12 Nov, 2008

Dilemma

Ha! Da ist es wieder! Das Dilemma! Die Zwickmühle! Wie bekomme ich beides? Klamotten, die bio und fair sind, sauber und sozialverträglich, ohne Gift und mit viel Gerechtigkeit!

Bekleidungsriese H&M, der jetzt am Pranger steht, hat eine durchaus sehenswerte Bio-Kollektion, die sie unter dem hauseigenen Label „Organic Cotton“ vermarkten. Aber wo ist die bloß hergestellt?

Etwa auch in den Bekleidungsfabriken in Bangladesch, wo sie den Rest herstellen lassen? Wo ein strenger „Code of Conduct“ des schwedischen Bekleidungsmultis gilt und trotzdem vieles mies läuft? Die Antwort ist: Ja. Zwar nicht im „House of Sunshine“ in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, was just im Fokus stand, aber dennoch eben auch in einem Land, wo die Textilarbeiterinnen so erbärmlich bezahlt werden, dass sie von ihrer Arbeit nicht in Würde leben können. Und ist das in China und Indien anders, wo auch Kleidung aus Biobaumwolle genäht wird, anders ist? Wahrscheinlich nicht. Biobaumwolle ist das Material der Stunde und ganz weit vorne und trotzdem stecke ich in einem Dilemma. Denn ich will beides!

No dirt in my shirt! No sweat in my sweatshirt!

Und das ist bei den Großen der Branchen schwierig. Trotzdem will ich sie nicht vom Haken lassen, sondern zwingen, ökologisch u n d ethisch korrekt zu produzieren. Sie sollen zweigleisig fahren, nur dann ist ihre Kleidung wahrlich sauber. Warum kann H&M nicht einfach die Löhne verdoppeln und das werbemäßig so ausschlachten wie ihre Ökokollektion? Hey, dann wären sie doppelt gut.

Und ich sehe diese Schlacht toben. Auf Karmakonsum („Just do the ecolution“) haben es die Macher gestern gewagt, den neuen Laufschuh von Nike aus der Ökokollektion „Considered“ vorzustellen. Nike zielt darauf, ihre Sachen so sauber zu produzieren, dass sie kreislauffähig sind. Das ist zweifellos fortschrittlich. Aber wo wird die Considered-Serie produziert. Die Kritiker unter den Blogger vermuten – wohl zu Recht – in denselben Fabriken wie der üble Rest….und nicht immer sozialverträglich.

Solange wir noch nicht beides haben können, werden wir uns entscheiden müssen – was liegt uns mehr am Herzen? Das Wohl der Näherinnen oder das Wohl der Natur? Nachdenken müssen wir darüber – zumindest, wenn wir auch bei den Multis kaufen wollen. Die Zwerge lassen ja alle voll korrekt in Kreuzberg nähen….und das macht sie liebenswert.

P.S. Ich wünsche mir zu Weihnachten den Laufschuh aus der deutschen Laufschuhmanufaktur in Meck-Pomm…..

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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8 Kommentare auf "Dilemma"

1 | WL

November 13th, 2008 at 19:29

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habs schon bei dem erwähnten karmakonsum-Artikel gepostet, aber hier passts auch:

Ein ehemaliger Nike-Mitarbeiter hat ein neues, von Grund auf ökologisch und hoffentlich auch fair orientiertes Laufschuh-Brand gegründet:
https://www.endfootwear.com/
Der ehemalige Mitarbeiter wird schon wissen, warum er Nike verlassen hat.

Ich denke bei den etablierten Herstellern läuft so viel falsch und sie sind als Aktiengesellschaften so extrem auf reine Profitmaximierung gepolt, dass man sich da keine Hoffnungen auf wirklich weitreichende Veränderungen machen sollte.

Ich finde es besser, wenn neue, von Grund auf ökologisch und fair orientierte Brands den Ausbeutern so viel Umsatz abtrotzen, wie nur eben möglich. Vom Markt drängen können wir sie wohl auf diesem Weg leider nicht, aber wir können ihre Macht beschneiden und dann wird es auch leichter sie politisch zu richtigen Veränderungen Richtung öko-faire Produktion zu zwingen.

