23 Aug, 2014
Discovering Innatex 35
Über 240 Aussteller aus 16 Ländern präsentierten sich auf der Innatex 35. Was Modemessen angeht, bin ich ja ein absoluter Neuling und war deswegen besonders gespannt auf Europas (wenn nicht sogar, wie teilweise vermutet, die weltweit) größte internationale Fachmesse für nachhaltige Textilien. Die dem Besuch vorausgegangen Befürchtungen etwas orientierungslos durch die beiden Hallen zu laufen waren schnell verflogen, da mir der Presseausweis doch recht umfangreiche Betreuung von Organisator_innen und Aussteller_innen zugleich sicherstellte.
So war man in der Presselounge sehr offen für meine Fragen, auch wenn diese wohl recht ungewöhnlich waren: „Sind die Models bei euren Shows zertifiziert oder gewerkschaftlich organisiert?“ oder „Gibt es Labels, die sich dezidiert politisch oder aktivistisch engagieren, zum Beispiel im Gender-Bereich? – beides Fragen, die mir nicht spontan beantwortet werden konnten. Erstere führte darüber hinaus dazu, dass alle, die in die Presse-Lounge kamen gefragt wurden, ob es Bio-Models gebe und ich sofort den Ruf weg hatte komische und/oder schwere Fragen zu stellen. Aufgeworfen hat diese Fragen bei mir meine jüngste Lektüre, die ich hier bald vorstellen werde.
Nach einer kurzen Vorstellung der diesjährigen ‚Design Discoveries‘ war ich dann auch bereit mich gut informiert in die Ausstellungshallen zu begeben. Zunächst interessierte mich Halle 2 mit überwiegend neuen, jungen Labels, wie Knowledge Cotton, Armedangels, Recolution usw. Das im Voraus so angepriesene neue Ausstellungkonzept hat mich jetzt nicht umgehauen, wobei ich auch nicht wirkliche Vergleichspunkte habe, dennoch hat man einen super Eindruck von den Kollektionen bekommen und trotz anzusehender Müdigkeit nach drei Messetagen, waren alle aufgeschlossen und ebenso offen für meine Fragen. Da ich die etablierteren Labels fast alle bereits kannte, interessierten mich besonders die Design Discoveries. Drei von den sechs gekührten Labels fand ich besonders spannend: Modische ‚Politische Prints‘ von Anagram, ‚High Fashion Re- und Upcycling‘ von Luxaa und die ‚Do it yourself-Schuhe’ von Comake.
Als neues Hamburger Label schafft Anagram es politische Messages modisch und einfallsreich zu verpacken. Neben Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit stehen für kommenden Sommer Aufdrucke zur Auswahl die sich zum Beispiel gegen Jagd einsetzen oder das androgyne Model Andrej Pejic zeigen. Eigentlich gar kein großer Fan von Printshirts fand ich die Motive und die dazugehörigen Sprüche sehr einfallsreich. Mal schauen was man sonst noch so hört in den nächsten Jahren. Modisch wirkt die Kollektion eher basic, macht aber einen runden Eindruck, die Prints sind, wie gesagt, top und ein Hingucker!
Sofort zur Lieblingsmarke geworden schafft es Luxaa re- und upcycling auf einem hohen Niveau zu präsentieren. Auch wenn es reine Frauenkollektionen sind, war ich sofort begeistert. Gespannt war ich auf die Haptik des wie Papier wirkenden Wundermaterials Tyvek, einem recycelbaren Polyethylen Vliesstoff, der problemlos bei 90° gewaschen und bis zu fünf mal recycled werden kann bevor es entsorgt oder für andere Produkte weiterverwertet werden kann. Das Material fühlt sich ganz glatt an und ist federleicht. Besonders die Taschen aus geschredderten Leder haben es mir angetan, (würde ich auch tragen, liegen preislich jedoch etwas über meine Studentenbudget). Luxaa ist ein wunderbares Beispiel wie sich Technik und Mode verbinden lassen, ökig ist an dieser eleganten Kollektion rein gar nichts.
Comake laden mit ihrem Schuh zum Selberbauen dazu ein mal zu spüren, wie aufwändig es ist einen guten Schuh zu produzieren. Zunächst hatte ich ehrlich gesagt einige Befürchtungen wie das wohl aussehen würde, war dann aber positiv überrascht und sofort begeistert. Zwei bis drei Stunden dauert es wohl beide Schuhe zusammen zu nähen. Hier sind die beiden Gründer auch ganz im Geist der Zeit wo Aktivist_innen und Autor_innen wie Tansy Hoskins aus Großbritannien in ihrem kürzlich erschiennen Buch ‚Stiched Up, the Anticapitalist Book of Fashion‘, genau diese Einbindung und Überschneidung von Produzent_innen und Konsument_innen fordern. Toll sind auch liebevolle Details, wie die auf die Sohle prägnierte Stadtkarte von Weimar wo die Idee für die Schuhe herkommen.
Abschließend ziehe ich ein positives Fazit von meinem ersten Messebesuch. Leider konnte ich nicht bei den Catwalks, Fachforen und der Party dabei sein, die laut mehreren Austeller_innen wirklich toll und kommunikativ gewesen sein müssen. Da ich ja generell gar keine Ahnung hatte, was mich auf einer solchen Messe hätte erwarten können, schien mir der Aufbau und die Art der Präsentation in beiden Halle sinnvoll und einleuchtend. Die Design Discoveries waren darüber hinaus eine tolle Möglichkeit auch neue Labels kennen zu lernen, die einem vielleicht nicht direkt aufgefallen wären, neben den vielen etablierteren Labels – hier war es super zu sehen, dass es in einer noch immer recht kleinen Branche bereits so viele starke Marken gibt, die tolle Mode produzieren.
Michael Pollok ist seit Januar 2012 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung am Institut für Politikwissenschaft Münster und interessiert sich für Perspektiven einer nachhaltigen Politischen Ökonomie von Mode. Er macht derzeit ein Praktikum bei gruene wiese in Münster. Hier finden Sie alle Artikel von Michael Pollok . |
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