22 Feb, 2009

Aussichtssache

Zeit für ein bisschen Analyse. Die Behauptung, dass grüne Mode einer dezidiert freudlosen Entsagungsästhetik frönt und den Sex von Rückenschule hat, ist auf der Biofach in der Textilarea widerlegt worden.

Insofern war sie ein gutes Antiserum. Mehr noch: Dass, was dort zu sehen war, erzählte auch von der Freiheit, Dinge anders zu machen. Es gab also Unterhaltung und Erkenntnis.

Natürlich waren viele klassische Naturtextiler da und wenige der jüngeren Modemacher, was aber an den horrenden Standgebühren der Messe lag und nicht daran, dass sich die alten Hasen und die jungen Kaninchen nicht verstehen würden. Beide eint Haltung und Entschlossenheit und das Unvereinstandensein mit dem Status Quo in der konventionellen Textilindustrie.

Die Modenschau, die nur einmal zum Auftakt stattfand, hätte ich mir deshalb jeden Tag gewünscht, denn dort war Mode beider Generationen zu sehen. Die Idee, wie Kleidermachen anders geht, war dort so mitreißend umgesetzt, dass die Kunden von selbst kommen werden.

Zugegeben, ich habe auch von Glamour geredet und dass ich mir noch eine Infusion Glanz und Prominenz wünsche, aber liebe grüne Modemacher, euer Glamour liegt in eurem Selbstbewusstsein zu sagen: So könntest du angezogen sein. In Wahrheit geht es natürlich um mehr. So könntest du leben – total anders und nicht nur ein bisschen umdekoriert.

Und das bringt mich zu der staubigen Frage, wie umgehen mit denjenigen Firmen, die sich ein bisschen neu frisiert haben wie H&M und C&A und und und….


Ich habe auf Utopia für mein Video zum grünen Klamottenkauf viel Haue bekommen, weil ich „Friede, Freude, Eierkuchen-Mentalität“ verbreitet hätte. Tatsächlich ziehe ich mir diesen Schuh an.

Ich wünsche mir weitaus ambitioniertere Ziele von diesen Textilgiganten und wir können darüber streiten, ob es mehr Masse sein soll (dazu tendiere ich) oder zwingend auch mehr Fairness in der Produktion, aber gehöre nicht zur Betonfraktion, die sagt, hier wird sich nie etwas bewegen. Das entspricht einfach nicht meinem Verständnis von der Möglichkeit politischer Veränderung.

Nur dazu brauchen wir CATWALKING und CAMPAIGNING. Ich plädiere deshalb für mehr offene Konfrontation mit der konventionellen Kleiderindustrie. Sie stehen für Botox, wir für Detox. Warum sollen wir nicht einmal alle gemeinsam von den alten Flugzeughallen in Tempelhof stehen, wo sich demnächst die Modeindustrie auf der Bread&Butter feiert?

Statt originell, aber brav Öko-Waschmittel mit dem Slogan „I am clean“ zu verteilen wie Kuyichi, brauchen wir mehr Fakten, Kunstblut und Banner, auf denen steht: „Wissen Sie eigentlich, wie viel Blut an ihrem T-Shirt klebt?“ plus Rechnung. Ich bin offen für eure Ideen.

Fotos von der Textilarea gibt es bei Blogger Sebastian Backhaus. Merci, Sebastian.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

4 Kommentare auf "Aussichtssache"

1 | Alexandra

Februar 26th, 2009 at 18:45

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Jawohlja! Warum nicht einen eigenen Laufsteg des Horrors vor der Bread & Butter !?!
Hat nicht noch jemand ein paar Gruselmasken vom Karneval über? Greenpeace versorgt uns mit Aktions-Giftfässern? Oder wir lassen das symbolische Gift auf die hübschen Models regnen? Oder wir laufen neben den Models als „Schlechte Aura“ mit? Oder, oder, oder? Wer macht mit und hat noch bessere Ideen?! Wo sind die Experten für den Catwalk?

Ein bißchen mehr Skandal und weniger vom ‚Wir sind halt besser, fahren den anderen damit aber nicht an den Karren“ brächte durchaus erfrischende Elemente und deutliche/emotionale Bilder in diesen Diskurs.

Wer startet jetzt die AG zur Realisierung… 😉
Kirsten, übernehmen Sie.

2 | Kirsten

Februar 26th, 2009 at 19:22

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@Alexandra: Was für tolle Ideen für „riot (don´t diet)“ und „get out of the sheets and get into the streets“, wie die Engländer sagen!
Ich hätte einfach mehr intelligenten Protest und „GREEN ACTION“. Vielleicht brauchen wir in unserer AG auch noch einen von diesen jungen Wilden (18 Jahre und ein Keks)? Freiwillige, politisch denkende Fashionistas vor und sich bei mir melden.
Und natürlich brauchen wir die Berliner Szene im Boot, ich kümmere mich darum. Wie schön, dass du dabei bist!

3 | Berliner Szene

Februar 27th, 2009 at 14:29

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Ich liebe diese Aufbruchstimmung, es ist die richtige Zeit mal was zu machen. Aktion, Aussage, nicht einfach nur brav öko sein und weiter die Klappe zuhalten. Die frage ist wie wir das auch wieder Extravaganz geben. Eine art Flashmob- Catwalk? Irgendetwas unerwartetes. Zum Vorbereitung und Einladung der Aktion, könnten wir schon eine Satire-Version vom neue B&B Clip produzieren (sehe https://www.breadandbutter.com)…

Wir sollten nochmal Aktionsbrainstorm haben in ein par Wochen.

4 | Kirsten

Februar 27th, 2009 at 17:07

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@Frans: Ich befürchte, ein solches Viral Video – Satire auf B&B-Clip – kostet ordentlich Geld. Könntest du herausfinden, wer den Clip gemacht hat? Welche Agentur oder whatever? Ich hätte da eine Idee…..