24 Feb, 2013
Mager-Modelle
Die Firmen bekennen sich öffentlichkeitswirksam zu guter Baumwolle, kaufen aber, wenn überhaupt, nur Winzmengen. Baumwoll-Expertin Alexandra Perschau von „Future for Cotton“ vergleicht für „Grüne Mode“ die vollmundigen Versprechen mit der harten Realität.
Sich auf Baumwolle aus nachhaltigem Anbau zu verpflichten, ist für die meisten großen Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. So auch für die Sportgiganten Nike, adidas und Puma. Doch die Ankündigungen, in Zukunft bedeutende Mengen des Rohstoffs aus „nachhaltigeren Quellen“ zu beziehen, und der aktuelle Status werfen die Frage auf, ob den Worten auch ausreichend Taten folgen.
Die Ankündigungen klingen vielversprechend: adidas will bis 2015 40 Prozent und bis 2018 100 Prozent seiner Baumwolle aus „nachhaltigerem Anbau“ beziehen. Gemeint ist damit Baumwolle, die nach den Standards der Better Cotton Initiative (BCI) angebaut wird. Ein Standard, der Gentechnik erlaubt, ein paar Pestizide verbietet und Agrarchemikalien, ein Wassermanagement vorschreibt und Bauern und Arbeitern menschenwürdige Arbeitsbedingungen zusichert.
Nike hat sich vorgenommen bis 2020 das komplette Sortiment auf nachhaltigere Quellen umzustellen. Dazu zählen die Amerikaner Biobaumwolle, aber auch Baumwolle der BCI.
Puma schließlich plant bis 2015 die Hälfte seiner Rohstoffe aus nachhaltigeren Quellen zu beziehen. Neben der Baumwolle, die entweder von Cotton Made in Africa stammt, aber auch Bio- oder Fairtrade zertifiziert sein darf, umfasst dieses Versprechen zusätzlich recyceltes Polyester.
Und nicht nur die Sportartikler glänzen mit vollmundigen Versprechen für nachhaltigere Baumwolle. Ob IKEA, H&M, C&A oder die Otto-Gruppe, die Branche neigt dazu, die vorhandenen Nachhaltigkeits-Angebote im Anbau von Baumwolle gerne anzunehmen und schürt mit ihren strategischen Zielvorgaben die Hoffnung, den Baumwollanbau grundlegend zu verändern. Raus aus der Nische, rein in den Massenmarkt. Big is beautiful!
Fasst man die Produktionszahlen von Better Cotton Initiative, Cotton Made in Africa, Biobaumwolle und Fairtrade zertifizierter Baumwolle zusammen, so erreichen die Alternativen in der Anbausaison 2011/12 zusammen immerhin rund drei Prozent der globalen Produktion. Drei Prozent?! Von Massenmarkt kann man da vielleicht doch noch nicht sprechen. Aber was nicht ist, kann bis 2020 ja noch werden?
Doch der momentane Status Quo und die Berichte zu den Verkaufszahlen der verschiedenen Standards lassen aufhorchen. Die Vermarktung der guten „Standard“-Baumwolle gestaltet sich schwierig. Bei Biobaumwolle wird das durch einen sinkenden Anbau deutlich. Fairtrade International veröffentlichte kürzlich im Monitoring-Report 2012 einen Abverkauf von ca. 43 Prozent der geernteten Menge, und liegt gewichtsmäßig damit ungefähr gleich auf mit der im Jahr 2011 abverkauften Tonnage aus dem Better Cotton Fast Track Programme (BCFT). Für das Programm bedeuteten die ca. 11.700 Tonnen allerdings, dass nur ganze sechs Prozent der Baumwolle aus dem Fast Track Programm von den Retailern verwendet wurde. Und auch Cotton Made in Africa kann mit einem für das Gesamtjahr 2012 prognostizierten Abverkauf von nur 10 Prozent nicht zufrieden sein.
Vergleicht man die „Big is beautiful“-Ankündigungen der Textilbranche mit der Realität aktuell verwendeter Mengen der Standard-Baumwolle, hat man es doch eher Mager-Modells zu tun: Nike, immerhin einer der Pioniere in der Verwendung von Biobaumwolle und nach Angaben von Textile Exchange weltweit immerhin noch Nummer Drei der größten Biobaumwoll-Nutzer, bläst seine Zahl durch die Angabe in Kilogramm statt Tonnen auf – 7 Millionen Kilogramm liest sich doch viel schöner als 7000 Tonnen, oder? Die Menge an BCI-Baumwolle scheint unterm Strich total vernachlässigbar, zumindest wird nicht explizit über deren Menge berichtet. Dennoch kommt das Unternehmen auf einen 10%-Anteil von nachhaltiger Baumwolle im Gesamtsortiment der Baumwollkollektion.
