06 Mrz, 2009

Lord auf Laufsteg

https://www.defra.gov.uk/news/graphics/clothes.jpg

Der einzige Platz, wo Politik und Mode sich gewöhnlich trafen, war als T-Shirt-Slogan. Ich habe noch eine illustre Sammlung von Protest-Shirts im Schrank. Die Botschaften reichen von „Atomkraft nein danke!“ über „Kein Patent auf Leben“ bis zu  „So nicht, Frau Merkel!“. Doch jetzt will die Politik eine aktivere Rolle in unserem Kleiderschrank spielen – zumindest in Großbritannien.

Deshalb stieg der notorisch schlecht gekleidete Lord Philip Hunt, „Minister for sustainability“, während der Londoner Modewoche auf den Laufsteg und kündigte einen Aktionsplan für nachhaltige Kleidung an – keine neuen Gesetze, sondern eine Reihe von Selbstverpflichtungen von Modedesignern und Modeherstellern. Im Kern geht es darum, der billigen Wegwerfkleidung den Kampf anzusagen, die die Deponien verstopft. Da Kleidung kaum noch mehr als ein Milchkaffee und ein Panini kostet, wird sie auch ohne Bedauern weggeworfen. Inzwischen landen allein in England rund 1,5 Millionen Tonnen Textilien schon VOR dem ersten Tragen im Müll. So was kann mit Fug und Recht als sehr kurze Lebensdauer bezeichnen…

Die Leistung der britischen Politik besteht eigentlich darin, die Schwergewichte der Branche, Händler wie Marks and Spencer, Tesco und Sainsbury oder Hersteller wie Nike auf einen nachhaltigeren Kurs verpflichtet zu haben – die zu Recht mehrfach im Kreuzfeuer der Kritik standen. Gerade die Discounter zu fassen zu bekommen, scheint mir eine gute Idee. In Großbritannien – vermutlich auch hier – geht inzwischen jedes fünfte Kleidungsstück bei diesen Billigheimern über die Ladentheke.

Wie ambitioniert die Ziele sind, sei dahingestellt. Kritik kam auf, weil das Umweltministerium, dass den Plan koordiniert, im Frühjahr nächsten Jahres die Aufpasser-Rolle wieder abgeben will – dann soll die Verantwortung für die Umsetzung der Ziele an die Industrie selbst übergehen.

Vielleicht traut die britische Regierung der Wirtschaft hier aber ein wenig zu viel zu. Jemanden, der bisher ständig über die Stränge geschlagen hat, auch noch die nächste Party ausrichten zu lassen mit dem Hinweis, doch bitte ein bisschen weniger zu trinken, hat noch nie geklappt.

Oder ist das ein alter Beißreflex bei mir und ihr traut den Unternehmen mehr zu?

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

1 Kommentar auf "Lord auf Laufsteg"

1 | klaus die maus

März 13th, 2009 at 16:33

Avatar

…die Politik ist wirklich gefragt, denn es kann doch nicht nur den Einkaufenden überlassen bleiben ökofaire Produkte zu fordern. Den Unternehmen wird alles der Freiwilligkeit überlassen und im Nachweis, wie die Sachen hergestellt werden gibt es dann Wischiwaschi. Da wird schnell mal ein T-Shirt als komplett fair verkauft, dabei ist es nur die Baumwolle, die gesiegelt wurde. Fair ist dann auch schon, wenn ein soziales Projekt in der Nachbarschaft gefördert wird. Gewerkschaften oder eine klare Bezahlung von massiven Überstunden oder deren Vermeidung werden nicht verhindert.
Also de facto ist Politik schon lange gefragt: Verbindliche Sozial- und Umweltstandards dazu eine verpflichtende Berichtspflicht für Unternehmen. Erstaunlich ist, das sogar gar nicht so wenige Unternehmen in Fachkreisen der gleichen Ansicht sind. Ihr Argument, dann gebe es keine Wettbewerbsverzerrung. Also vor der Wahl die Politiker noch mal so richtig in die Pflicht nehmen, vielleicht erinnern diese sich danach noch.