2 | Kirsten

November 14th, 2008 at 09:53

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@ WL: Die Idee, die Asterixe – die kleinen Newcomer – zu hätscheln und dort einzukaufen, finde ich richtig. Und wenn es endlich immer mehr Alternativen gibt (auch bei Laufschuhen) noch besser, damit ich auch zu etwas Ja sagen kann und nicht nur immer Nein.
Aber: Ich weiß aus Erfahrung bei einer internationalen Umweltschutzorganisation, dass sich die Obelixe, Dickschiffe, Tanker oder wie auch immer man die Großen wie Nike etc. nennen will, sehr wohl bewegen lassen. Das andere Einkaufen ist dabei nur eine Seite der Medaille – gefragt ist auch politischer Druck und Leute, die zum Beispiel an einer Flashmob-Aktion vor Adidas und Puma teilnehmen, weil sie mehr Fairness bei den Sportkluft-Herstellern wollen. Es gilt einfach zweigleisig zu fahren: anders einzukaufen und sich zu engagieren. Dann bewegt sich doch was.
Was uns manchmal fehlt, ist außer – sorry: Ideologie – harte Facts über Produktionsbedingungen oder Greenwashing. Exklusive Informationen, die dazu taugen, öffentliche Debatten anzuzetteln und das Tun der Großen zu skandalisieren. Wir wärmen zuviel auf. Ich veröffentliche gerne den Enthüllungsbericht deines Freundes, der jetzt sein eigenes Laufschuh-Label macht, über die Geschäftspraktiken von Nike…..

3 | WL

November 14th, 2008 at 11:39

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recht aktuell zu Nike:
https://www.ethicalconsumer.org/FreeBuyersGuides/clothing/trainerssport.aspx

Ich halte politisches Engagement sogar letztlich für wichtiger als kritische Kaufentscheidungen und fahre auch zweigleisig.

Dennoch glaube ich nicht, dass der Druck auf einzelne Konzerne viel bringt. Und jetzt bitte nicht das Brent-Spar Beispiel. Shell hat in den Folgejahren unzählige weitere Umweltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen und ist keinen Schritt weiter als andere Öl-Konzerne:
https://www.ethicalconsumer.org/FreeBuyersGuides/traveltransport/diesel.aspx

Wir brauchen weitgehende Änderungen der politischen Rahmenbedingungen. Ich bin mir nicht sicher, ob unter diesen Rahmenbedingungen, die auch ein weiteres Wachstum der Gesamtwirtschaft und das Streben nach möglichst hohem Produktabsatz der Konzerne unterbinden müssten, noch irgendwer Aktien halten möchte.

Denn woher soll die Rendite, der Gewinnzuwachs, der gestiegene Warenumsatz kommen, wenn nicht durch den Verkauf von mehr Produkten? Selbst die ökologischste Produktion verbraucht Ressourcen, wie auch der ehrenwerte Outdoor-Anbieter Patagonia gerne klarstellt. Und da hoffentlich auch in Zukunft noch einige Menschen einige Dinge selber tuen wollen, können auch nicht alle Konzerne plötzlich zu Dienstleistern werden.

Der Fehler steckt im System. Nike und Co ist es in der Konkurrenzwirtschaft bei Strafe des Untergangs schlicht nicht möglich, zu Förderern einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zu werden. Nicht weil dort nur böse Menschen arbeiten oder die Aktionäre alle die Welt vernichten wollten, sondern weil die Rahmenbedingungen zumindest bei börsennotierten Konzernen Ausbeutung und nicht-nachhaltiges Wachstum verlangen.

4 | Kirsten

November 16th, 2008 at 18:20

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@WL: Du weist zu NIKE auf den Ethical Consumer in England hin. Das ist so eine Art Stiftung Ethiktest für Unternehmen. Mit ihrer Aufklärung ermöglichen sie eine kritische Kaufentscheidung – in England stehen 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung auf solche Informationen. Da sind wir hier sicher noch nicht und ich hätte gerne noch mehr von dieser geballten Einkaufsmacht. Ich gehe – optimistisch – davon aus, dass diese Konsumenten im Zweifel auch bereit sind, sich politisch zu engagieren. Wenn sie erstmal anfangen, sich im Laden was zu trauen, warum dann nicht auch eine Protestpostkarte abschicken oder an Demos teilnehmen?
Wünschenswert fände ich eine gute Mischung aus Kooperation und Konfrontation, um weiterzukommen.
Im übrigen glaube ich, dass die kleinen Unternehmen und ihr Erfolg der Katalysator für die Bewegung der ganzen Branche in Richtung mehr Gerechtigkeit sind.
Aber natürlich: du hast Recht. Wir werden nicht unseren ganzen Bedarf – bleiben wir beim Beispiel – an Kleidung und Schuhen ökologisch decken können. Wir verbrauchen zuviel. Man glaubt es kaum: auf der Utopia-Konferenz in Berlin dieses Wochenende war die einzige Person, die das gesagt hat, der Hollywood-Star Daryl Hannah. Eine US-Schauspielerin als Vorhut der neuen Genügsamkeit.
Ich sehe dich schon den Kopf schütteln! Mir hat es gefallen.

