08 Apr, 2009

Wildes Meinen

Man soll ja seinen Lesern reinen Wein einschenken. Reden wir vielleicht zuviel über das Thema grüne Mode und schaffen es trotzdem nicht, uns umzuziehen? Wann habt ihr zuletzt Fair Fashion gekauft? Sind alte Gewohnheiten vielleicht doch stärker als ich wahrhaben will?

Oh je, werdet ihr denken. Bloggerin hat vor-österliche Krise und braucht dringend Schokolade. Stimmt. Ich bekomme schon Mails von Freunden, die behaupten: SCHATZ, jetzt hast du mir die Laune verdorben. Wird es noch schlimmer?

Im Kern geht es um eine Erfahrung, die ich beim Tingeln durch die Medien gemacht habe. Wie diese Woche beim Radiosender N-Joy, einem Ableger des Norddeutschen Rundfunks. Isa und Jonas, die beiden Moderatoren der Nachmittagsshow, hängten flott meinen hellen Trenchcoat aus Biobaumwolle auf und erkundigten sich nach meiner Jeans und worauf man so achten solle. Alles für die Hörer.

Selber hatten sie kein einziges Öko-Leibchen im Schrank.

Genauso wenig wie die anderen Journalisten, die mich in den vergangenen Wochen befragten. Bezeichnenderweise waren viele davon sogar auf grüne Themen spezialisiert. Und nachdem ich das anfangs nur verwunderlich fand, thematisiere ich das jetzt jedes Mal – hanseatisch höflich, nach der Sendung, wenn die Mikrofone aus sind. Und räume mit Mythen auf, die dem anderen Einkaufen vielleicht im Weg stehen. Und wo man was bekommt.

Kurz: ich merke, dass das Umsteigen auf grüne Mode weit weniger als im Alltag angekommen ist, als ich dachte. Selbst bei solchen Themensetzern und Trendsettern wie Journalisten.

These Nummer Eins: Das Knowhow ist zwar da, aber es scheint sich auf wenige Wissensgemeinden zu beschränken, die sich vornehmlich im Internet tummeln. In Blogs und in Tweets und sonstwo. Und da ist es anscheinend so sicher wie in einem Tresor. Hermetisch abgeriegelt. Und wie weit die Revolution in den Schränken der Internet-Affinen ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

These Nummer Zwei: Das Profil der anderen Mode ist nicht scharf genug. Die Label sind so bestrebt, mit der konventionellen Branche zu kuscheln, dass ihr Mehrwert und ihre innere Qualität für niemanden wahrnehmbar ist. Man präsentiert seine Herbstkollektion mit anderen „Trendmarken“ in irgendeiner Galerie, man zahlt 4000 Euro für einen Stand auf der Berliner Modemesse Bread&Butter, um gesichtslos neben Bench&Co. zu verschwinden.

Ich selber werde in nächster Zeit noch einmal nutzwertiger werden. Mehr Label vorstellen. Weniger kommentieren und mich am „Wilden Meinen“ beteiligen, wie Blogger-Autorität Peter Glaser es unlängst bezeichnete. Und weiter aufklären. Wieder mehr auf die Straße gehen.

Und jetzt esse ich diesen ganzen Schokohasen.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

11 Kommentare auf "Wildes Meinen"

1 | Fr.Jona&son

April 8th, 2009 at 23:06

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Du hast völlig recht. Das Thema Ökomode, Ökolifestyle, Biolebensmittel wird zwar medial ausgeschlachtet bis zum Gehtnichtmehr, doch der Großteil der Menschen lebt konventionell weiter wie bisher. Das ist eine Tatsache.
All das „Ökozeugs“ macht nur einen Bruchteil der Gesamtwirtschaft aus, nicht mehr.
In meinem Weblog stelle ich auch gerne Ökomodelabels vor und hoffe dadurch die LeserInnen für Alternativen und Sinnhaftigkeit an der Mode zu interessieren und das geht nun einmal nur über die Optik. ich verstehe, warum Ökomode so aussehen will wie normale hochpreisige Mode. Das ist doch genau das, was die Modeinteressierten wollen.
Tragbar soll es sein und wenn schon teuer, dann mit Stil. Die wenigsten Menschen suchen was Flippiges in solchen Preisklassen.
Ich denke, daß sich viele KonsumentInnen schon öko und grün genug fühlen, wenn sie sich mal ein Öko-T-Shirt kaufen.

