartet, der hörenswert ist und begann mit Katharine Hamnett und Safia Minney (People Tree). Erscheint alle zwei Wochen am Freitag. Demnächst stehe ich dort zur Detox-Kampagne Rede und Antwort.
Euch allen eine schöne Woche.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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