12 Nov, 2009
Union der Großen
Das Lesen von Büchern sorgt bei mir eigentlich immer für gute Laune. Auch wenn sie nicht gerade Strandlektüre sind wie das 300-Seiten-starke Porträt der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) von Liesbeth Sluiter. Solltet ihr mal einen Tag kein Wasser und keinen Strom haben wie ich heute, lässt es sich aber butterweich weglesen. Ein Höhepunkt war der Epilog mit Ineke Zeldenrust, die bereits als eine von 50 Frauen beim ersten Protest der CCC am 29. September 1988 vor C&A in Amsterdam dabei war. Das ist 21 Jahre her und mir nötigt ihr langer Atem unglaublichen Respekt ab. Ich meine, bei den Bösen sein, ist leichter. Da ist es warm und trocken und man wird gut bezahlt….
Das bringt mich zu den schlecht bezahltesten Jobs der Welt. Laut Ineke Zeldenrust gibt es die in den Textilfabriken in Bangladesch, wo alle Textilriesen produzieren lassen. Wie oft höre ich, dass EINE Arbeit besser ist als KEINE Arbeit. Arbeit um jeden Preis? 2006 brannten Arbeiter in Bangladesch 200 ihrer eigenen Fabriken nieder – gab es jemals eine deutlichere Botschaft zu diesem Thema?
Einen Drall in die richtige Richtung lese ich aus DER Wirtschaftsmeldung des Tages: die Kooperation von Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus und Versandhändler Michael Otto, die gemeinsam eine Vorzeigefabrik in Bangladesch bauen, um die Not im bettelarmen Staat zu bekämpfen. Die Union der Großen fand ein gewaltiges Medienecho.
Es mutet geradezu frivol an, in einer solchen klammen Zeit an andere zu denken, auf Rendite zu verzichten und nur einen sozialen Gewinn einfahren zu wollen, aber Michael Otto, Kaufmann alten Schlages, traue ich diese Menschenfreundlichkeit ohne Zweifel zu. Kritik hagelte es trotzdem. So beharrte das kirchennahe Südwind-Institut (deutscher Träger der CCC) darauf, dass eine Mücke noch keinen Sommer macht. Entscheidender sei, dass es strikte gesetzliche Regelungen für ALLE Textilfirmen geben muss, Maxi-Leistungen bei der Einhaltung von Arbeitsrechten zu bringen. Mini-Leistungen sind an der Tagesordnung.
Nur: ein fortschrittliches Projekt dieser Art hat eben Strahlkraft und deshalb blicke ich großzügiger als die CCC auf diese beiden Männer und ihr Duett. Und das, obwohl die Textilien, die dort gefertigt werden, nichts leisten in Sachen Ökologie. Und eine Solaranlage auf dem Dach der neuen Fabrik ändert daran gar nichts.
Trotzdem kann ich keinen Sinn sehen in einer Barrikadehaltung. Aber ehrlich gesagt war ich gerade weichgekocht durch die Lektüre des Buches von Liesbeth Sluiter, was die Situation in den Nähbetrieben dieser Welt plastisch werden lässt. Und so ist Bangladesch ein Signal, dass es möglich ist, Verantwortung zu übernehmen.
Am Ende, so sagt Ineke Zeldenrust, werden wir alle nur noch coole Jeans und warme Socken tragen, die unter guten Bedingungen hergestellt sind. So hört sich unverbesserliches Weltverbessertum an. Das macht mir gute Laune. Und jetzt gucke ich mal, ob wieder Wasser aus dem Hahn kommt!!!
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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