Ökomode muß nach „mehr“ aussehen und es stellt sich die Frage, ob es besser ist, sich auf reinen Ökomodemssen oder auf konventionellen Modemessen zu präsentieren. Manch eineR würde nie eine Ökomodemesse besuchen, aber die Bread and Butter schon.
Ich denke, es wird noch lange dauern, bis ein tiefgreifender Bewußtseinswandel die Masse erreicht, schließlich sind wir Menschen Gewohnheitstiere und Veränderungen gegenüber immer etwas reserviert.

Wichtig ist es, weiter unverdrossen dem kleinen Pflänzchen Ökomode beim Wachsen zu helfen, sei es durch Aktionen, durch Ökomodemessen usw

2 | Kirsten

April 9th, 2009 at 08:24

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@Frau Jona@son: Was für ein aufmunternder Kommentar, danke dafür nach Österreich. Vermutlich hast du Recht und ich ignoriere allzu oft einmal, worum es geht bei der Mode. Um Lust an der Abwechslung, die Suche nach dem Besonderen, dem eigenen Stil. Als Geschichtenerzählerin gehört für mich inzwischen dazu, auch die Geschichte meiner Kleidung erzählen zu können…..an der Optik arbeite ich noch. Und dann merke ich, dass ich immer noch eine Mode-Analphabetin bin. Ich weiß morgens immer schnell, was ich heute machen oder schreiben will, nur, um dann vor dem Kleiderschrank zu stehen und nicht zu wissen, was ich anziehen soll….

3 | Alexandra

April 9th, 2009 at 16:31

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Ich kann Dich trösten, ich habe mir sogar eine Öko-Umstandshose gekauft! Bei C&A. Für 29,90 Euro. Wie kann die so billig sein? Zeigt das, wie hoch die Handelsspanne bei Artikeln ist, bei denen die Leute eher bereit sind, was anzulegen, weil sie die ja nicht nach vier Monaten ausrangieren?

4 | Sascha

April 9th, 2009 at 18:13

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These 1: Ich glaube, dass das viel mit Konsumgewohnheiten zu tun hat. Viele Leute gehen einfach in die Einkaufsmeile, wenn sie sich neu einkleiden wollen. Und was gibt es da: mit Glück ein wenig Kuyichi oder Biobaumwolle bei C&A. Die Branche ist einfach noch sehr im Entstehen begriffen und die Präsenz von Ökomode in den Geschäften total klein.
These 2: Klar bringen die Brigitte & Co. ab und an mal was über Ökomode. Aber im Vergelich zur restlichen Konsumorientiereung in solchen Medien ist das doch ein Witz.
These 3: Solange sich nicht insgesamt etwas an der Lohnarbeits- und Konsumorientierung der Gesellschaft ändert wird Nachhaltigkeit ein Randthema bleiben.
Viele Leute gehen Shoppen (oder allgemeiner sie konsumieren) um etwas zu erleben. Das kostet Geld. Und: viele Leute wollen was Tolles erleben, sind aber total ausgebrannt von ihrem Lohn-Job. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

5 | Kirsten

April 9th, 2009 at 18:27

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@Alexandra: Braves Mädchen! Erklärung für den Billigpreis: C&A hat einfach eine enorme Marktmacht. Sie nehmen unglaubliche Mengen Biobaumwolle ab, sie haben unheimlich viele eigene Läden und Kunden, die einfach nicht mehr zahlen. Basta.

Abgesehen davon, dass Sascha jetzt zu Recht anmerken würde, dass sie bei den Arbeitslöhnen sparen!
Sprich: vor allem Frauen in den Nähereien ausbeuten.

Und jetzt umgekehrt: Der kleine grüne Anbieter von ökofairen Umstandshosen (gibt es die?) hat einen Onlinestore und zwölf Läden im ganzen Bundesgebiet, wo er verkauft. Und diese Händler verdoppeln den Einkaufspreis, was es dann für die Kunden teuer macht. Andererseits können die kleinen Labels ohne diese Läden nicht leben. Und die Menschen wollen, wie Sascha richtig sagt, flanieren und shoppen gehen.

Dennoch: Ich gucke jetzt manchmal frech bei meinen kleinen Labels, ob sie vielleicht gerade eine Spezial-Aktion im Internet haben und dort dann für zwei Wochen wesentlich günstiger verkaufen als im Laden…

6 | Christopher

April 9th, 2009 at 20:30

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Heißt dass, ich kann bei C&A auch nicht mehr mit guten Gewissen einkaufen kann. Die Kette hat zwar Biobaumwolle im Angebot, aber wenn rechtlose Näherinnen ausgebeutet werden, dann hört für mich das Flanieren natürlich auf. Wie kann ich mich ein bisschen unabhängiger von der hochmodernen Konsumgesellschaft machen. Liebe Kirsten, kannst Du mir ein paar wertvolle Tipps geben.

P.S. : Werde in der nächsten Zeit mit deinem Buch „Saubere Sachen“ (eine erschreckende Lektüre aber: es lässt das Licht am Horizont aufleuchten) fertig sein.

7 | Kirsten

April 9th, 2009 at 22:15

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@Christopher: Die Crux ist eigentlich, dass die Mode doppelt gut sein müsste, also bio und fair. Ist sie aber meist noch nicht und wir müssen uns entscheiden, was uns mehr am Herzen liegt. Im Moment habe ich den Eindruck – auch hier im Blog – dass die Bedeutung der Fairness gegenüber Schwächeren als Kaufargument steigt. Das hat vielleicht mit der neuen „Ernsthaftigkeit“ in diesem Land zu tun.

Zu C&A: Ich habe C&A immer gelobt und empfohlen, weil sie Kunden den Einstieg leicht machen und Bio dort erschwinglich ist. Mir scheint es immens wichtig, dass in den Köpfen nicht das Vorurteil bleibt, man müsse beim Umsteigen auf grüne Mode einen Kredit aufnehmen. Was mich bei den Großen zuversichtlich stimmt, sind ambitionierte Ziele. C&A strebt ein strengeres Siegel für seine Kleidung an, was auch ehrgeizigere Ziele bei der Bezahlung derjenigen bedeutet, die die Sachen machen – vom Acker an. Ich finde den Einkauf dort also legitim.

Werde aber mit dem Zentimetermaß am Zaun stehen und gucken, ob sie auf ihrem Kurs weitermachen.

Ich bin ja seit meinem Video für die grüne Plattform Utopia aus der Konfektionsberatung für Männer ausgestiegen, aber ab nächste Woche gibt es wieder mehr Labels hier im Blog. Vielleicht gefällt dir was davon.

Ach ja: der Radiomoderator von N-Joy hat gemailt (siehe Blogeintrag). Er kauft sich jetzt ne Ökojeans!

8 | Christopher

April 10th, 2009 at 20:52

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Danke liebe Kirsten!

Wie denkst du über den Naturtextiler „Waschbär“. Ich habe auf der Homepage http://www.oeko-mode.info erfahren, dass „Waschbär“ zwar nach eigener Darstellung auf Sozialstandards und faire Löhne achtet, jedoch wird auch beschrieben, dass es hierfür keine externen Kontrollen zu geben scheint. Was ist eigentlich dran?

In welcher Preisspanne liegt ein Fairtrade-Shirt, dass auch noch aus Biobaumwolle gefertigt ist?

Grüße

9 | Kirsten

April 13th, 2009 at 11:26

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@ Christopher: Waschbär ist sicher in Ordnung. Kontrollen werden sehr oft anhand von Papier gemacht. Dass vor Ort gegangen wird, unangemeldet und mit dem nötigen Sachverstand, ist immer noch zu selten.
Zu den Preisen: Ökologisch und ethisch korrekte Shirts von kleineren Fashion-Labels gibt es ab ca. 15 Euro. Sicher kann man auch bis zu 30 bis 40 Euro hinlegen. Das ist sicher kein Schnäppchen, aber ich bitte zu beachten, dass auch angesagte Markenware in dieser Größenordnung liegt. Nur bekommt man bei den grünen Shirts eben die Sicherheit, dass der Rohstoff und die Verarbeitung clean sind und die Leute auf dem Acker wie in den Nähfabriken ordentlich bezahlt wurden. Für mich bedeutet das einen entscheidenden Mehrwert.

10 | Christopher

April 14th, 2009 at 08:26

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Ja, liebe Kirsten, auch für mich ist es wichtig, wenn das Soziale und die Ökologie vereint werden können. Es wirkt der immer wachsenden Globalisierung entgegen. Man muss sie kritisch sehen, viel hinterfragen und wie Du sagst, laut werden und Farbe bekennen.
Was macht die Arbeit? Bis bald

Sonnige Grüße

11 | cotton.de

April 20th, 2009 at 09:45

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Hallo Zusammen,
wir haben einige fair und bio produzierte Shirts im Programm, wobei wir keine einzelnen Shirts verkaufen, sondern die Shirts bedrucken. Eine Preisinfo was dann ein Shirt mit welchem Druck kostet könnt ihr hier finden:
https://www.cotton.de/fair-bio/earthpositive/t-shirts-earth-positive/