15 Jun, 2012
Flipflopflop?
Hier in Münster macht der Sommer gerade eine längere Pause aber im Süden des Landes ists ja weiterhin schön warm und auch bei uns kommt er hoffentlich bald zurück. Sommer, das ist immer auch die Zeit für das wohl minimalistischste aller Schuhwerke: den Flipflop
Es läge ja nahe zu vermuten, dass gerade diese Treter problemlos auch in grün und gut erhältlich sind. Leider ist es aber gar nicht so einfach, wirklich ökologische und faire Zehensandalen zu finden. Und die konventionellen haben es in Sachen Weichmachern so sehr in sich, dass hier nicht nur Produzent_innen und Umwelt, sondern auch die Konsument_innen gefährdet sind.
Schon etwas länger gibt es Zehentreter von Ethletic aus 100 % Naturkautschuk. Sie sind etwas schwerer und nicht ganz so weich, aber kommen dafür auch ohne gefährliche Weichmacher aus.
Bis zum letzten Sommer gab es schicke Zehensandalen aus Recyclingmaterial von Simple Shoes, doch – wie berichtet – wurde diese Ökoschuhmarke komplett eingestellt.
Neu auf dem Markt ist dafür die Marke Boombuz. Seine in der Tschechien produzierten Strandsandalen preist das Unternehmen als Geheimwaffe gegen Müllberge an, da sie 100 % kompostierbar und biologisch abbaubar seien. Hier wird also die Rückführung in den natürlichen Kreislauf angestrebt, auch Ökoeffektivität genannt (Markenname Cradle-to-Cradle).
Soweit, so gut. Aber was ist mit dem Ausgangsmaterial und dem Prozess, in dem der Schuh entsteht? Der ist wohl leider nicht ganz so umweltfreundlich. Letztlich handelt es sich um einen konventionellen sogenannten „Bio-Kunststoff“ (PLA, Polylactide) aus Abfällen konventionell angebauter Raps-Monokulturen. PLA kann laut made-by-Faserbenchmark ökologisch höchstens als drittklassig gelten. Auch eine Studie des Umweltbundesamtes bestätigt generelle Zweifel an der ökologischen Vorteilhaftigkeit von Bio-Kunststoffen, insbesondere dann, wenn sie aus Ressourcen konventioneller Monokulturen hergestellt und zur Kompostierung statt eines werkstofflichen Recyclings vorgesehen sind.
Es ist wirklich nicht ganz einfach mit den Ökobilanzen. Wenig erstaunlich ist es daher auch, dass sich in der Boombuz-Händlerliste auch grüne Modehändler finden. Zumindest giftfreier als die erdölbasierten Alternativen dürften die Boombuz-Treter wohl sein. Umweltfreundlicher hingegen entgegen der Behauptung eher nicht. Für Händler wie Konsumenten gilt weiterhin, dass bei neuen, vermeintlich ökologischen Fasern und Materialien genau hin geschaut werden muss. Ein Einstieg dazu hier.
Völlig recht hat Boombuz damit, dass Schuhe im Allgemeinen wegen ihrer komplexen Zusammensetzung schwer zu recyceln sind. Das gilt für so ziemlich alle Schuhe – bis auf Flipflops. Liegt es da nicht viel näher bei diesem einfachen Schuhwerk den anderen Kreislauf des Ökoeffektivitätskonzepts, also den technischen Kreislauf des Recyclings anzustreben?
Diesem Konzept folgt Okabashi. Und damit auch wirklich aufgetragene Schuhe zurückkommen, bieten sie ein Rücknahmesystem über Händler sowie eine einfache Rücksendemöglichkeit an. Zunächst nur für die USA, denn da werden die Schuhe und das Material produziert. Konzepte für die Rücknahme in Europa sind aber bereits in Arbeit. Neue Okabashi Zehentreter bestehen derzeit zu 25 % aus alten Okabashis sowie Produktionsresten des selben Herstellers.
Leider gibt es auch hier 2 Aspekte, die meine anfängliche Begeisterung stark dämpfen. Zum einen handelt es sich bei dem patentierten Material namens Microplast von Okabashi letztlich um eine PVC-Variante, wegen der enthaltenen Weichmacher auch „Poison-Plastic“ genannt. Zweitens muss beim PVC-Recycling immer auch neues PVC beigemischt werden, da die Qualität des Materials mit jedem Einschmelzprozess abnimmt. Dass dies auch für Microplast gilt, wurde von Okabashi bestätigt. Der Kreislauf ist also längst nicht so geschlossen, wie es sich zunächst anhört.
Bisher nicht kreislauffähig, aber dafür aus ökologisch vertretbaren Materialien sind die Strandsandalen von Snipe. Die Sohle besteht wie bei den Ethletics aus Gummi-Latex. Für die Riemen kommen chromfrei gegerbte Leder plus Jute zum Einsatz. Eine lederfreie Variante gibt es leider nicht. Schade, denn funktional ist es bei einer Strandsandale wirklich nicht notwendig Leder zu verwenden. Produziert werden Snipe-Schuhe in Portugal.
Vegane Zehentreter mit Sohlen aus 50 % recyceltem EVA gibt es beim Marktführer unter den Surf-Sandalenherstellern reef. Neben diesem Modell sind weitere Modelle mit Recyclingsohlen zu finden. Die dann allerdings mit Lederriemen. Das Leder ist LITE zertifiziert und damit wasser- und energiesparend verarbeitet, aber eben nicht chromfrei und somit kein Ökoleder. Ein faires Produktionskonzept gibt es leider auch nicht.
Die Auswahl an überzeugenden Alternativen ist also derzeit noch sehr begrenzt. Aber zumindest sind einige Ansätze vorhanden, deren Weiterentwicklung wir mit Spannung beobachten werden. Und vielleicht sind eure alten Zehentreter ja auch noch gut genug für diese Saison, sodass ihr mit einer Neuanschaffung noch warten könnt.
Oder ihr baut euch selbst Recycling-Sandalen, wie die oben gezeigten aus Isomatten und Stoffresten, die jüngere und ältere Mitarbeiter_innen der Evangelischen Jugend Enger gemeinsam im Rahmen eines Kreativworkshops gebastelt haben.
Auf viele schöne Flipfloptage 2012!
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Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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