02 Jul, 2009
Tchibo, T-Shirts und Tabus
Wie ihr wisst, bin ich ein engagierter Förderer von Tchibo. Ich bestelle gerne bei Tchibo (das Resultat war im Blog zu bewundern). Und genau ein Jahr nach meiner Aktion flackerte ein Werbemail von Tchibo auf meinem Bildschirm auf und bot mir T-Shirts zum Selbstgestalten an. Da gab es kein Halten mehr. Angetan war ich besonders von den Shirts aus Biobaumwolle, die der Konzern mir zeigte. Respekt! Das ist ein großer Erfolg für uns kritische Konsumenten. Weniger angetan war ich, als ich nicht draufdrucken durfte, was ich wollte. Tchibo hat eine Zensur im Internet eingeführt und bestimmte Schlüsselworte und Wortkombinationen sperren lassen.
Wozu? Die Aktionsshirts liefert Continental Clothing, die sich von der strengen Fair Wear Foundation (FWF) auf Sozialverträglichkeit kontrollieren lassen. Da könnte der Konzern doch gelassen sein.
Spannender ist, welche Begriffe Tchibo auf den Index gesetzt hat.
Entschieden hatte ich mich für den Aufdruck: BIO, ABER UNFAIR. Um darauf anzuspielen, dass ein Bioboom noch keinen Ethikboom macht.
Und was flackert auf meinem Bildschirm auf? „Der Text „unfair“ gefällt uns nicht. Bitte gib´einen anderen Text ein.“ Amüsiert teste ich weiteres einschlägiges Vokabular. „Kinderarbeit“ ist blockiert, ebenso wie „Hungerlöhne“ und „Sklaven“. Und was passiert, wenn ich „Tchibo“ auf mein Shirt drucken will??? „Der Text „Tchibo“ ist markenrechtlich geschützt und darf daher nicht verwendet werden.“
Fazit I: Konzern hat gelernt. Fazit II: Kirsten auch. Ich tippe in absichtlich falscher Rechtschreibung:
BIO, ABER UNFÄR
Ratet? Prompt bekomme ich eine Bestellbestätigung. Ich öffne im Geiste das Paket, ziehe das Shirt an, gehe in die Garage und schreibe ein Banner, auf dem steht:
FRAGEN SIE MICH NACH MEINEM FALSCH GESCHRIEBENEN T-SHIRT.
Eine halbe Stunde später kommt die Stornomail des Konzerns. Sie möchten das T-Shirt nicht drucken. Offenbar gucken noch mal zwei echte Augen auf jede Bestellung. Nett von euch, denke ich. Ihr wollt mich davor schützen, mich mit falscher Orthographie auf der Straße lächerlich zu machen.
Und nun Kirstens ultimative Bilanz: Die Worte, die blockiert sind, lassen tief blicken. Sie offenbaren die Schwächen, die der Konzern selbst sieht und für die er nicht am Pranger stehen möchte. Verletzung von Menschenrechten. Hungerlöhne und Sklavenarbeit.
Alles andere ist erlaubt: Die Worte PESTIZIDE, GIFTIG und selbst ÖKOSCHWEIN könnte ich aufdrucken lassen. Hier fürchtet Tchibo sich nicht mehr.
Damit ist offenbar, woran die Textilbranche derzeit krankt. In Sachen Umwelt sind sie weit vorne, in Sachen Ethik noch weit hinten. Wer diese Zensurliste für Tchibo gemacht hat, wusste das. Denn die Aktionsware mag ethisch korrekt sein, für das Gros der Tchibo-Textilien gilt das nach wie vor nicht.
Ich verschweige euch, welche Obszönitäten ich noch getestet habe. Pornographie ging anstandslos. Würde aber hoffentlich von den zwei Augen, die die Endkontrolle machen, auch storniert!
Übrigens: Nicht nur mir sind diese Schlüsselworte verboten. Die Zensur gilt für uns alle. Man dürfte also nicht einmal dem eigenen Chef per T-Shirt Hungerlöhne attestieren.
Also liebe Leute von Tchibo: Ihr seid auf dem richtigen Weg. Weiter so. Läppische Zensurspielchen im Internet bringen euch allerdings nicht weiter.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |