12 Jul, 2012

Rückblick Berlin Fahion Week 2012

Mensch Berlin, da haben wir aber diesmal echt geschwitzt. Zumindest mir war es für einen Modemarathon echt zu warm. Bei hochsommerlichen Temperaturen 10 Locations in 2 Tagen. Daher auch kaum Zeit andere Brands als die zu besuchen, die wir auch als Händler auf der gruenen wiese führen. Ich werde weitere Berichte sammeln, um die Lücken zu schließen.

Gestartet bin ich am Donnerstag auf der Premium. Die armedangels haben ihre Kollektion weiter ausgebaut. Es gibt nun auch Blazer und Blusen. Hat mir sehr gut gefallen. Ein weiteres Highlight war die neue Kollektion von L’Herbe Rouge. Toller leichter Struktursommerstrick und viel Tencel in unterschiedlichen Varianten. Richtig großartig fand ich, dass die Hosen ab sofort vegan sind. Statt des weißen Lederschildes gibt es ein schickes weißes Schild aus einem papierähnlichen Zellulosematerial.

Gute vegane Neuigkeiten auch auf der Nachbarmesse Seek. Veja hat die Farbpalette seiner veganen Canvas-Sommerschuhe deutlich erweitert und es gibt ein neues veganes Modell speziell für die Mädels.

Konzeptionell sehr ähnlich wie Veja arbeitet das neue, ebenfalls aus Frankreich stammende Sneakerbrand Piola. Statt in Brasilien ist hier die komplette Produktion in Peru angesiedelt. Die Sohlen werden ebenfalls aus Naturkautschuk hergestellt. Es gibt ein veganes Canvas-Modell aus GOTS-zertifizierter Bio-Baumwolle. Das Obermaterial der anderen Modelle ist Leder. Dieses stammt aus lokalen Quellen, ist aber nicht pflanzlich gegerbt. Zertifizierungen über die Baumwolle hinaus gibt es bisher nicht. Stattdessen wird sich per Website um sehr weitgehende Transparenz bemüht, inklusive genauer Ortsangaben zu allen Produktionsstätten. Auch wenn Gerbung und Zertifizierung noch Lücken aufweisen, ist Piola definitiv ein Brand für die Beobachtungsliste.

Weiter gings zur Bread&Butter. KnowledgeCotton präsentierte sich auf größerer Fläche mit schönen neuen Schnitten und Materialien, gewohnt klassisch mit dem gewissen Etwas. Ab Sommer 2013 machen auch die Dänen Schuhe und zwar komplett in Dänemark. Hier ist nicht nur die Gerbung pflanzlich. Das Leder stammt auch von einem Biohof. Also mal wirkliches Bio-Leder. Auch optisch machen die Schuhe echt was her.

Neben KnowledgeCotton ist nudie Jeans die ganz große Erfolgsgeschichte von grüner Mode im Mainstream-Markt. Gemessen am Erfolg der Marke sind die Messeauftritte schon echt ein erstaunliches Understatement, im positivsten Sinne. Hier steht wirklich das Produkt und das Konzept im Vordergrund. Diesmal gab es einen Rundkurs um eine Repair-Station, wie nudie sie auch in seinen Flagship-Stores hat. In 4 Etappen wurde nudies Jeans-Kreislauf vorgestellt. „Breaking In“, also die rohe, unbehandelte Dry Denim eintragen. Dann irgendwann „Repair“. Wer nicht auf stärker reparierte Hosen steht, kann diese für ein „Re-Use“ in den nudie-Läden abgeben (gegen Rabatt auf eine neue) und die machen dann ein Designereinzelstück daraus, was sie weiterverkaufen. Und schließlich recycelt nudie aufgetragene Jeans zu neuem Denim und mischt dabei frische Bio-Baumwolle bei.

Echte Designer-Jeans haben die Kings of Indigo (KOI) im Angebot. Mit wassersparenden Lazer- und Ozon-Waschungen entstehen präzise und zugleich sehr natürlich wirkenden Used-Effekte. Und richtige Jeans-Freaks finden dank KOI nun auch im grünen Bereich edel reparierte Destroyed-Looks und Färbungen. Aber natürlich gibt es auch weiterhin Raw-Denims und leichtere Waschungen, nun auch im Recycling-Bio-Baumwoll-Mix. Abgerundet wird das Ganze durch eine kleine Oberteilkollektion mit feinen Details und Anknüpfung an japanische Schnittformen. Lieblingsshirt gefunden!