Puma erreichte sogar einen Anteil von 16% ihrer Bekleidungskollektionen aus „nachhaltigeren Fasern“. Welche Mengen welcher Fasern – ob Baumwolle oder Recycling-PET – oder gar welchen Standards (CMIA, Bio, Fairtrade) genau genutzt wurden, wird allerdings nicht weiter erwähnt.
Das größte Fragezeichen hinterlässt aber adidas. Im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht wird auf erste, scheinbar sehr zarte Versuche der Nutzung von BCI-Baumwolle im Jahr 2011 verwiesen. Zahlen, egal ob in Prozent oder Gewicht ausgedrückt, fehlen gänzlich. Lediglich die Zielsetzung für 2012 wird benannt, und fällt mit 5 Prozent doch ziemlich bescheiden aus.
Im Überblick: Nike will bis 2020 bei 100 Prozent ankommen, ist trotz jahrelanger Erfahrung im Jahr 2011 aber gerade mal bei 10 Prozent angelangt. Puma strebt bis 2015 50 Prozent nachhaltige Materialien an und erreicht 2011 immerhin 16 Prozent. Und Adidas geht den 100-Prozent-Marathon bis 2018 besonders langsam an, will für 2012 fünf Prozent geschafft haben.
Damit bleiben die aktuellen Zahlen hinter den Erwartungen von Standard-Initiativen, NGOs, Geldgebern und letztendlich vor allem der Bauern zurück. Ein gewisses Lob für die Offenheit muss man den Sportswear-Unternehmen dennoch aussprechen, denn an Transparenz zur Stand der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele mangelt es der gesamten Branche noch gehörig. Ob Walmart, Levi Strauss oder Tesco, allesamt namhafte Förderer des Better Cotton Fast Track Programms, geben in ihren Nachhaltigkeitsberichte hierzu keinerlei Auskunft. Und diese Liste ist beliebig verlängerbar.
Wie kommen nun die Widersprüche zustande? Zu geringer Abverkauf der produzierten Baumwolle aus standardisiertem Anbau auf einer Seite, die großen Ziele der Marken und Händler auf der anderen Seite in Verbindung mit den immer noch geringen Mengen, die in den Klamotten landen?
Viele der über lange Zeit immer wieder genannten Hindernisse sind inzwischen nicht mehr haltbar:
So hieß es, dass die Standard-Initiativen nicht schnell genug ihre Kapazitäten ausbauen könnten, es entstünde ein Angebotsengpass. Die oben genannten Zahlen zu schrumpfender Produktion und die schlechten Abverkaufs-Raten zeigen, dass ausreichend alternative Baumwolle auf der Angebotsseite vorhanden ist. Zudem berichten alle Initiativen von schnell zu realisierenden Wachstumspotenzialen, die derzeit ungenutzt bleiben.
Die alternativen Fasern würden nicht in ausreichendem Maß in den notwendigen Qualitäten verfügbar sein. Was für Biobaumwolle vor zehn Jahren aufgrund der geringen Mengen und wenigen Projekte tatsächlich der Fall sein konnte, ist heute nicht mehr gültig. Es sind kurze bis extralange Fasern verfügbar. Im Fairtrade-Bereich haben Bauern zusätzlich Teile ihrer Prämien zum Schutz von Fremdkörpern Lagerhäuser für die Baumwolle gebaut, gleiches gilt für Bio-Projekte.
Höhere Kosten für den Rohstoff multiplizieren sich in der Lieferkette. Mindestpreise und Prämien für Fairtrade und Biobaumwolle fallen tatsächlich wenig ins Gewicht, wenn es um den Preis eines fertigen Kleidungsstücks geht. Und CMIA und BCI verkaufen die Baumwolle gänzlich ohne Prämien.
Die Anbau-Seite hat also ihre Hausaufgaben gemacht. Nun sind die Unternehmen am Zug, wollen sie sich nicht vorhalten lassen, dass ihre Ziele nur heiße Luft und ihr Engagement und Investitionen für Initiativen und einzelne Anbauprojekte zwar ehrenhaft sind, aber außerhalb des Tagesgeschäfts stattfinden.
Es scheint, dass auf den großen Dampfern der Kapitän zwar das Ziel ausgerufen hat, aber Leuchttürme zur Orientierung fehlen, und Teile die Mannschaft nicht an Bord sind. Unterm Strich muss deutlich mehr Transparenz in den Prozess, und die Unternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, die eine Umsetzung der strategischen Ziele ermöglichen und einfordern.
Quellen:
www.textileexchange.org
Textile Exchange Market Report 2011
www.bettercotton.org
Better Cotton Initiative Annual Report 2011
Aktuelle CSR-Reports der genannten Firmen von ihren Webseiten
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |