18 Mai, 2008
Business-Segment
Vom Öko zum Trendsetter. Was für ein Karrieresprung. Statt nur am Tor zu rütteln, durfte ich ins Auswärtige Amt ins Berlin. Wenn es auch nur durch den Hintereingang in der Unterwasser-Straße war. Die Abteilung Kultur und Kommunikation hatte eingeladen, um über das Deutschlandbild im Ausland zu debattieren – Schwerpunkt Klima, Umwelt und Energie. Und was gibt es Innovatives und Neues, dass die Deutschen in Athen, Paris, London oder Rom im wahrsten Sinne des Wortes besser aussehen lässt und künftig zum Sonnen-Image unseres Landes beiträgt? Richtig, die grüne Mode-Branche.
Man mag bei revolutionärer Mode sofort an Italien denken und bei Deutschland eher an solide Verarbeitung, aber warum nicht qualitätsbesessen und mit Geschmack und in Grün Couture gekleidet sein? So richtig mochten es die anwesenden Gäste noch nicht glauben, aber an den Modellpuppen im Vorraum des Europasaals konnten sie sich schon mal ein Bild machen von dem, was künftig ein ökologisches Vorzeige- und gar Exportprodukt sein soll. Man sah elegante Kreationen aus Materialien, die offensichtlich mit Hingabe ausgewählt und verarbeitet wurden.
Deutschland – so die kühne These – ist bereits Öko-Primus in vielen Bereichen. Weltmarktführer in Solartechnik, Meister im Mülltrennen, Experte im Dämmen von Neubauten und nun auch vorzeigbar in Sachen grüner Mode. Wo sind die Stärken, wo die Schwächen des Produktes wollten die Veranstalter wissen und was muss man tun, um jungen grünen Designern den Weg zu ebnen?
Ein Netzwerk für Designer und Label wäre schon schön, sagte die leiderprobte Designerin Inka Koffke, damit nicht jeder wieder von der Pike auf anfangen muss auf der Suche nach Materialien und Knowhow und die Ladenbesitzerin Brigitte von Puttkamer („Glore“ aus München) wünschte sich mehr Mut bei deutschen Mode-Nachwuchs, auch auf Grün zu setzen. In ihrem Laden hängt vor allem Ware aus England und Amerika. Joachim Schirrmacher von der Stiftung der deutschen Bekleidungsindustrie wies darauf hin, dass man mit Hess Natur oder Otto im traditionellen Lager schon ganz gut aufgestellt sei. Aber etwas sichtbarer hätte er die korrekten Kleider gerne – etwa in deutschen Filmen oder Büchern. Nächstes Mal solle Lola alias Franka Potente doch im Shirt aus Biobaumwolle rennen.
Ein bißchen kam man sich dennoch vor wie eine Club-Med-Animateurin, die das erschöpfte Publikum zum Ende des Abends (nach der Öko-Mode gab es Abendessen!) etwas aufspaßen muss, aber eine Frage aus dem Publikum, das vornehmlich Anzug oder Kostüm trug, war absolut richtig: „Haben sie auch was fürs Business-Segment?“ Schließlich wolle man nicht bis abends warten müssen, um die grüne Ware an der Spree entlang zu tragen, sondern schon zum nächsten Workshop was sauber und sozialverträgliches Hergestelltes tragen, was ein bißchen nobler sei.
Stimmt, mein Rasterblick durchs gesamte Sortiment ergibt: Keine Anzüge. Es fehlt das kreative Angebot. Jeans und weißes T-Shirt – ja, aber Krawatte, Anzug, Socken? Fehlanzeige. Bitte entwerft und zeigt doch was, was auch ein ernsthafter Mensch, der die Welt retten will, ins Ministerium anziehen kann?
Achtung: Männer!
Natürlich denken die männlichen Alt-Ökos jetzt: Ha, uns schert das alles gar nicht. Ja, stimmt. Zumeist kümmert ihr euch nicht um eure Erscheinung. Das Ergebnis ist bedauerlich.
Die grünen Männer, die ich kenne, halten sich für gut angezogen, wenn sie ein Handy oder – schlimmer – ein ledernes Etui mit Werkzeug am Gürtel tragen. Und selbstverständliches ein schlechtsitzendes T-Shirt aus dem Billig-Paradies.
Liebe grüne Männer, es ist auch bei euch Zeit für eine furchtlose Inventur des Kleiderschrankes!
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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