04 Apr, 2012
Nice NICE oder Bluewashing
Bluewashing? – nein, es geht nicht schon wieder um Jeans. Blau ist auch die Farbe der Vereinten Nationen (UN) und die sind neben Krieg und Frieden auch im Bereich der Nachhaltigkeit aktiv. Unter anderem haben verschiedene Unterorganisationen der UN den „Global Compact“ gegründet. Das ist ein Pakt zwischen der UN und Unternehmen über soziale und ökologische Mindeststandards der Unternehmensführung. Die Standards lesen sich erstmal gut. Um teilzunehmen müssen sich Unternehmen nur zu diesen Standards bekennen und jährlich einen Fortschrittsbericht verfassen.
Und das ist genau das Problem. Es gibt keine Kontrolle, ob teilnehmende Unternehmen sich auch nur wenigstens Mühe geben einer Einhaltung näher zu kommen – oder ganz bewusst gegen den Packt verstoßen. So sind z.b. auch Moderiese h&m und Sportbekleidungsgigant Nike schon viele Jahre dabei. Die Sanktions- und Kontrolllosigkeit des Instruments wurde von Beginn an von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Hier ein aktueller Artikel dazu aus dem britischen Guardian.
Weil die UN jedoch allgemein in der breiten Bevölkerung einen recht positiven und glaubwürdigen Ruf genießt, lässt der Global Compact teilnehmende Unternehmen schnell engagierter aussehen als sie es eigentlich sind. In Analogie zum Greenwashing wurde dafür der Begriff Bluewashing geprägt.
Nice (dt: fein/gut) ist daran leider erstmal nichts. Aber NICE (Nordic Initiative, Clean and Ethical) ist eine Businessinitiative des skandinavischen Branchenverbands NFA (Nordic Fashion Association), die zumindest vorgibt große Anstrengungen für eine nachhaltigere Modeindustrie zu unternehmen. Und NICE kooperiert mit dem Global Compact. Gemeinsam will man den ersten branchenspezifischen Global Compact Kodex veröffentlichen, basierend auf dem bereits bestehenden Kodex von NICE. Auch der NICE-Kodex liest sich erstmal gut, aber typisch für reine Unternehmensinitiativen gibt es wiedermal kein Bekenntnis zu existenzsichernden Löhnen und unabhängige Kontrollen sind natürlich auch nicht vorgesehen.
Zu befürchten ist, dass hier ein neuer zahnloser Tiger entsteht, im schlechtesten Fall sogar noch mit irreführendem Siegel, das auf Kleidungs-Etiketten gedruckt werden darf. Das wäre dann eine Einladung zum Bluewashing im großen Stil. Auf dem Copenhagen Fashion Summit am 3. Mai wird der neue Kodex erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Hoffen wir, dass es anders kommt.
NICE hätte zumindest auch das Know-How und den Einfluss wirklich Positives in Sachen nachhaltigerer Textilindustrie zu bewegen. Der 10-Jahresplan beinhaltet klare Worte zu den gegenwärtigen Missständen und nennt auch die wichtigsten unternehmerischen Lösungsansätze. Nur schön freiwillig soll natürlich alles sein. So auch in der wirklich lesenswerten NICE-Studie zu nachhaltigerem Modekonsum. In dieser ist so ziemlich alles an Strategien vertreten, was in den letzten Jahren von grünen Unternehmen und NGOs entwickelt wurde. Selbst die Notwendigkeit längerer Nutzungsdauer und einer Entschleunigung der Modezyklen wird angesprochen.
Ein ungutes Gefühl hingegen erzeugt, welche Aufgaben Regierungen angetragen werden, bzw. vor allem welche nicht. So sollen Regierungen mit Kampagnen die Konsumenten zu nachhaltigerem Konsum anhalten, in der eigenen Beschaffung nachhaltige Produkte bevorzugen und freiwillige Selbstverpflichtungen mit Unternehmen abschließen. Ich freue mich ja immer riesig über freiwilliges Engagement von Unternehmen. Aber mit freiwilligen Selbstverpflichtungen haben wir nun gerade in Deutschland schon umfassende ernüchternde Erfahrungen. Der große Hebel regulativer Politik ist der Studie hingegen nur einen Halbsatz wert.
Ich habe beschlossen Unternehmensverbänden in Sachen Nachhaltigkeit nur noch dann über den Weg zu trauen, wenn sie sich für eine anspruchsvolle sozial-ökologische Regulierung ihrer eigenen Branche stark machen. Das sind dann Regeln an die sich alle halten müssen und das mit ihrer gesamten Produktpalette. Grüne Feigenblatt-Kollektionen und glitzernde CSR-Kommunikation bringen uns einfach nicht wirklich weiter. Also liebe Damen und Herren von NICE. Legen sie vor. Dann gibt es auch ein SUPERNICE von mir!
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |
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