07 Nov, 2012

Grüne Harmonie bei den Textilriesen

Es ist nun schon ein paar Wochen her, da tagte in Hong Kong die Sustainable Textiles Conference, organisiert von der Non-Profit-Orgaisation Textile Exchange. Mit dabei die Sustainable Apparel Coalition (SAC), ein Zusammenschluss großer Textilkonzerne wie Levi’s, Nike, adidas, h&m, Timberland, Otto Group und viele mehr – auch Patagonia.

Wenn die Großen zusammenkommen, geht es natürlich auch um große Projekte. Das wohl größte hört auf den Namen Higg. Nein, die Großen haben weder das geheimnisvolle Elementarteilchen (Higgs-Boson) gefunden, noch haben sie alle Schluckauf. Der Higg Index ist letztlich die Verständigung auf eine gemeinsame Bewertung der Nachhaltigkeit von Textilien. Das klingt erst einmal gut, denn es könnte diversen Grünwaschprogrammen der Konzerne ein Ende setzen. Könnte. Bisher sieht es allerdings eher so aus, als wenn Higg die Grünfärberei noch potenziert.

Generell gibt es nur Pluspunkte für positiv bewertete Materialien und Prozesse, aber keine Abzüge für die Verwendung besonders umweltschädlicher Materialien wie PVC oder konventionelle Baumwolle oder das Fehlen jeglicher Kläranlagen. Das Produkt ist dann einfach nur etwas weniger gut.
Brisant auch: für die Verwendung von Bio-Baumwolle gibt es genauso viele Punkte wie für die Verwendung von Baumwolle aus den weder biologischen und fairen Anbausystemen Cotton made in Africa (CmiA) und Better Cotton.

Soziale Standards werden bisher nicht betrachtet, doch das ist bereits geplant. Ich bin gespannt, was da dann so alles in einen Topf geschmissen wird.
Und natürlich bedarf es für die Higg Index Bewertung auch keiner externen Kontrolle. Das umfangreiche Tabellenwerk wird von Herstellern und Lieferanten selbst ausgefüllt.

Bisher wird Higg nur intern eingesetzt und ermöglicht so einen Vergleich von Produkten und Herstellungsvarianten. Geplant ist jedoch, Higg auch in der Kommunikation mit Konsumenten einzusetzen und vor allem auch am Produkt. Irgendwann könnte dann bei allen Produkten der zahlreichen großen Mitgliedskonzerne ein einheitlicher Nachhaltigkeitsindex auf den Etiketten abgebildet sein.

Das wäre ja auch wünschenswert, wenn es sich um eine unabhängige und sachgemäße Bewertung handeln würde. Beim Higg Index bestimmt aber die Großindustrie, was gut ist und was noch besser. In der heutigen Variante würden Produkte sehr engagierter grüner Pioniere dabei kaum mehr Punkte bekommen, als die hellgrünen Linien der Textilriesen. Und die Einheitlichkeit und nicht zuletzt auch Patagonias Mitwirken verschafft dem Ganzen sicher bei vielen Verbrauchern eine hohe Glaubwürdigkeit.

Nach dem sie nun ihre Baumwollsysteme Cotton made in Africa und Better Cotton frech als „nachhaltige Baumwolle“ vermarkten, ist dies ein noch umfassenderer Versuch großer Textilkonzerne die Definitionsmacht in Sachen Nachhaltigkeit an sich zu reißen. Doch noch bleibt Zeit, um den Higg-Jüngern einen kräftigen Schluckauf zu verpassen. Vielleicht bringen sie ja dann doch noch etwas Elementares zustande.

Grüne Brands tun auf jeden Fall gut daran, Higg einfach schon heute an Transparenz zu übertreffen und ebenfalls gemeinsam zu agieren. Eine erste Initiative dazu präsentiere ich hier nächste Woche…

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

Hier finden Sie alle Artikel von .

Veröffentlicht in: News

9 Kommentare auf "Grüne Harmonie bei den Textilriesen"

1 | Stefan

November 8th, 2012 at 12:05

Avatar

HIGG, mir wird schlecht. Im stillem Kämmerlein giftige Suppe mit Phrasen würzen, mit einem Bruchteil guter Zutaten vermischen und so dem Kunden ein ungeniessbares Menü präsentieren, dass „a la carte“ diniert wird. Zumal kein unabhängiger Teilnehmer das überprüft und bewertet. Aber selbst ein großer Tierschutzfond gibt sich für „nachhaltige“ Kampagnen anderer Art her und versaut sich so seinen Namen. Wer sich auskennt und damit beschäftigt, erkennt zum Glück welche böse Imagewäscherei ohne Nutzen für Natur und Mensch dahinter steckt.
Aber eine weitere Initiative, Siegel, Index etc, egal von wem, sorgt im ohnehin schon großen Siegeldschungel für noch mehr Verwirrung. Wir grünen Modelabels müssen weiter positiv aufklären, an Bildung teilhaben und mit Ausdauer und stolzer Brust unseren Weg zeigen. Ob mit oder ohne Siegel.