Viel Farbe wieder bei Monkee Genes. 2013 wagt man sich auch an Oberteile dran. Die sind allerdings nicht bio, sondern aus Cotton made in Africa. Finde ich unangemessen für das sonst ja komplett GOTS zertifiziert Brand. Hoffe sie überlegen sich das nochmal.

Weiter zur komplett der ökologischen und fairen Mode gewidmeten Ethical Fashion Show, die sich gegenüber der Erstausgabe deutlich vergrößert hat. Erstmals war auch ekn footwear vertreten. Eine ganze Reihe neuer Modelle, unter anderem auch 2 Runner erweitern die Kollektion 2013. Auf der Suche nach veganen, wetterfesten und zugleich ökologischen Materialien war ich vor längerer Zeit mal auf ein Kunstleder aus Recyclingmaterial gestoßen und hatte Noel Klein-Reesink gebeten, da mal einen Schuh draus zu machen. Noel hat sich voll reingehängt und ein erstes Modell kommt schon im Winter. In Berlin hat ekn das Material nun erstmals auf einer Messe präsentiert. Wirkte sehr hochwertig und täuschend echt. Ich freue mich aufs Probetragen in ein paar Wochen.

Mit John W. Shoes, Grand Step, Po-Zu und Caboclo waren noch 4 weitere Schuhhersteller Vertreten. Hier steigt nun endlich die Auswahl für Händler. Von Sneakern über Sandalen bis zu High Heels ist alles dabei.

Wieder sehr experimentierfreudig in den Materialien ist die neue Kollektion von Studio Jux. Schon in der letzten Kollektion gab es ein Paar Teile aus Wood Pulp, einem seideähnlichen aber veganen Material aus Holzresten. Neu ist ein Mischgewebe aus Bio-Seide mit Leinen, das sich super anfühlt. Als eines von sehr wenigen Brands verwendet Jux auch 2013 wieder Hanfmischgewebe und Leinen. Auch ein goldbeschichtetes Material war dabei (nein, kein Echtgold, nur goldfarbend…). JUX goes Glamour. Spannend!

Recolution baut seine Palette solider stylisher Hoodies und Zipper aus. Die ersten neuen kommen schon im Winter auf den Markt und sind wirklich superschön geworden. Wie immer in schwererer und zugleich angenehm weicher Sweat-Qualität. Und eine Hose aus dem tollen Stoff wird es nächstes Jahr dann auch geben.

Ebenfalls auf der Ethical Fashion Show habe ich dann noch an der Podiumsdiskussion zu Cotton made in Africa und Fair Trade Cotton teilgenommen. Weiterhin werden diese Ansätze schön täuschend als „nachhaltige Baumwolle“ zusammengefasst (Grüne Mode berichtete). Neu war für mich dieses Video, das mit einem Aufruf endet, jetzt ganz schnell was aus „nachhaltiger Baumwolle“ zu kaufen – schließlich drängt die Zeit zur Weltrettung. Und neu war mir auch, dass TransFair Deutschland (Danke Alexandra für die Richtigstellung, dass es nicht Fairtrade International ist!) so direkt mit Cotton made in Africa kooperiert. Hellgrüne, neoliberale Ansätze wie CmiA werden durch solche Kooperationen meiner Meinung nach zu unrecht geadelt.

Eine wirklich schwindelerregende Luftnummer lieferte Martyn Bowen, General Manager von PUMA Austria ab. Im perfekten Managersprech wurden Pumas CmiA- und FairTrade-Baumwollprojekte gefeiert. Ziemlich erstaunt war ich dann doch, als meine einfache Bitte CmiA und Better Cotton nicht irreführend als „nachhaltige Baumwolle“ zu bezeichnen entlarvte, dass Herr Bowen deren Standards anscheinend überhaupt nicht kennt. Zumindest sagte er, dass er dachte CmiA sei auch „organic“ und „fair trade“ und flüchtete sich dann in die Aussage, natürlich könne Puma als Weltkonzern nicht in kurzer Zeit 100 %ige Nachhaltigkeit erreichen. Das hatte ja auch keiner verlangt. Aber Kenntnis der eigenen Standards und ihre ehrliche Kommunikation erwarte ich schon.

