27 Jun, 2014
semiHAPPY
Und gleich noch ein großer Jeanser, der die Welt retten möchte. Für den Clip zur „RAW for the Oceans“-Kampagne erhielt G-Star jüngst sogar den Werbefilmpreis von Cannes. Die eigentliche Kollektion wird erst ab Mitte August zu kaufen sein. Sie entstand in Zusammenarbeit mit BIONIC Yarn, einem Recyclingfaseranbieter, dessen Teilhaber und Creative Director Pop-Superstar Pharrell Williams ist.
Eigentlich doch ein Grund zur Freude, wenn ein Jeans-Gigant gemeinsam mit einem Pop-Giganten einem grünen Textilkonzept zu – zumindest für grüne Modedimensionen – ebenso gigantischer Aufmerksamtkeit verhilft. Und dann noch mit einem so schicken Clip. Ich bin trotzdem nur semiHAPPY. Und das, obwohl ich begeistert kreative Versionen des Happy-Videos angeschaut habe, Recycling super finde und auch das Design von G-Star durchaus mag.
Drei Dinge stören mich an dieser vermeintlich grünen Kollektion gewaltig. Erstens. Bionic-Yarn besteht „nur“ zu 40 Prozent aus Recyclingmaterial. Ein Recyclinggarnkern wird mit einer frischen Faser ummantelt. Damit besteht das Garn zum größeren Teil aus einer – zumindest bei bisherigen Kollektionen – konventionellen Natur-, Regenerat- oder Erdölfaser. So ist der bei Bionic entstehende Fasermix selbst auf jeden Fall deutlich schlechter recycelbar als der Meeresmüll. Der stammt übrigens anders als das Video vermuten lässt gar nicht aus dem Meer, sondern wird am Strand gesammelt. Auch gut, aber weniger spektakulär. Und Oktopusse helfen auch nicht mit.
Zweitens. Gemessen an der ökologisch mäßigen Sinnhaftigkeit (40 Prozent Recyclingmaterial wird zu einem schlecht recycelbaren Modeprodukt) ist die Vermarktung völlig überdimonsioniert. Das Konzept lenkt zudem von den durch die Textilindustrie und auch G-Star selbst verursachten ökologischen Schäden ab. Vergiftete Böden beim Baumwollanbau, giftige Färbe- und Prozesschemie. Um diese Schäden zu verhindern gibt es markterprobte bekannte Konzepte (Bio- oder Recycling-Baumwolle, GOTS-Zertifizierung), doch diese nutzt G-Star nicht bzw. kaum. Nach recht hohem Bio-Baumwollanteil in 2013 gab es 2014 keine Organic Cotton Modelle mehr. Statt dessen tut man ganz in Replay-Manier so, als sei man auf der Seite der Umweltretter statt auf derer der Verschmutzer.
Drittens. Mal wieder komplett aussen vor bleiben die Näher_innen, denen es wenig nützt, dass der Stoff, den sie in viel zu langen Schichten für viel zu wenig Geld durch ihre Maschinen jagen, den Ocean ein kleines bisschen sauberer macht.
Am Ende also auch hier mehr Grünwäscherei als ernstzunehmender Schritt. Das ist Schade, denn der Clip ist wirklich gut und vor Allem ist Pharrell Williams genau der Typ Popicone, den die grüne Mode als Promoter gut gebrauchen könnte. Smart, modeaffin und jedem Jute-Klischee unverdächtig. Auch dass es ihm ernst ist mit dem Planeten nehme ich ihm ab. Wie schon bei Replay gilt die Kritik hier vorrangig dem Modekonzern und nicht den Partnern der Kampagnen.
Anders als Replay ist G-Star aber auch schon zuvor in Sachen Grün und Arbeitsbedingungen aktiv gewesen. Neben den erwähnten jedoch derzeit eingestellten Organic-Modellen hat G-Star das Greenpeace Detox Manifest unterzeichnet. Zudem sorgt das Unternehmen seit 2011 durch eine Mitgliedschaft bei made-by sowie jüngst auch einer eigenen Supply Chain Map für mehr Transparenz in der Produktion. Transparenz alleine macht noch kein grünes Unternehmen, aber ist ein guter Anfang. Vielleicht sorgt ja auch der Erfolg von Mitbewerber nudie Jeans für den nötigen Druck zu weiteren Schritten.
by the way: Bereits 2010 launchte Pharrell Williams eine BIONIC Yarns Jeans-Kollektion mit Top Shop. So neu und innovativ, wie die Kollektion gerade im Web gefeiert wird, ist also allenfalls das Marketing.
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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