30 Mrz, 2009

Erdbeertreppchen

https://www.bne-portal.de/coremedia/generator/unesco/de/Bilder/03__Aktuelles/02__Veranstaltungen/ZDF.umwelt_20Logo.jpg

Das Thema grüne Mode macht Karriere und anders als ich braucht es kein Treppchen mehr, um groß herauszukommen. Ich bekam jedenfalls im Studio des ZDF am gestrigen Sonntag ein kleines Podest unter die Füße, damit ich weniger zwergenhaft wirke. Die Aufnahmeleiterin nannte es sehr charmant „das Erdbeertreppchen“. Da Erdbeeren eher unscheinbar am Boden wachsen, brauchen sie wohl ein wenig Unterstützung – daher der Name.

Ein solches Erdbeertreppchen teile ich übrigens mit Tom Cruise, der angeblich auch immer eines unter die Füße bekommt. Ich bin aber anständiger angezogen als er. Gerne hätte ich das Treppchen mit nach Hause genommen, aber das ZDF wollte es für weitere zu kurz geratene Studiogäste behalten….

Was mich aber mehr bewegt als diese Anekdote ist der Streit um den Beitrag über Trikotagen-Hersteller Trigema, der im Laufe dieser halbstündigen Sendung ausgestrahlt wurde und der bereits kurz nach der Sendung innerhalb des ZDF als „unausgewogen“ galt und wohl nun den Justitiar der Sendeanstalt beschäftigen wird, wenn Trigema-Chef Wolfgang Grupp wirklich so ein Wüterich ist, wie alle vermuten.

Tatsächlich hat sich der Autor süffisant damit beschäftigt, durch wieviel – teilweise hochtoxische – Chemie Kleidung gezogen wird, bis sie im Laden auf der Stange hält – was im Allgemeinen richtig ist und worauf grüne Mode wohlweislich verzichtet. Das Kleid von Inka Koffke, das ich anhatte, war dagegen quasi essbar! Aber dennoch – so der Tenor im Sender und auch im ZDF Forum – mache Trigema doch was richtig, in dem sie in Deutschland produzierten und so einen Sympathiebonus verdienten.

Dazu würde ich gerne zweierlei anmerken. Zunächst hat Trigema – anders als andere angefragte Hersteller – seine Türen geöffnet und sich um Transparenz bemüht. Das ist gut. Aber die Produktion in Deutschland allein, die sicher mehr Schutz für die Beschäftigten bedeutet im Umgang mit den Chemikalien – ist kein Wert, der über anderen Mankos hinweg sehen ließe. Insofern finde ich dieses Argument pro Trigema nicht ausreichend.

Ich weiß wohl, wie viele – vor allem – Frauenarbeitsplätze in der hiesigen Textilindustrie in den vergangenen Jahren vernichtet wurden, als die Produktion im großen Stil in die Billiglohnländer verlagert wurden, aber es wäre naiv zu glauben, dass sich der Kleiderbedarf allein durch Produktion in Deutschland decken ließe. Und was passierte dann? Etwa mit den Näherinnen in Bangladesch? Sie verlieren ihren Lebensunterhalt.

Nein, es muss möglich sein, auch in China, Bangladesch oder Vietnam sauber und sozialverträglich zu produzieren und diese Länder und die Frauen dort nicht nur zu missbrauchen, um in Sachen Ökologie und Ethik (inclusiven Löhnen!) billig davon zu kommen. Modernes Unternehmertum denkt nachhaltiger und handelt fair – auch den Schwächsten gegenüber, nämlich denjenigen, die unsere Kleidung produzieren. Zunächst auf dem Acker und später etwa in den Nähereien.

So bin ich sehr zwiegespalten, wenn es um Produktion in Deutschland geht. In Sachen Kleiderproduktion sollten wir auch an diejenigen denken, die am anderen Ende der Welt für uns schuften. Sie verdienen eine faire Behandlung – wie die Arbeiter und Arbeiterinnen hier.

Schreibt mir doch einmal, wie ihr zu dem Beitrag über Trigema steht, der in der ZDF Mediathek abzurufen ist (ZDF Umwelt vom 29.3. 2009 „Chemie in Textilien“ ) und zum Thema „Made in Germany“.

P.S. Um der Chronistenpflicht genüge zu tun: Heute war die grüne Mode auch Thema auf Spiegel Online – in der Wirtschaft!

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

7 Kommentare auf "Erdbeertreppchen"

1 | Mandy

März 31st, 2009 at 10:37

Avatar

Liebe Kirsten,

ich habe den Beitrag am Sonntag gesehen und war etwas enttäuscht über die Kurzweiligkeit zum Thema Ökomode und Nachhaltigkeit. Dem Beitrag über Trigema stehe ich auch sehr zwiegespalten gegenüber. Einerseits ist Herr Grupp schon immer ein Vorzeigeonkel für mich gewesen in Bezug auf die Produktion in Deutschland. Andererseits war ich entsetzt darüber wie wenig in diesem Betrieb für eine ökologische Herstellung und Verarbeitung getan wird. Ich hatte irgendwie mehr erwartet. Auf jeden Fall aber wird dort wohl mehr getan, als in vielen anderen Betrieben. Immerhin ein Lichtblick.

Ich lese seit längerer Zeit regelmäßig in deinem Blog, verfolge die Links auf die Du verweist und bin beeindruckt wieviel sich doch schon tut in der Öko-Modebranche. Ich weiß, noch immer zu wenig aber jeder dieser ernstgemeinten Schritte ist einer in die richtige Richtung.

Am Donnerstag fahre ich zur Messe „Fair Handeln“ nach Stuttgart und bin gespannt, was mich dort alles erwartet.

