22 Mai, 2013
Grünes Regeneratfaserupdate
In den letzten Jahren stoßen wir sowohl bei konventionellen Textilriesen als auch bei grünen Modelabels immer häufiger auf Regeneratfasern, die als grün angepriesen werden. Regeneratfasern werden aus natürlichen Rohstoffen (meist Holz/Zellulose) mittels chemischer Prozesse hergestellt.
Ein besonders bekanntes Beispiel ist die Bambus-Viskose, bei der sich die grüne Bewerbung leider als eine große Täuschung erwiesen hat. Der Rohstoff Bambus wächst zwar sehr schnell und auch häufig ohne Pestizideinsatz, jedoch ist der Viskose-Prozess bei Bambus-Viskose genauso chemie- und energieintensiv wie bei den meisten anderen Viskosearten auch.
Im wohl umfassendsten Faser-Benchmark von made-by wird Bambus-Viskose in einer 5-stufigen Tabelle entsprechend als Class E eingestuft (siehe oben). Die Bezeichnung der Faser als „Bambus-Faser“ gilt inzwischen offiziell als Verbrauchertäuschung. Sie muss als Bambus-Viskose ausgewiesen werden.
Deutlich positiver sind dagegen Lyocell Fasern einzuschätzen, von Lenzing unter dem bekannteren Markennamen Tencel vermarktet. Hier wird ein nicht-toxisches Lösungsmittel (N-Methylmorpholin-N-oxid, NMO) verwendet, um die Fasern aus der Cellulose zu gewinnen. Die Prozesschemie wird vollständig zurück gewonnen und im Kreislauf geführt.
Weniger optimal sieht es dafür bei der Rohstoffbasis aus. Lenzing verwendent bisher Eukalyptus-Holz. Das stammt zwar laut Lenzing aus nachhaltiger Forstwirtschaft (mit FSC-Zertizierung), jedoch ist Eukalyptus ein sehr durstiger Baum und hat in Plantagenpflanzung einen verdrängenden Effekt auf andere Arten im Umland. Lenzing ist aber dabei die Rohstoffbasis bei Tencel auf heimische Zellulosequellen umzustellen.
Als „grün“ gilt für Viele in der Branche und auch für den Grüne Mode Blog auf Faserebene erstmal alles, was in der Ökobilanz mindestens gleich gut wie Bio-Baumwolle abschneidet. Tencel ist damit dem made-by Benchmark folgend als erste grüne Kunstfaser auf Cellulosebasis anzusehen.
Auf der letzten ISPO hat sich nun erstmals ein weiterer Anbieter von Lyocell-Fasern vorgestellt. Unter dem Namen Monocel vermarktet Nankatan eine Lyocell-Faser, die auf Bambus basiert. Gleicher Prozess und auch eine tendenziell nachhaltige Rohstoffbasis, denn der Bambus wird pestizid- und mineraldüngerfrei auf für die Lebensmittelproduktion ungeeigneten Berghängen in China angebaut. Auch die Faserproduktion findet komplett und relativ regional in China statt. Mehrere Produktionsstätten sind neben ISO 14001 (Umweltmanagement) auch SA8000 und damit sozial zertifiziert.
Der made-by Faser-Benchmark basiert auf richtigen Ökobilanzen und vergleicht diese unter einander. Für Monocel ist das noch nicht erfolgt. Da es sich jedoch letztlich um eine Lyocell-Fasern handelt, dürfte Monocel nach Einschätzung von Experten wohl auch in Klasse B einzuordnen sein.
Für die Zukunft heißt das auch, dass grüne Modelabels, -Händler und auch strategische Konsumenten sehr genau hinschauen müssen, wenn ihnen eine bambusbasierte Kunstfaser angeboten wird. Denn ab kommender Saison kann es nun sowohl eine interessante neue grüne Lyocell-Faser als auch eine „rote“ Viskose sein.
Und es wird noch komplizierter. Generic Modal gehört zu den Viskosen und ist wegen des chemie- und energieintensiven Prozesses als Class D eingestuft. Lenzing hat jedoch auch die Produktion von Modal am eigenen Standort in Österreich in den letzten Jahren weiter optimiert und gewinnt auch in diesem Prozess 95 Prozent der eingesetzten Chemie zurück. Zudem wurde die Rohstoffbasis auf heimisches Buchenholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft umgestellt, sodass hier nun eine bis auf Teile der Prozesschemie regional produzierte Kunstfaser angeboten werden kann. Um die besonders umweltschonende Modal-Produktion zu betonen, nennt Lenzing den Prozess nun Edelweiss Technologie und die Fasern entsprechend auch Modal Edelweiss. Der Prozess ist mit dem Europäischen Umweltzeichen Euroblume ausgezeichnet.
Auch Modal Edelweiss prognostizieren wir eine Einordnung in Klasse B.
Wichtig ist nun, dass grüne Modelabels und Händler darauf achten, ob das ihnen angebotene Modal von Lenzing, oder von einem anderen Hersteller stammt, bzw. wie das Produktionsverfahren umgesetzt ist. Bisher ist uns kein weiterer Hersteller bekannt, der Modal mit einem ähnlich umweltschonenden Prozess produziert.
Auch wenn nun Hersteller, Händler und Verbraucher bei Regeneratfasern noch genauer hinschauen müssen, ist die Erweiterung grüner Faseroptionen durch Modal Edelweiss und Monocel auf jeden Fall sehr zu begrüßen. Von den Fließeigenschaften und auch haptisch vergleichbare Viskose-Fasern waren im konventionellen Markt in den letzten Jahren extrem erfolgreich, insbesondere im Bereich der DOB (Damenoberbekleidung). Hier können grüne Labels nun endlich ohne ökologische Abstriche gleichziehen.
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Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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