27 Jan, 2009

Feiere deine Wolljacke

Photo: ©AFP PHOTO/Jaime Razuri

Nach dem Jahr der Kartoffel (2008), dem Jahr des Reises (2004) und dem Jahr der Berge (2002) feiert die UN jetzt das Jahr der Naturfasern. „Wild and woolly“ (deutsch: „Wild und ungezähmt“) lautet das Motto. Natürlich geht es nicht nur um Tierhaare wie Wolle, sondern auch um pflanzliche Fasern wie Baumwolle oder Flachs. Havez Ghanem, einer der Direktoren der Welternährungsorganisation FAO, erklärte zum Auftakt, wie wichtig die Produktion von Naturfasern für ärmere Nationen ist. Oft macht er mehr als die Hälfte der Exporterlöse aus.

Weltweit werden jährlich 30 Millionen Tonnen Naturfasern hergestellt, die andere Hälfte unseres jährlichen Faserbedarfs stammt aus der Chemiefabrik, sprich es sind Kunstfasern. Wahrlich King ist die Baumwolle, von der jährlich 25 Millionen Tonnen geerntet werden. Erstplazierter unter den tierischen Fasern ist die Wolle mit 2,2 Millionen Tonnen – allein ein Viertel davon stammt aus Australien.

Ich teile die Begeisterung der UN für die Vielfalt der Naturfasern, darunter Stiefkinder wie Sisal, Jute oder Abaca (aus der Bananenpflanze). Bei allem Respekt für die Feierei heißt aber „Naturfaser“ natürlich nichts. Im Gegenteil. Bei Baumwolle müsste es heißen: Von Natur keine Spur, so üppig wird diese Pflanze mit Düngern und Pestiziden malträtiert.

Soll heißen: So schön die Aktion ist, international gewichtige Organisation wie die UN oder die FAO sollten betonen, wie wichtig die ökologische Qualität des Anbaus ist. Sonst ist das tatsächlich eine haarige Sache.

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Keine Kommentare auf "Feiere deine Wolljacke"

1 | Ulrike

Januar 28th, 2009 at 07:52

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Nicht nur der Status der Baumwolle als „Naturfaser“ ist fraglich, sondern auch der der Wolle. Ich verarbeite selbst jede Menge Wolle (spinne, stricke, färbe und webe selbst) aber wer Industriegarn verwendet, sollte sich darüber im Klaren sein, dass er oder sie mit superwash und filzfrei und all den anderen „Ausrüstungen“ ein Produkt kauft, das nicht mehr viel mit dem Ausgangsstoff zu tun hat. Einfach mal zu den ganzen „Veredelungen“ der Wolle kundig machen und schwupps merkt man, dass es hier mit Natur nicht mehr weit ist.

Was außerordentlich schade ist, denn Wolle hat überragende Trageeigenschaften und kann es mit jeder „Funktionsfaser“ aufnehmen (außer im Gewicht) und dank moderner Waschmaschinen muss man sich auch keine wirklichen Gedanken mehr über die aufwändige Pflege machen.

Wie wenig „Natur“ mit Natur zu tun hat, merkt man auch an Fasern wie Sojaseide und Bambus. Diese werden seit einiger Zeit als „ökologisch wertvolle“ angespriesen und gerne für Sockenwollmischungen verwendet. Allerdings sind diese Fasern einfach nur Viskosen, die auch aus jeder anderen Pulpe hergestellt werden können. Ein Hauptlieferant für Viskosen sind Eukalyptusbäume. Ich frage mich, wann die Garnindustrie endlich auf die Idee kommt einen Eukalyptusanteil in ihrer (meist Socken-) Wolle zu bewerben. Darüberhinaus wird mit „Sojaseide“ auch noch der Auftrag von genetisch verändertem Soja gefördert. Was hieran noch „öko“ sein soll, weiß ich auch nicht.

Etwas anderes ist es, falls man an Bambusgarn aus Japan kommt. Dort wird es nämlich tatsächlich noch aus den Bambusstengeln in einem etwas komplizierteren Verfahren hergestellt und sieht wunderschön aus. Ebenso echtes Nesselgarn aus den größeren asiatischen Brennesseln. Auch das ist keine Viskose, sondern direkt aus den Pflanzen hergestellt.

Grüße
Ulrike