Herzliche Grüße von
Mandy

2 | Kirsten

März 31st, 2009 at 10:55

Avatar

@Mandy: Ich weiß genau, was du mit „Kurzweiligkeit“ meinst, aber vergiss nicht, dass diese Sendung vermutlich viele Menschen sehen, die das erste Mal etwas über grüne Mode gehört haben und die wir dort abholen müssen, wo sie stehen. Manchmal sehe ich bei mir selbst, wie schnell ich „insiderisch“ werde. Schreibe doch gerne mal für alle anderen hier, wie es auf der Messe war und was den Eindruck ist. Ist es der Gedanke der Fairness noch „zart“ im Kommen oder hat er schon Drive?

3 | Carsten

April 5th, 2009 at 00:58

Avatar

Da ich den Beitrag im ZDF gerade eben ind er Widerholung gesehen habe, bin ich doch ein wenig enttäuscht… Denn wenn es hier doch schon um ökologische Aspekte ging, warum hat man sich hier nur an der Baumwolle aufgehängt?
Denn wenn man in einem solchen Beitrag die Kleidung nach ökologischen Gesichtspunkten bewertet, so sollte man auch andere Rohstoffe neben Baumwolle betrachten. Denn letztendlich ist der Wasserbedarf der Baumwolle ja z.B. verglichen mit der Hanfpflanze auch nicht zu verachten.

Grüße
Carsten

4 | Kirsten

April 5th, 2009 at 12:11

Avatar

@Carsten: Ich denke, sie haben mit dem Rohstoff begonnen, aus dem derzeit die Hälfte unserer Kleidung ist und der die größten ökologischen Probleme macht (Dünger, Pestizide und natürlich Wasserbedarf!). Diese Problematik hat der Beitrag den ZDF-Sehern gut nahe gebracht.

Dass auch die Alternative, also Biobaumwolle, bewässert werden muss, ist in der Tat richtig und gewichtig. Deshalb werden die Modemacher mit anderen Fasern experimentieren müssen, etwa mit Flachs (Leinen), dem von mir ja schön öfters gelobten genügsamen Hanf (siehe meine früheren Blogeinträge zum Hanf), auch tierischen Fasern wie Wolle oder Seide oder Exoten wie Kapok-Früchte.
Und nicht zu vergessen sind natürlich auch die Kunstfasern, die sich im Prinzip auch sauber verarbeiten lassen und vor allem – wie Polyester – besser recyceln.
Ihr ökologisches Manko ist zwar der nicht erneuerbare Rohstoff Erdöl als
Ausgangsbasis, aber wenn sie recycelt werden, dann wird ihre Ökobilanz deutlich besser.
Eine schöne TV-Reportage zu den anderen Kleiderfasern würde ich aber auch gerne mal sehen!

5 | Mandy

April 7th, 2009 at 15:18

Avatar

Das „Pflänzchen“ Fairtrade ist durchaus noch zart aber mit einer starken Wurzel versehen. Ich hatte auf der Messe den Eindruck: „Da geht was!“ Insgesamt betrachtet natürlich noch deutlich zu wenig.
Recycling war auch ein Thema: Taschen aus Tetrapacks und Moskitonetzen, Körbe, Utensilos und Schmuck aus alten Telefonbüchern bzw. Illustrierten, Taschen aus Zementsäcken….
Das Modellabel Ethos (www.ethosparis.com) war Aussteller. Sehr hübsches Oben- und Untendrüber, organisch und fair und dazu noch erschwinglich, wie ich fand.

Recycling war auch ein Thema: Taschen aus Tetrapacks und Moskitonetzen, Körbe, Utensilos und Schmuck aus alten Telefonbüchern bzw. Illustrierten, Taschen aus Zementsäcken….

Ich hatte dort sehr aufschlußreiche Gespräche mit einigen Ausstellern. So weiß ich jetzt auch, dass eine Bio-Ananas, die fair gehandelt wurde für ca. 12 EUR über den Ladentisch geht. Da ist natürlich wirklich die Frage, wer sich das leisten kann. Lecker war sie aber allemal und sehr frisch.

Ich würde mich selbst nicht als Insider bezeichnen, eher als Einäugige unter vielen Blinden. In Gesprächen mit anderen Leuten stelle ich immer wieder fest, dass der Bio-Gedanke schon um sich gegriffen hat und auch gelebt wird aber der faire Handel dabei oft keine Rolle spielt.
Trotzdem: zarte Pflanze mit kräftiger Wurzel! :-)

LG Mandy

6 | Sascha

April 9th, 2009 at 18:00

Avatar

Hallo Kirsten,

auch ich finde, dass Produktion in Deutschland kein Wert an sich ist. Deiner Ansicht, auch in sogenannten Billiglohnländern faire Arbeitssstandards und hohe Ökostandards durchzusetzen, ist daher absolut wichtig.
Aus meiner Erfahrung als Importuer und Händler kann ich mich Mandy ubnd ihrer „zarte Pflanze – These“ nur anschleißen. Sehr viele Leute sind richtig heiß drauf endlich coole, korrekte Klamotten zu kaufen und absolut bereit einen höheren Preis zu zahlen. Allerdings sind viele von denen recht gut darüber informiert, was auf der (Mode-)Welt los ist. Sendungen wie die im ZDF sind daher ziemlich wichtig, um einen großen Bevökerungskreis zu erreichen – auch wenn sie nicht so sehr in die Tiefe gehen.
Bei den Fasern stimme ich Dir ebenfalls zu. Bio-Baumwolle ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange und die technische (Weiter-)Entwicklung anderer Materialien wird sicherlich extrem weitergehen. Vielleicht wird es ja in Zukunft immer mehr Cradle2Cradle-Textilien geben…

7 | Sina

April 16th, 2010 at 23:08

Avatar

Für mich ist Grupp der Coolste =)