26 Mai, 2013
Weg von Viel&Billig-Schick
Ich brauche ein Kühlkissen am Kopf nach dieser verdammten Talkshow von Günther Jauch.
Wir sind wohl alle d´accord, es geht um andere Rezepte und Regeln für die Goliaths der Industrie, die weltweit produzieren. Aber bei allem Respekt für Brandschutzabkommen – hinter der sozialen Katastrophe in Bangladesch steckt doch ein anderes Thema: Der Viel&Billig-Schick. Die perverse Idee von Klamotten als Wegwerfware. All diese Textilriesen – ob, sie ein Brandschutzabkommen unterschrieben haben oder nicht – animieren uns, Kleidung als Wegwerfware zu sehen. Wofür stehen H&M, Kik und Zara und Primark und Gap? Sie stehen für etwas, was billig ist und morgen nichts mehr gilt.
Für mich hat das nichts mit Mode zu tun. Wofür stand denn Mode und was wurde lange Jahre damit assoziiert? Eleganz, Stil und sicher auch Qualität. Die Textilketten haben diesen Gedanken völlig auf den Kopf gestellt. Mode soll Ausdruck von Persönlichkeit sein. Aber was bleibt vom Ausdruck, wenn alle den selben billigen Fummel tragen? Was sagt es auch über unsere Persönlichkeit, wenn man es nötig hat, sich alle drei Wochen ein neues Fähnchen umhängen? Ja, ich will mich ausprobieren und ausdrücken, aber über ständig wechselnde Äußerlichkeiten?
Dass die Modeindustrie komplett überdreht, gewaltige Überkapazitäten produziert und wir zuviel verbrauchen – das ist das große Tabu und eine der großen Konfliktlinien unserer Zeit.
Die Unmengen billiger Kleidung, die für proppenvolle Kleiderschränke produziert werden, haben den Abwärts-Wettlauf ausgelöst, bei dem Textilfirmen Lieferanten in Bangladesch, Kambodscha oder sonstwo unter Druck setzen, immer schneller und günstiger zu liefern. Es ist das destruktive Geschäftsmodell dieser Ketten, das soziale Fortschritte auffrisst und dafür sorgt, dass die Bezahlung der Arbeiterinnen ein Witz ist.
Deshalb müssen wir eigentlich tagtäglich laut darüber reden, dass man ohne Verlust an Lebensqualität von diesem Viel&Billig-Schick weg kommen kann und nicht noch mehr in die ohnehin übervollen Kleiderschränke stopfen sollte. Meine Message ist: Solide ist das neue Cool. Hin zur Wertigkeit, dann gibt es auch Spiel für ökologische und ethische Qualität.
Ja, werdet ihr rufen. Wissen wir schon. Kommen doch schon Bücher zum Thema raus. Stimmt – und wisst ihr was? Die verkaufen sich inzwischen sogar, die Bücher von Harald Welzer und Niko Paech. Es bewegt sich was in diese Richtung. Als ultimativer Beweis sei hier die BILD-Zeitung angeführt. Selbst die BILD changiert inzwischen zwischen Entsetzen und Bewunderung, wenn sie über den Konsumkritiker Niko Paech schreibt. Ich bin also nicht hoffnungslos naiv, sondern überzeugt, dass das WENIGER und eben auch das weniger Klamottenkaufen absolut salonfähig und cool ist. Es geht eben nicht nur darum, was wir konsumieren, sondern auch wie viel. Verbrauch ist das Tabuthema, vor dem sich alle drücken.
Und jetzt ein Wutanfall aus gegebenem Anlass. Schafft doch endlich diese Talkshow von Günther Jauch ab. Ich bin jedesmal auf den Knien und bekomme hässliche Stirnfalten.
Und weil ich gerade die Revolte gefordert habe gegen das Tempo, mit dem Kleidung heutzutage produziert und wieder weggeworfen wird, hier die Alternative.
Ich hätte gerne auf seinem Sendeplatz eine
RENOVIERUNGSSHOW.
Erste Sendung als Wiedergutmachung: Klamotten. Jeder bringt was mit, was er fünf Jahre nicht anhatte. Stopp ihr Spaßvögel! Natürlich keine uralten Unterhosen neu aufarbeiten lassen, sondern vielleicht Kostüm, Kleid oder Sakko – und dann wird es aufgepimpt.
Idealerweise sind alle ganz entzückt und ich bin diesen aalglatten Jauch endlich los. Gute Nacht.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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