14 Dez, 2009

Zu holzschnittartig

https://www.suedwind-institut.de/images/U1_2009-01_som_titelseite_1.jpg

Die gute Nachricht zuerst: In Sachen bio ist die kleine, grüne Modeszene weit vorne. Nur in Sachen Ethik hängen sie noch hinterher. Zu diesem Fazit kommt eine neue Studie des kirchennahen Südwind-Instituts aus Siegburg. Erstmals haben die Siegburger nicht die Goliaths der Textilindustrie unter die Lupe genommen, sondern diskutieren die Fortschritte der boomenden kleinen Konkurrenz. Von 204 angeschriebenen Labels antworteten nur 23, so dass ein verzerrtes Bild der Szene entsteht. Das Gros der Anbieter kommt also nicht vor.

Bedenklicher ist jeoch, dass die steile Pressemeldung des Südwind-Instituts zu einem absurden Fazit führt, was die Studie nicht deckt und der Autor auch nicht beabsichtigt hat. In Sachen Ökologie und Ethik fallen die kleinen Anbieter weit hinter „internationale Standards“ zurück, heißt es dort. Da die Ampel aber etwa beim Einsatz von Biobaumwolle bei nahezu allen bewerteten Unternehmen auf Grün steht, frage ich mich, wie so ein Widerspruch kommen kann.

Kritischer sieht tatsächlich die Ethikbilanz der Firmen aus. Hier steht die Ampel eigentlich durchweg auf Gelb, gelegentlich auf Rot. Und das etwa bei Hess Natur, die sogar Mitglied der von Südwind favorisierten strengen Fair Wear Foundation (FWF) sind. Dominic Kloos, der Autor der Studie, möchte auch gelbe und rote Ampeln aber ausdrücklich als Ansporn sehen. Nur über den Weg sind wir uns vermutlich nicht einig.

Persönlich finde ich, dass mehr Wege nach Rom führen als einzig ein Aufnahmeformular der FWF, hier ist mir Südwind zu dogmatisch und verkennt obendrein, welche zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten die Davids der Szene haben, um zu einem – bzw. mehrereren Prüf-Zertifikaten zu kommen.

Umgekehrt unterschätzt die Studie – und hier wäre ein dickes Lob fällig – welche freiwilligen Bemühungen diese Firmen unternommen haben, um sauber und sozialverträglich zu produzieren – und zwar ohne gesetzlichen Zwang. Wo ist Fairliebt auf der Liste, wo Zündstoff aus Freiburg? Wo die Größeren wie Alnatura, denen niemand unterstellt, sie würden sich in Sachen Ethik nicht zur Decke strecken?

Gut ist aber, dass nun eine Debatte darüber geführt werden muss, wie wir zu einer glaubwürdigen und erschwinglichen Möglichkeit kommen, solche fortschrittlichen Unternehmen auszuzeichnen? Ich bin gespannt, was den Siegelgebern dazu einfällt. Ich hoffe auch, dass Südwind darauf eine Antwort anbietet, die weniger holzschnittartig ist als bisher.

Und natürlich kann auch diese Branche besser werden – lassen wir nur einfach bio nicht gegen fair ausspielen und Gräben schaffen, die ich eigentlich schon zugeschüttet glaubte. Ich finde dieses Schwarz-Weiß-Denken übrigens typisch deutsch.

Fraglich ist für mich, wie sensibel die Medien und die Kunden mit den Studien-Ergebnissen umgehen. Schieben nun alle wieder Ethik-Frust und haben das Gefühl, sie werden über den Tisch gezogen? Ich warte jedenfalls mit meiner Konsumentscheidung zugunsten der grüne Mode nicht, bis alles 150prozentig ist. Muss alles sofort rundum perfekt sein? Die Taz sieht das offenbar ähnlich und müht sich kein Öl ins Feuer zu gießen.

Wichtig ist eben, nicht alles in einen Topf zu werfen und genau zu prüfen, welche Hürde welcher Modemacher schon genommen hat. Wünschenswert wäre deshalb, dass Südwind dran bleibt und nächstes Jahr erneut prüft und dann Fortschritte sichtbar macht. Sonst bleibt es zu sehr aus der Hüfte geschossen.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

1 Kommentar auf "Zu holzschnittartig"

1 | Bekleidungssyndikat

Dezember 14th, 2009 at 15:39

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Einige Kommentare von „Betroffenen“ der Studie finden sich bereits auf dem Multiblog http://www.korrekte-klamotten.de.

