05 Okt, 2014
Was ich über Jeans gelernt habe
Wenn irgendein Kleidungsstück ein Öko-Tuning verdient hat, dann Jeans. Einfach, weil Jeans ein Massenprodukt sind und jährlich zwei Milliarden Stück davon gefertigt werden. Allein die Deutschen kaufen jährlich über 100 Millionen Paar jeas, die im Schnitt 30 Euro kosten, obwohl auch Preise jenseits von 200 Euro werden bezahlt, wenn der Hintern in der Jeans knackig sitzt. Heute gelten die Bluejeans aber erst als tragbar, wenn sie mühselig entstellt sind und so aussehen, als seien sie schon jahrelang getragen. Jeans müssen eine wilde Geschichte erzählen – und echtes Leben vortäuschen. Ohne künstlichen Vintage-Effekt sind sie eigentlich unverkäuflich. Den Used- oder Destroyed-Look machen viel Wasser und Chemie möglich und sorgen für eine schlechte Ökobilanz. Rund 7.000 Liter werden benötigt für eine herkömmliche Jeans. Das ist zurückhaltend geschätzt, denn bereits der Anbau der Baumwolle schluckt immens viel Wasser. Von den Färbebädern in der Fertigung ganz zu schweigen.
Grund genug sich anzusehen, was hinter der neuen „Conscious Denim“-Kollektion von H&M steckt, die unter dem Motto „Go green – wear blue“ seit einigen Tagen weltweit in den Läden hängt. Dachte ich jedenfalls, als ich erwartungsvoll in der Haupteinkaufsstraße von Athen den H&M-Flagshipstore betrat. Pustekuchen. Die Conscious-Kunden vermutet H&M wohl eher woanders. In Hamburg bin ich dagegen sofort fündig geworden, obwohl die kleinen Größen schon nahezu alle ausverkauft waren. Der Andrang war unglaublich groß, kaum einer war in der Umkleidekabine ohne einen Jeans-Overall, eine Reiterhosen-Jeans oder ein gesteppte Jeans-Bomberjacke aus der Kollektion. In der Herrenabteilung sah es ähnlich aus, bei Preisen um 39 Euro für Jeans oder Jacke oder Rock kein Wunder.
Alle Teile kommen in satten tiefblauen Indigo-Tönen daher, sind aus Biobaumwolle, recycelter Baumwolle (aus der H&M-Sammelaktion/bis 20Prozent-Recyclinganteil) oder Tencel. Der Jeans-Jumpsuit aus dem seidig fallenden Tencel wirkt deshalb so wenig jeansig, dass ich ihn sofort wieder weg gehängt habe, bei den Jeans hing mir der Schritt viel zu tief zwischen den Knien und der Mantel ohne Knöpfe, nur mit Gürtel changiert so ein bisschen zwischen Darth-Vader-Look und Bademantel (siehe Bild oben).
Aber bevor ich mich wieder weiter so anhöre wie das gestrenge Fräulein Rottenmeier aus „Heidi“ – das Jeanshemd, die lange Strickjacke und der gesteppte Blouson sind top, ebenso wie die Herren-Jacke im Worker-Style. Schließlich waren Jeans mal robuste Arbeiterkleidung, bevor ihnen dann die Langlebigkeit und die Funktionalität abhanden kam und sie zum Fast-Fashion-Item wurden.
Aber was ist nun öko an der Kollektion außer den Rohstoffen? H&M hat mit den Waschungen experimentiert und bei der Wahl des Partners gutes Gespür bewiesen, denn sie kooperieren mit dem spanischen Denim-Spezialisten Jeanologia – Vorreiter der Entwicklung von natürlicheren Wasch- und Finishing-Techniken wie Ozonbleiche oder Lasertechnologie. H&M gibt an, 56 Prozent weniger Wasser und 58 Prozent weniger Energie als bei anderen Jeans gebraucht zu haben. Jeanologia selber spricht bei einer Ladung von 100 Kilogramm in einer Ozonmaschine (sieht aus wie eine riesige Waschmaschine) von bis zu 62 Prozent weniger Energie, 67 Prozent weniger Wasser und 85 Prozent weniger Chemikalien. Das ist wichtig, denn gebleicht wird sonst mit ätzendem Chemikalien wie Chlor und zusätzlich hochgiftiges Kaliumpermanganat aufgesprüht. Einige von euch haben vielleicht kürzlich bei der Talkshow „Hart, aber fair“ zugeschaut. Der Einspieler mit den Bildern aus den Jeansfabriken in China hat mich wirklich erschreckt (ansonsten reißen diese Einspieler jede gerade gestartete Diskussion aus einander!). Für die Conscious-Kollektion hat H&M Ozonbleiche ausprobiert, Lasertechnik nicht. Dennoch sind die Jeans ein Fortschritt in puncto Ökologie, denn die Waschungen sind kritischer Punkt auch bei anderen Ökojeans.
Wer eine Jeans-Kollektion sehen will, die gewünschte Optiken mit Laser herstellt, kann jetzt zu Hess Natur gehen. Marina Chahboune, CSR-Managerin und Jeans-Spezialistin der Butzbacher Ökofirma hat ihre erste Kollektion im Laden hängen, in der Muster mit Laser ins Beinkleid gebrannt wurden. Die Jeans für über 100 Euro habe ich gekauft, weil parallel auf faire Arbeitsbedingungen geachtet wurden. Denn eine Ökojeans, die ein Maximum an Ökologie bietet, aber nur ein Minimum an Ethik, ist eigentlich Etikettenschwindel. Die Jeans habe ich auch bei „Hart, aber fair“ getragen – aber mich dann doch nicht getraut auf dem Tisch zu tanzen, damit man sie sieht……
Marina wird es mir verzeihen. Marina, die selbst bloggt – auch bei uns auf Grüne Mode, hat mich zudem heldinnenhaft bei einem Artikel beraten, der im aktuellen Männer-Magazin „Manual“ von Gruner&Jahr erschienen ist und die dunklen Seiten des Denim beschreibt. Schwerpunkt des Heftes ist Jeans-Produktion.
Außer am Kiosk gibt es das Magazin gratis in der Herren-Abteilung von H&M (an der Kasse), denn H&M hat zum Start ihrer Conscious-Kollektion einen Teil der Auflage gekauft. Guckt doch mal rein und schreibt, was ihr vom Jeans-Schwerpunkt haltet.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis in eigener Sache: Wir arbeiten an einer internationalen Laden-Liste. Deutschland, Österreich und Schweiz haben wir komplett, nun weiten wir unsere Recherche aus. Wer Tipps hat, was wir aufnehmen sollten, kann sich gerne bei uns melden.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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