05 Jul, 2009
Die Öko-Connection
Was für ein Quantensprung! So selbstbewusst und vital hat sich die grüne Mode bisher nie gezeigt. Aus der zarten Pflanze ist ein üppiges Dschungelgewächs geworden. „Grüne Hölle“ im besten Sinne – das waren die vier Tage in Berlin. Den endgültigen Beweis, dass diese vielfach verspottete Mode im High-Fashion-Bereich angekommen ist, wollten vor allem Magdalena Schaffrin und Jana Keller mit dem „Green Showroom“ im Luxushotel Adlon antreten. Die getanzte Performance fand ein geteiltes Echo – doch deutlich war das Bemühen zu spüren, für die andere Mode auch einen anderen Ausdruck zu finden und auf einen klassischen Catwalk zu verzichten. Untermalt von Harfenmusik bewegten sich zwei Tänzer durch den Wintergarten des Adlon und führten „Öko-Luxus“ vor. Da landeten die Handtaschen schon mal wie ein Helm auf dem Kopf und die Mäntel achtlos im Blattgrün. Dabei können die beiden jungen Designerinnen ihren Produkten vielmehr trauen als sie wohl vermuten. Ihre ökologische und ethische Qualität ist bestechend – stehlt ihnen also nicht mit Kunst-Kitsch die Schau!
Magdalena und Jana, beide sehr ernsthafte Frauen, war ihre Erleichterung deutlich anzumerken, als die Show vorbei war und sie sich in den Suiten im zweiten Stock wieder auf die Präsentation ihrer zeitlos schönen Kleidung und Taschen konzentrieren konnten. Für ihre Mode braucht man übrigens nicht Hochadel zu sein – ich trug an diesem Tag Magdalenas weißes Hemd zu einer schmal geschnittenen Öko-Jeans und Janas Naturleder-Handtasche. Und passende Turnschuhe aus Recycling-Material….
Zwei Tage zuvor hatte ich Gelegenheit in einer der Luxus-Suiten den Stardesigner von Hess Natur zu treffen. Der Mallorquiner Miguel Adrover redet wie ein Maschinengewehr und so unvorsichtig, dass es eine Journalisten-Freude ist – wann man sein „Spanglisch“ einmal verstanden hat. Adrover rät dem traditionsbewussten Versender deutlich zu einem Kurswechsel in Richtung jüngerer Kundschaft. Bisher blätterten nur die Mütter im Katalog, die Teenager-Töchter rümpften die Nase. Das werde sich ändern, erklärte Hess-Geschäftsführer Wolf Lüdge (auf dem Foto ganz links).
Mädchen, hört die Signale! Hess wird mit einer jüngeren Ecofashion-Marke kooperieren und dann deutlich trendiger daherkommen als bisher. Anton Jurina und Martin Höfeler von den Armedangels bestätigten, dass Hess mit ihnen gesprochen hat. Interessant wäre sicher auch das Berliner Label Slowmo, gemacht von Deutschlands schönsten und kreativsten Öko-Designern, dem Geschwisterpaar Felicia und Melchior Moss. Alte Hasen und junge Kaninchen – diese Mixtur findet sicher ein Echo bei den Käufern.
Persönlich wünsche ich mir von Miguel Adrover hochhackige Öko-Schuhe, die er mir versprochen hat – genauso wie Taschen. Im Kommen ist jetzt aber zunächst ein Herrenanzug. Ein Männerwunder, dass sicher auch Frauen lässig tragen könnten. Bisher waren Anzüge ein Öko-GAU! Durchaus sexy fand ich auch den Herrenanzug von SoPure, der auch im Green Showroom des Adlon zu sehen war und 2010 zu haben ist. Wie übrigens alles, was jetzt in Berlin in zu sehen war!
Dicht daneben hing ein Business-Anzug für Frauen (auch SoPure), den die Grünen-Chefin Renate Künast haben muss! Gewohnt lautstark forderte die Schirmfrau der grünen Modemesse „TheKey.to“ auf der Pressekonferenz Kleidung, die sie im Bundestag tragen könnte – wo man bekanntlich einem strengeren Dresscode huldigt.
Es ist aber nicht mehr so, dass es Deutschland an Ökomode mangelt. Das zeigte der Rundgang, den ich mit Künast auf der grünen Messe in Neukölln machte, wo rund 30 Modelabels ausstellten. Diese Messe hat wahrlich die Tür zu etwas Neuem aufgestoßen und war für Renate Künast durchaus ein Schlüsselerlebnis. Übrigens gefielen ihr nicht nur die Nessel-Kleider aus Weimar, sondern auch die recycelten Sportjacken der Kieler Firma Pyua mit den kunterbunten Reißverschlüssen. Naturfasern und Kunstfasern – beides sauber und sozialverträglich verarbeitet – sind durchaus eine starke Kombi, die den Markt bereichern.
Indiskret gebe ich hier preis, dass Künast und ich übrigens Unterhosen erworben haben. Selbstverständlich bio und fair. „Pants to poverty“ – eine britische Marke sind wahre Schneider des Polit-Protests. Solche spleenigen Ideen können nur Engländer haben. Freut euch auf den PANTEATER (Bericht folgt zum Launch ihrer internationalen Kampagne nächste Woche).
Selbst auf der Streatwear-Messe „Bread and Butter“ war grüne Mode zu sehen. Als Fan von Tony Tonnaer, Chef von Kuyichi, habe ich die hellen Jeans aus recycelter Baumwolle namens „Roxette“ bewundert, die laut Tony auch nicht bei der nächsten Wäsche auseinanderfallen, sondern wie ein Paar neue Jeans jahrelang halten…. Kuyichi experimentiert weiterhin mit neuen Materialien. Wir teilen ein Motto: „Geht doch“. Ansonsten ist Tempelhof, Mutter und Vater aller Flughäfen, eines der größten und beeindruckendsten Bauwerke der Welt.
Das ist verschwenderische Optik, wie ich sie mag. Ansonsten nervt mich die Berliner Verschwendung – trotz notorisch leerer Taschen – maßlos. Die weiße Plastikfolie etwa, mit der die Hallenböden der Trendmesse „Premium“ überzogen waren, bedeutet sicher einen gewaltigen Haufen Müll. Und das, obwohl diese Messe eine „Green Area“ hat. Highlights waren für mich die pflanzengefärbten Seidenkleider von Portocolonia, die Kordelgürtel von RoomtoRoam (und die Kampagne zur Rettung der Wölfe in der Lausitz!), die weißen Kleider und Röcke von Inka Koffke und der österreichische Gemeinschaftsstand rund um das Label „Göttin des Glücks“.
Zuletzt verneige ich mich vor der großen alten Dame des Modejournalismus, die 65-jährige Suzy Menkes von der „International Herald Tribune“. Sie war erstmals zur Modewoche nach Berlin gekommen und gibt traditionell den Ton an. Was ihr gefällt, ist die Mode von Morgen.
Suzy Menkes sagte, Berlin könne vor allem stolz auf die grüne Mode sein. Aus ihrer Sicht sei es völlig unverständlich, dass diese Mode den Biolebensmitteln so weit hinterherhinke. Nun, für das Image der Mode hat sie mit ihrem Urteil sicher Entscheidendes getan.
P.S. Video folgt – bin zu erschöpft. Bitte habt etwas Geduld.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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