06 Nov, 2013

Zwei der giftigsten Orte der Welt

Chemikalien-Nachschub für die Ledergerbung

Foto: https://www.hazards.org/workingworld/materialdamage.htm#d1

 

Es gibt Orte auf der Welt, da ist ein gesundes Leben unabhängig von Einkommen und Arbeitsplatzqualität auf absehbare Zeit nicht mehr möglich. Diese Orte sind vergiftet und das häufig nicht durch einzelne Industriekatastrophen, sondern durch die kontinuierliche Belastung mit toxischen Abgasen und Abwässern der ansässigen Produktion. Die Schweizer Stiftung Green Cross berichtet jährlich über die am schlimmsten verseuchten Plätze der Erde,  aber auch über erfolgreiche Entgiftungsprojekte. Diese Woche wurde der neue Umweltgiftreport veröffentlicht.

In der Top Ten der giftigsten Orte für 2013 befinden sich gleich 2 Städte, deren Belastung vorrangig auf die Produktion von Lederwaren zurückzuführen ist. In Hazaribagh, einem Stadtteil von Dhaka in Bangladesh, sind über 250 Ledergerbebetriebe angesiedelt. Die meisten haben völlig veraltete Anlagen, ohne Schutz für die beschäftigten Arbeiter. Oft stehen schon Kinder bis zu den Knien in den hochgiftigen Gerbechemiebädern.

Jeden Tag leiten die Gerber zusammen 22.000 Kubikliter giftige Abwässer in den Buringanga, den größten Fluß und die wichtigste Wasserquelle der Region. So belastet die Ledergerbung nicht nur die Gesundheit der Arbeiter, sondern auch die aller anderen Bewohner der Stadt.

Die giftigste Chemikalie im Gerbeprozess ist das stark krebs-erregende und erbgutverändernde Chrom-VI. Chrom-VI wird nicht direkt als Gerbechemie eingesetzt, sondern entsteht als Reaktionsprodukt im Gerbeprozess, wenn dieser nicht aufwändig kontrolliert wird. Und genau das geschieht an diesem Ort eigentlich nie. Für die Arbeiter sind jedoch auch schon die direkt verwendeten Chromsalze eine große Gesundheitsbelastung. Die Lebenserwartung der Gerber von Hazaribagh liegt bei nur 50 Jahren.

Ortswechsel. In Ranipat (Indien) steht eine Fabrik, die solche zur Gerbung verwendeten Chromsalze herstellt. Das Tamil Nadu Pollution Control Board (TN PCB) schätzt, dass in den letzten 2 Jahrzehnten rund 1.500.000 Tonnen feste Chemieabfälle angefallen sind. Die Abfälle werden neben der Fabrik auf einem offenen Feld gelagert. Der Giftmüllberg ist 3 bis 5 Meter hoch und bedeckt eine Fläche von fast 3 Fussballfeldern.

Die offene Lagerung sorgt für eine massive Belastung des Grund- und Oberflächenwassers. Die Belastung des Wassers mit verschiedenen Schwermetallen übersteigt die indischen Grenzwerte deutlich, für Chrom gleich um das 5-fache. In einer 1 Kilometer entfernten Siedlung mussten zahlreiche Brunnen und Wasserstellen geschlossen werden. In Ranipat wird kein Leder gegerbt und dennoch macht die Chromgerbung auch diesen Ort zu einem der giftigsten der Welt.

Anfang Oktober zeigte das ZDF eine starke Dokumentation zum Thema Ledergerbung in Bangladesh („Gift auf unserer Haut – Leder und Pelze für Deutschland“), die das Ausmaß der Vergiftung in drastischen Bildern zeigt. Derzeit noch auf der Website zur Sendung abzurufen.

Dass es auch möglich ist Leder pflanzlich und ohne den Einsatz von Chrom zu gerben, zeigen Schuh-Label wie ekn footwear, John W. Shoes, Nine to Five oder Veja. Der Lederwarenhersteller Deepmello hat sogar ein eigenes Gerbeverfahren basierend auf der Rhababerpflanze entwickelt.

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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Veröffentlicht in: News

2 Kommentare auf "Zwei der giftigsten Orte der Welt"

2 | Leder: Chrom- und pflanzliche Gerbung - Lovingfair

Juni 23rd, 2015 at 22:00

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[…] interessanter Artikel zum Thema wurde übrigens gerade erst auf dem Blog Grüne Mode […]