05 Dez, 2012
Textilindustrie auf Entgiftungskur
Nonylphenolethoxylate (NPE), Phtalsäureester (Phthalate) und aromatische Amine. Bevor Kirsten zur Detox Kampagne von Greenpeace International ging, hatte ich davon noch nie gehört. Wie wohl die Meisten habe ich bei Nachhaltigkeit und Mode erstmal an ökologische Rohstoffe, Recyclingfähigkeit und faire Arbeitsbedingungen auf Baumwollfeldern und in Nähfabriken gedacht.
Doch das sogenannte Processing, also das Färben und „Ausrüsten“ mit besonderen Eigenschaften (Knitterfrei, Vintage, Schmutzabweisend) von Fasern und Textilien, hat häufig ökologisch sowie für involvierte Arbeiter und Anlieger ähnlich dramatische Auswirkungen, wie der pflanzenschutzmittelintensive konventionelle Baumwollanbau.
11 besonders problematische Chemikaliengruppen hat Greenpeace in der bisherigen Detox Kampagne besonders fokussiert und sie bei Labortests von Kleidung diverser nahmhafter Modemarken und -ketten alle gefunden. Mit dabei Jeans, Hosen, Kleider, T-Shirts und Unterwäsche von Armani, Benetton, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, Gap, H&M, Jack&Jones, Levi’s, Mango, Marks&Spencer, Metersbonwe, Only, Tommy Hilfiger, Vero Moda, Victoria’s Secret und Zara. Die komplette Studie gibt es hier.
Hatten sich 2011 bereits Puma, Adidas, Nike, Li Ning, H&M, C&A und Marks&Spencer von Greenpeace zu einer Entgiftung ihrer Produktion bis 2020 verpflichten lassen, hatte Greenpeace diesmal besonders Zara und die hinter der Marke stehende Inditex Gruppe im Visier. Mit Erfolg. Kaum mehr als eine Woche nach Veröffentlichung der Greenpeace Studie und einigen medienwirksamen Aktionen an Zara Filialen weltweit, beugte sich der derzeit größte Fast-Fashion-Anbieter dem öffentlichen Druck und kündigte ebenfalls seine Entgiftung an.
Natürlich dürfen wir bei all der Begeisterung über die Erfolge der Kampagne nicht vergessen, dass das Processing eben nur eine der dunklen Seiten der Modeindustrie ist. Anders als von Spiegel Online verbreitet, kann man natürlich auch weiterhin nicht mit gutem Gewissen bei Konzernen kaufen, solange deren Mode auf pestizidgetränkter Baumwoll oder Erdölfasern basiert, die von schlecht bezahlten Arbeiter_innen unter menschenunwürdigen Bedingungen zu Kleidung verarbeitet werden.
Und ja, was adidas, Puma, H&M und Co unterschrieben haben, ist erstmal nur eine Selbstverpflichtung und das hat z.b. in der Automobilindustrie mit CO2 mal so gar nicht geklappt. Aber Greenpeace fährt hier eine doppelte Strategie und setzt sich auch mit dem Gesetzgebern an einen Tisch. Sind erstmal relevante Teile der Industrie zum Verzicht auf einzelne Stoffe bereit, lässt sich dieses sehr viel leichter auch gesetzlich verankern. Im Zweifel sogar mit Unterstützung der entsprechenden Konzerne.
Von Ethical Fashion sind die Großen noch weit entfernt. Wie dringend es ist, ihnen aber dennoch auch in Einzelbereichen Fortschritte abzuringen, zeigt ein aktueller Greenpeace Bericht von „der Quelle der Vergiftung“. Hoffen wir, dass nach dem Einlenken der Konzerne sich auch politisch etwas bewegt und damit die gesamte Modeindustrie zum Handeln zwingt.
Wie einzelne ökologische Zertifizierungen/Siegel beim Thema Processing abschneiden, hat Greenpeace Deutschland in einem neuen Textil-Guide veröffentlicht. Für fortgeschrittene grüne Mode Anhänger sind die Ergebnisse sicher keine große Überraschung. Trotzdem klare Leseempfehlung!
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
Veröffentlicht in: News