2 | Christian Kupsch

November 9th, 2012 at 19:03

Avatar

Schon erschreckend mit viel Energie die Großen daran gehen die ‚Definitionsmacht‘ zu sichern.
Auf der anderen Seite allerdings auch ein Zeichen dafür wieviel Angst sie eigentlich vor den kleinen, grünen Labels und der ‚slow fashion‘ haben. Soviel Potential sehen also die Großen in nachhaltiger Mode. Ein Grund mehr, weiter dafür einzustehen und den Leuten „echte grüne Mode“ zu zeigen (genauso wie die klassiche Bio-Lebensmittel-Branche gerade gegen Bio vom Discounter aufklären muss).

Keep fighting the good fight ! :)

3 | Die 10 besten Nachhaltigkeits-Blogs und Blogger - Grünsparen statt schwarzärgern!

November 13th, 2012 at 11:29

Avatar

[…] diesen Bereich interessiert, sollte unbedingt einmal den Artikel über den vermeintlich grünen Higg Index lesen. Dieser zeigt sehr schön auf, dass die großen Konzerne zwar nach außen viel die Umwelt […]

4 | anni42

November 18th, 2012 at 21:51

Avatar

Hi, habe gerade so eine Ranking-Seite gefunden: Ist das was? Kommt mir komisch vor, da sogar H&M ein B bekommen hat…
http://rankabrand.de/home/was-wir-tun

Wenn Ihr mal ein Minütchen Zeit habt, schaut es euch doch mal bitte an. Vielen Dank + LG Anja

5 | Marco Köhrsen

November 22nd, 2012 at 06:01

Avatar

Das klingt wirklich sehr danach, als ob die Großen sich jetzt auf den Nachhaltigkeits Zug setzen wollen. Dann wird mit fleißiger Lobbyarbeit großes Marketing angestoßen, dann berichtet der Monitor etc. und was am Ende bei denn Leuten hängen bleibt ist, dass man allem, was sich mit eigentlich positiven Attributen wie Bio oder Nachhaltig schmückt sowieso nicht trauen kann. Und kleine Labels wie wir, die sich die Produktion immer sehr genau anschauen, verlieren durch die (aus Sicht der Großen erfolgreiche) Arbeit mühsam aufgebautes Vertrauen. Zum Glück gibt es immer mehr Leute, die auch diese wenig subtilen Machenschaften internationaler Konzerne durchschauen und auch handeln.

6 | Lars

November 22nd, 2012 at 09:48

Avatar

@| anni42: rankabrand hat leider eine recht unkritische Sichtweise auf das Thema CSR. Es wird ja erstmal nur CSR-Kommunikation und vermeintliche Transparenz des Unternehmens bewertet und in der Kommunikation ist h&m gerade was die Masse angeht tatsächlich Spitze.

Wenn du dir die einzelnen Punkte anschaust, wo h&m positiv abgeschnitten hat, dann wird deutlich, wo das Problem liegt. z.b. gibt es schon dann Pluspunkte, wenn ein Unternehmen zu mindestens 5 % umweltfreundliche Materialien einsetzt. Das tut h&m vermutlich nicht einmal, denn nur innerhalb der verwendeteten Baumwolle kamen sie mal auf über 5 % bio. Da sie aber auch sehr viel Polyester, Viskosen etc. einsetzen, wird der Anteil am eigentlich abgefragten Gesamtvolumen wohl kaum 5 % erreichen.

Die Zusage zu Greenpeace Detox ist zunächst nicht mehr als eine Absichtserklärung, vergleichbar mit der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie hinsichtlich CO2, die ja letztlich auch nicht umgesetzt wurde.

Einen Kodex mit Arbeitsstandards hat heute jedes Unternehmen. Interessant ist doch nur, ob diese Standards auch umgesetzt werden. Hier wird wieder nur das Bekenntnis abgefragt. Und zwischen FLA Mitgliedschaft und Fair Wear Foundation Mitgliedschaft liegen auch noch klare Unterschiede.

Fazit: als Annäherung an eine Marke ist rankabrand nicht schlecht, verzerrt jedoch erhblich die Unterschiede, da es auf ja/nein Antworten mit niedrigen Schwellen und zu undifferenzierten Kriterien beruht.

Ob z.b. eine Marke 100 % Ökomaterial oder nur 5 % einsetzt, macht da in der Bewertung keinen Unterschied.

7 | Grüne Mode – Kirsten Brodde – Blog » Blog Archive » Harmonie der grünen Avantgarde

Dezember 23rd, 2012 at 14:10

Avatar

[…] ist. Wer es verpasst hat und sich trotz Weihnachtszeit nochmal ein bisschen aufregen möchte, kann hier […]

8 | Tim

Januar 7th, 2013 at 22:33

Avatar

Was denkst du/ ihr zu Haglöfs Proof?
Danke und Grüße!

9 | Grüne Mode – Kirsten Brodde – Blog » Blog Archive » Copenhagen Fashion Summit #insideout

April 30th, 2014 at 12:17

Avatar

[…] globalen Textilkonzerne) präsentierte den aktuellen Stand des HIGG Index. Wie wir bereits Ende 2012 dargelegt haben, arbeitet die SAC daran, eine markenübergreifende Ampel-Kennzeichnung herauszubringen, die die […]