Kurzes Fazit: hier werden „Rosinen mit Kürbissen“ verglichen.

Eine fehlende Nachhaltigkeitsstudie mag ein Minuspunkt bei einem Volumen jenseits der 1 Millionen Euro Umsatz im Jahr sein – bei Kleinen, mit weniger als 50.000 Euro Umsatz ist das schlicht zu teuer.

Hier ist Südwind leider über das Ziel hinausgeschossen.

2 | Kirsten

Dezember 14th, 2009 at 17:14

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@To all of us: Habe mir schon gedacht, dass Hess Natur sich zu Wort meldet und falsche Fakten richtigstellt. http://de.hessnatur.com/blog/

3 | Dominic Kloos

Dezember 21st, 2009 at 19:09

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Diskussion angeregt

Die Reaktion in dem Beitrag von Kirsten Brodde zeigt, dass eine Debatte über und mit „alternativen“ Modeanbietern zwar sensibel ist, nichtsdestotrotz geführt werden muss.

Dabei ist zunächst festzustellen, dass in der SÜDWIND-Studie kein Anspruch auf Repräsentativität gestellt wird, sondern die 23 Unternehmen einzeln und vergleichend vorgestellt werden, die dankenswerterweise an der Umfrage teilgenommen haben. Warum es nur so wenige waren und einige in dem Beitrag von Kirsten Brodde genannte dies nicht getan haben, muss von den angefragten Unternehmen beantwortet werden.

Korrekt wiedergegeben ist der Aspekt, dass die Studie kein Bashing, sondern ein Ansporn für die kleinen Unternehmen sein soll. Gelbe Ampeln sind nicht per se negativ zu bewerten, sondern können auch als Schritt in die richtige Richtung gedeutet werden. Im Schlusskapitel ist klar formuliert, dass das Aufkommen „alternativer“ Anbieter und deren Bemühungen einen positiven Trend darstellen. Die Studie ist als eine kritische Begleitung zu begreifen, die deutlich die Mängel benennt und Vorschläge zu deren Behebung macht.

Deswegen ist es auch kein Widerspruch, wenn von sieben ein Kriterium (Biobaumwolle) fast durchgängig eingehalten wird und in der Gesamtbewertung beschrieben wird, dass Anbieter, die an sich den Anspruch haben alle internationalen Standards einzuhalten, dies nicht umsetzen.

Dass der Vorschlag einer Mitgliedschaft in einer Multistakeholder-Initiative wie der Fair Wear Foundation kritisch beurteilt wird, sieht SÜDWIND sehr ähnlich (s. Schlusskapitel). Darin wird erläutert, dass diese Initiativen keine Garantie für „saubere“ Arbeitsbedingungen sind, nichtsdestotrotz zurzeit den einzigen – Kooperativen ausgeklammert – ansatzweise unabhängigen und damit glaubwürdigen Nachweis der Einhaltung von Arbeitsrechten liefern.

Dieser Aspekt sowie andere Kriterien sind in der Studie vorgestellt worden, um erstens Öko- und Sozialstandards zusammenzuführen und nicht immer getrennt zu beurteilen. Zudem um sie 2. bekannter zu machen, aber auch um sie zu diskutieren, sie ggf. zu verfeinern oder aus der Kritik heraus Ideen für andere Nachweise zu entwickeln. Wobei ich hier ausdrücklich nicht auf Zertifikate verweise. Ob diese nämlich „nach Rom führen“, ist aufgrund der eher schlechten Erfahrungen mit Sozialaudits sehr fraglich.

Aus Sicht von VerbaucherInnen, die nachhaltig konsumieren wollen und sich ein bestimmtes Preissegment leisten können, stimmt SÜDWIND mit Kirsten Brodde überein: Es ist allemal besser, bei Unternehmen einzukaufen, die ohne Greenwashing zu betreiben wichtige Schritte in die richtige Richtung unternehmen, auch wenn noch nicht alles 100%ig stimmt bzw. noch relativ weit davon entfernt ist.

