14 Dez, 2013

Der Mann fürs Große

geelee

„Das sieht aus wie ein Sack“ ist jetzt ein Kompliment. Schmal geschnitten und tailliert ist out bei diesen Einteilern. Die Deutschen sind ja verschrien dafür, dass sie im ollen Jogginganzug zum Brötchenholen gehen, aber diese Variante des Schlafanzug-Looks ist zum ersten aus der stilsicheren Schweiz und zweitens total cool, weil die Firma Switcher und Robin Cornelius es geschafft haben, den kokon-artigen Jumpsuits eine Frischekur zu verpassen.

Die Wohlfühl-„Geelees“ stehen für eine entspannte Lebenshaltung und eine Anti-Mode-Attitüde, die Robin Cornelius bereits vor dem Start lautstark ankündigte – und das, obwohl man den Eidgenossen ja üblicherweise nicht viel Lärm zutraut:

 Ich werde Ende Oktober eine neue Kleidermarke präsentieren, sie wird geelee heißen. Das sind ökologische Einteiler in Übergröße. Eine Mischung aus Bequemlichkeit, Ökologie und Qualität. Die Leute werden verrückt danach sein. Die Slogans, mit denen ich werbe, werden heißen:“ Arretez la dictatures des femmes sexy!“, „Gleichheit der Körper!“, „Fuck the fashion!“. Das wird die Youngster zu uns bringen.“

Die Werbeslogans sind zwar weniger radikal geraten, aber mit der Vermutung, dass ihm die Jüngeren die Geelees aus den Händen reißen, hatte Cornelius recht. Der Deutschland-Start musste von Mitte Dezember auf Mitte Januar 2014 verschoben werden, weil die Geelees knapp geworden sind (in der Schweiz sind sie allerdings noch zu bekommen!). Und die Idee? Nichts Extravagantes machen, sondern etwas Funktionelles, Komfortables für den Alltagsgebrauch – passend zum Smart Basic Programm, für das die Firma sonst steht. Nach meiner Beobachtung ist das Konzept aufgegangen.

Stoff-Analyse? Die Geelees sind aus Biobaumwolle (exakt: 85 Prozent und 15 Prozent Polyester), hergestellt in Portugal (wo Switcher begann) und 100 Prozent transparent und rückverfolgbar durch ihren „respect code“.  Seit 2006 hat Switcher 30 Millionen Artikel verkauft, die mit einem Rückverfolgbarkeitsetikett versehen sind – Gründer Robin Cornelius schreibt in seinem Buch „Das Switcher-Prinzip: Warum uns weniger mehr bringt“, dass seiner Meinung nach nur „durchsichtige“ Firmen Zukunft hätten – sprich diejenigen, die Informationen über ökologische und sozialen Produktionsbedingungen mit ihren Kunden teilen. Seit 2006 ist Switcher auch Mitglied der Fair Wear Foundation. Erstaunlicherweise segelt Switcher trotzdem immer so ein bisschen unter dem Radar – etliche Kenner der Grünen-Mode-Szene haben bislang wenig oder nichts von Switcher gehört – auch deshalb finde ich die Geelees eine gute – große Idee – für Switcher.

Was mir wirklich gute Laune macht, sind die Knall-Farben – die an bunte Smarties erinnern. Den Unisex-Geelee gibt es in sechs Farben, darunter pink, blau und grün. Schwarz oder Grau geht natürlich immer. Bloß nicht auffallen. Aber gerade der Geelee in Pfefferminz-Grün gibt genug Grund, sich auch mal für eine andere Farbe zu entscheiden. Bei dem Look kann man eh mal mehr wagen als sonst und wer schon immer mal ein Hingucker sein wollte – das ist jetzt eine klare Chance.

Irgendwie passen die übergroßen Teile auch zum Firmenchef, der von Anfang an auch vom Großen träumte, der „König der Sweatshirts“ wollte er werden, ein „Maximum an Menschen erreichen, die ein Minimum konsumieren“ und eben nicht jeden Tag neue Eintagsfliegen produzieren wie die sonstige Modebranche. Wer ihn liest, versteht: Seine Vision für die Welt umzusetzen ist ihm wichtiger als Geldverdienen – gottseidank rechnet sich die Firma trotzdem – oder vielleicht gerade.

Bei Switcher schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Ich frage mich, wieso es nur 28,4 Prozent Biobaumwolle im Sortiment gibt? oder ob Farben und Ausrüstungschemikalien auch detox-konform sind? (eher nicht), aber der Elan, die Neugier und die Lust von Robin Cornelius etwas Neues zu schaffen, gefallen mir.

„Wichtig ist nicht, was wir erreicht haben – entscheidend ist immer die nächste Viertelstunde“, sagt Cornelius und treibt sich und andere an. „Du kannst nicht anders, oder?“, sagte neulich eine Freundin zu mir und spielte auf meinen Aktivisten-Job an. Stimmt, aber wenn ich zuhause bin, ist der Dino-Look á la Switcher gerade mein Anker im Ozean.

P.S. Grüne Mode sagt Bescheid, wenn die Geelees auch in Deutschland zu ordern sind und als nächstes stellt euch Alf-Tobias dann Studio Jux vor, die auch einen Einteiler im Programm haben – allerdings in edel schwarz, körpernah geschnitten und weich fallend – Tencel macht es möglich!

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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