Den Abend (und auch nicht wenige Stunden der Nacht) habe ich dann beim großen Familientreffen der grünen Modebranche, der INNATEX-Lounge verbracht.  Seit 2010 findet das grüne Networkingevent bei jeder FashionWeek und in den schönen Räumen von Das Hotel statt. Während die grüne Mode am Tage über diverse Messen und Showrooms verteilt ist, kommen hier alle zusammen. Die INNATEX sponsort edle Bio-Snacks und ebenfalls ausschließlich ökologische Getränke. So gestärkt treffen sich hier Laden- und Labelbetreiber aber auch Journalisten und NGO-Vertreter.  Ein großer Dank an das Team von MUVEO/Innatex und insbesondere auch an Pressesprecherin Sabine Lydia Müller von SYMBIOSE EINS* für die zweifelsfrei schönsten Stunden meines Marathons. Jede Menge echt tolle Fotos hier.

Am Freitag gings los mit der Capsule, wo ich mir die neue Kollektion von TWOTHIRDS angeschaut habe. Nochmal etwas weniger klassischer Skate-/Surfstyle und dafür mehr fashionlastig. Einfach verdammt gut. Interessant fand ich, dass TWOTHIRDS die Nachhaltigkeit ihrer Produkte bewusst noch weniger offensichtlich kommunizieren, weil es ihrer Erfahrung nach immer noch viele eher abschreckt. Capsule ist neben der Seek die Messe für vorwiegend kleinere, erwachsene urbane Brands und die mit dem hipsterigsten Publikum. Da zählt vor allem Design und Produktqualität.

Klar auf Skate- und Longboarding ausgelegt ist die Streetwear-Messe Bright. Hier präsentierte bleed seine neuen Kollektion, die durch mehr printfreie, über den Schnitt funktionierende Teile ein gutes Stück erwachsener geworden ist. Hat mir sehr gut gefallen. In Kooperation mit den Standnachbarn von Bastl-Boards wurden zudem ein paar schicke bleed-Longboards präsentiert, handmade in Leipzig aus heimischem Holz.

In Neuköln habe ich dann den neuen Atelierladen von treches besucht. Komplett in schwarz, wobei sich das neue treches Logo in weiß durch den Raum zieht. Hingehen lohnt sich schon alleine für dieses kleine Raumgestaltungskunstwerk. Die neue Kollektion ist erneut avantgardistisch-urban. Ein Kleid ist komplett mit einem Muster aus einem verfremdeten Foto bedruckt, eine Hose ebenfalls. Etwas unauffälliger aber mit tollen Details kommen die Sweater und T-Shirts daher. Einen kleinen Einblick gibt es hier.

Beendet habe ich den Marathon bei Melchior und Felicia von slowmo in ihrem Atelierladen in Friedrichshain. Die Kollektion „FOKUS“ hat eine tolle Farbpalette und großartige Jersey-Tops und -Kleider. Am meisten begeistert hat mich aber der luftigleichte Sommerstrick mit klaren, feinen Mustern, sowie ein Cardigan mit edlen Glasknöpfen. Slowfashion in Vollendung würde ich sagen. Für mich eines der absoluten Highlights dieser Fashion Week und ein wunderbarer Abschluss.

Weitere Berichte gerne als Link-Post in den Kommentaren, insbesondere auch zu all den Brands und Events, die ich verpasst habe. Bis bald, Berlin.

     
 Lars Wittenbrink   Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs.

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6 Kommentare auf "Rückblick Berlin Fahion Week 2012"

1 | Fr.Jona&Son

Juli 12th, 2012 at 19:46

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Großartige Zusammenfassung der grünen Berlin Fashion Week im atemberaubenden Tempo! Danke Lars.

2 | Lars

Juli 12th, 2012 at 20:16

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@Fr.Jona&Son: Und du füllst auch gleich eine meiner großen Lücken:
http://fraujonason.blogspot.de/2012/07/die-kleinen-dingeein-kleiner.html
Also großes DANKE auch an dich!

3 | Alexandra - Future for Cotton

Juli 13th, 2012 at 09:56

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Lieber Lars,
vielen Dank für Deinen fast schon schwindelerregenden Rundumschlag zur Fashion Week.
Bezüglich Deiner Darstellung zur Podiumsdiskussion möchte ich ein paar Anmerkungen machen:
1) Die Veranstaltung war nicht von Better Cotton, CMIA und Fairtrade International – die Aktivitäten werden von CMIA, TransFair Deutschland und mir – als eine Stimme für Bio – getragen.