SÜDWIND und auch die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) haben jedoch insbesondere auch eine globale Sicht auf die Textil- und Bekleidungsindustrie sowie den Welthandel. Unser Ziel ist es, dass die ArbeiterInnen in den Produktionsländern gerechte Arbeitsbedingungen vorfinden. Dabei haben die Erfahrungen der CCC in den letzten zwei Jahrzehnten zu der Zusammenstellung der Kriterien im Bereich Sozialstandards geführt. Dass es gerade hier noch Mängel bei nicht wenigen Unternehmen gibt, ist ein Fakt und sollte verbessert werden.

Denn nicht nur VerbraucherInnen hier sollten ein gutes Gewissen beim Einkauf haben. Neben der Umwelt sollten die Menschen in der gesamten Produktionskette laut eigenem Unternehmensanspruch von deren Marktpräsenz und Handeln profitieren. Und dies kann bisher nur durch die Einhaltung der in der Studie genannten Kriterien gewährleistet werden.

Die CCC und einzelne ihrer Mitträgerorganisationen wie SÜDWIND werden sich weiterhin an der durch die Studie angestoßenen Diskussion beteiligen und sie vertiefen. So wird die CCC z.B. bei der Modemesse thekey.to vertreten sein.

4 | Kirsten

Dezember 22nd, 2009 at 17:26

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@Dominic: Vielen Dank für deine klärenden Worte. Meine große Sorge ist zur Zeit, dass Ökologie und Ethik gegeneinander ausgespielt werden und bis alle Unternehmen selbstverständlich doppelt gut sind, wird es noch dauern. So lange hätschele ich diejenigen, die mit gutem Beispiel vorangehen und den Wandel beschleunigen.
Deswegen liegt mir sehr daran, sich auszutauschen und zu überlegen, wie wir uns gemeinsam positionieren. Dafür ist die Modemesse TheKey.to in Berlin sicher ein guter Platz und ich freue mich, dass die Kampagne für Saubere Kleidung dabei ist und auch der Ableger Clean&Unique, von dem ich hoffe, dass hier ein Angebot für die Davids der Szene gemacht, sprich die kleinen Firmen.
Ich habe oft aus Konsumentensicht argumentiert, dass wir kein Siegelwirrwarr brauchen, sondern ein Zeichen, das signalisiert – ab hier fängt sauber und sozialverträglich an – und darauf ist Verlass. Wer dann noch mehr möchte, wird sicher auch in Zukunft dafür Angebote und weitere Zeichen finden. Im Lebensmittelbereich gibt es neben dem EU-Bio-Standard ja auch noch Premium-Ware von Demeter oder Bioland, die mehr leistet. So wird es auch in der Mode sein.

Vermutlich sind klare Standards und ein Zeichen für Unternehmen aber noch bedeutsamer als für Kunden.

Sie brauchen klare Ansagen, an denen sie sich orientieren können, wenn sie einsteigen wollen in den boomenden Markt der grünen Mode. Es ist ja eigentlich keine Frage mehr, OB überhaupt einsteigen, sondern eben WIE. Hier ist Hilfe gefragt.

Fasziniert hat mich der Schlussgedanke. Wann habe ich denn ein gutes Gewissen beim Einkaufen? Eben erst dann, wenn ich das sichere Gefühl habe, dass diejenigen, die diese Mode gemacht haben, fair behandelt worden sind. Es ist Gerechtigkeitsgefühl und Mitgefühl Schwächeren gegenüber, dass mich treibt, anders einzukaufen. Ich kaufe deswegen nicht mehr wie oft von Konsumkritikern unterstellt, aber wenn, dann eben öko und fair. Und ja, ich bin bereit, über den Preis einen Hauch Wohlstand zu exportieren.
Und natürlich rücke ich weiterhin Konzernen auf den Pelz, die mir kein entsprechendes Angebot an ökologisch und fair produzierter Mode machen. Hier wünsche ich mir ein wenig mehr Mut von uns allen, den Hintern hochzubekommen und sich zu engagieren. Auch über Aktionen und Aktionsformen würde ich auf der TheKey.to gerne reden.
Ich hoffe, wir sehen uns dort.