5 | WL

November 17th, 2008 at 12:51

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@Kirsten:
Nein, ich war im Gegenteil total begeistert, als ich Daryls Video-Blog vor 2 Jahren oder so bei treehugger.com entdeckte. Besonders begeistert hat mich ihr Einsatz für den Community Garden „South Central Farm“ in LA.
Den gibts jetzt leider nicht mehr. Daryls Video über das Projekt haben mich aber so inspiriert, dass ich nun mit einer Gruppe in Osnabrück sowas aufzubauen versuche.

Ich finde auch, dass es sowas wie ethical consumer dringend auch bei uns und in jedem Land der Welt bräuchte. Habe da vor 2 Jahren auch schonmal eine Kooperation bei der Stiftung Warentest angeregt, aber leider keine Antwort bekommen. Vielleicht wäre es Zeit für einen neuen Anlauf.

Besonders spannend fände ich digitale Buyers-Guides für Handys und mp3-Player, So das „Wikipedia to go“. Auch wenn ich selbst keine aktuellen Modelle besitze, die sowas anzeigen könnten. Mein Handy ist 10 Jahre alt und der mp3-Player stammt auch aus einer Zeit, als die noch keine Farbdisplays oder überhaupt größere Displays hatten.

Vom Wuppertal-Institut gabs mal ne Studie zum Thema sozial-ökologische Verbraucherinformation:
http://www.wupperinst.org/uploads/tx_wibeitrag/WP150.pdf

6 | Kirsten

November 17th, 2008 at 22:32

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@Du stehst auf digitale Einkaufsscouts? Dann gucke mal unter codecheck.info, wo Nutzer Infos einspeisen oder bei goodguide, dass von Datenbanken und Experten gefüllt wird. Das wird sich sicher noch entwickeln.

7 | Mattes

November 25th, 2008 at 15:02

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Ich glaub, dass es wichtig ist, sozial und ökologisch sowohl im Einkauf, als auch in der politischen Arbeit zu koppeln. Den Firmen wäre es sicher ganz recht, wenn die Leute nur auf den persönlichen Gesundheitsvorteil achten würden, der Bio-Kleidung für sie bedeutet.

Das gilt übrigens nicht nur für Produktion im globalen Süden: Spannend wäre es z.B. bei der Schuhmanufaktur (danke übrigens für den Link! Wusste gar nicht, dass in meinem Bundesland sowas passiert :) ), ob die Leute da für die Mecklenburg-üblichen 800-1000 Euro netto kaputt arbeiten, oder ob die sich gewerkschaftlich organisieren können. Sicher ist die Armut hier eine andere als in Bangladesh (halt relativ, nicht absolut), aber die Arbeitsbedingungen waren in Deutschland, immerhin dem drittreichsten Land der Welt, auch mal besser.

8 | Kirsten

November 25th, 2008 at 16:22

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@Mattes: Du hast recht. Arm trotz Arbeit – das gibt es auch hier. Mir hat es deshalb gefallen, dass die Kampagne für Saubere Kleidung, die derzeit mit Näherinnen aus Bangladesch, die unter anderem für Biliigklamotten von Lidl und Kik schuften, ihre Deutschland-Tour zusammen mit Verdi macht. Verdi spricht dann parallel über die miesen Arbeitsbedingungen von Lidl-Verkäuferinnen hier. Da verhält sich der Discounter nämlich nicht anders als in Bangladesch. So ein bisschen Solidarisierung von hier und da kann da nicht schaden.

9 | Fritz

November 28th, 2008 at 23:29

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Gibt es eine Webseite, wie https://www.ethicalconsumer.org/ auch in Deutsch ?

Als Deutsche Stoff-Quelle würde ich https://www.nettleworld.com/ nutzen, da bleibt auch was für die Bauern. T-Shirt habe ich hier leider noch keine gefunden.

Ich würde aber mit dem irgendwann vorhandenem Roh-Shirt zu https://www.shirthammer.de/ gehen und es mir dann dort hoffentlich mit guten Farben bedrucken lassen.
Aber wie es mit Farben und Bio aussieht ???