2) Aus meiner Sicht gilt es zu unterscheiden, was eine Zusammenarbeit zwischen den Standards bzw. Konzepten angeht – FLO ist für die Standard-Setzung und die Arbeit auf dem Feld bz. bei und mit den Bauern zuständig, und hat mit dem in Berlin vorgestellten Projekt nichts zu tun. Die „Verurteilung“ von FLO finde ich hier völlig fehl am Platz.
FairTrade Deutschland, die in diesem Fall die Kooperation eingegangen ist, ist für die Sensibilisierung der Bevölkerung in Deutschland zuständig. Ich bin überzeugt, dass hier Kooperation sinnvoll ist, um Verbraucher zu erreichen, die sich NICHT mit grüner Mode auseinandersetzen.
Die Menschen, die diesen Blog lesen, gehören da sicher nicht dazu, und in den Fachkreisen kann und soll man über Standards, Abgrenzungen, positive Merkmale und noch vorhandene Defizite streiten.
Unsere Meinung über Sinn oder Unsinn der Kooperation liegt in diesem Fall auseinander. Ich bin mir sicher, wir werden sicher weiter unsere Argumente austauschen.

3) Den Film finde ich keinesfalls peinlich. Auch hier ist die Zielgruppe eine andere als die aufgeklärten EcoFashion-Fans. Auf nette Art und Weise werden Probleme und Lösungsansätze im Baumwollanbau dargestellt und ein einfacher Apell für „Augen auf beim Einkauf“ gemacht. Sicher, es werden nicht die Unterschiede zwischen den Standards herausgearbeitet. Es geht um die Abgrenzung zur Waren, die keinerlei Aussage zur Baumwolle macht. Die Differenzierung, wofür die unterschiedlichen Ansätze stehen, wird auf der der Webseite http://www.sustainable-cotton.net vorgenommen. Auch hier kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein, ob das sinnvoll oder schädlich für die einzelnen Standards ist.

Ich freue mich auf weitere heiße Diskussionen!

4 | Lars Wittenbrink

Juli 13th, 2012 at 13:30

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Hallo Alexandra,

danke für die Richtigstellung bezüglich FLO. Habe das auch gleich im Text korrigiert.

Von wem die Veranstaltung war, habe ich gar nicht geschrieben. Sondern, dass es um diese Ansätze ging. Um BI natürlich nicht explizit, aber da gibts doch auch Kooperation und Integrationsansätze mit CmiA, wenn ich das richtig verstanden habe, oder nicht?

Hinsichtlich der Außenwirkung der Kooperation von TransFair und CmiA haben wir wohl wirklich unterschiedliche Einschätzungen. Ich wurde gerade heute morgen wieder mit der Wahrnehmung konfrontiert, dass C&A ja auch nur noch Bio-Baumwolle macht und Otto mit CmiA sogar noch fair trade dazu.

Genau diese gleichstellende Außenwirkung und die „mit Shopping die Welt retten“-Aussage, hat mich in dem Video so geärgert. Die differenziertere Website dahinter wird ja viel weniger Menschen erreichen. Habe die Formulierung dennoch angepasst, weil „etwas peinlich“ vielleicht wirklich unpassend ist.
Mir ging es darum, dass das Video eigentlich sehr aufklärerisch wirkt, aber eben auch konsumistische und eher verwirrende Botschaften sendet. Gerade weil es sich ja nicht an Experten wendet, finde ich das ärgerlich.

Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit so expliziter Kaufaufforderung stützt zudem auch gerne das Vorurteil, dass „die Unternehmen“ alle nur ordentlich Geld mit Bio und Co machen wollen.

5 | Michelle

Juli 15th, 2012 at 20:39

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greenwashing ist gerade bei größeren Konzernen wohl an der Tagesordung
Oder ist es so, dass viele garnicht mehr hinter die Bühne blicken können, und alles auf dem Paier stehende glauben müssen.

6 | Christian Kupsch

Juli 16th, 2012 at 14:08

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Ich stehe da voll auf Lars‘ Seite was die „Verwaschung“ von Standards durch unglückliche Kooperationen und unklare Formulierungen/Infos angeht.
Denn sind wir mal ehrlich: Die Welt müsste auch inklusive GOTS & fair trade einen noch viel deutlicheren ‚paradigm shift‘ durchmachen, um sich tatsächlich „zu retten“.
Die Gewissen der Konsumenten mit Mini-Detail-Verbesserungen zu beruhigen hat nichts mit einer Verbesserung oder gar Rettung der Welt zu tun, sondern ist lediglich ein Versuch sich (oder die Kunden) besser zu fühlen.

Den Paradigmenwechsel schaffen wir also nicht durch schwammige Mini-Details, sondern durch klare, abgegrenzte Botschaften und Alternativen.
Beispiel: Also nicht zwei neue Paar aus der neuen Puma-Schuhkollektion (jetzt mit einem kleinen Anteil besserer Baumwolle), sondern stattdessen nur ein Paar von ekn. :-)

Christian