19 Dez, 2011
Victoria´s Secret prüft Vorwürfe
Der Wirtschaftsnachrichtendienst Bloomberg hat am 15. Dezember eine Reportage veröffentlicht, in der behauptet wird, dass in Burkina Faso Kinder Baumwolle für die Dessous von Victoria´s Secret pflücken. Betroffen ist ausgerechnet Bio- und Fairtrade-Baumwolle. Das ist schlimm. Trotz dieser Nachricht finden wir wichtig, dass Konsumierende nicht das Vertrauen in Bio- und Fairtrade-Baumwolle verlieren. Mark Starmanns vom Netzwerk Faire Mode aus der Schweiz erklärt seinen Standpunkt.
Der Journalist Cam Simpson porträtiert auf über 4.000 Wörtern unterlegt mit Videos den Alltag eines 13 jährigen Mädchens, das auf Baumwollfeldern in Burkina Faso arbeitet. Wie in vielen afrikanischen Ländern ist Kinderarbeit leider auch hier der schlimme Alltag. Laut dem Bericht waren die Felder, auf denen das Kind gearbeitet hat, Bio- und Fairtrade zertifiziert, und eigentlich sollten diese Systeme garantieren, dass es nicht zu ausbeuterischer Kinderarbeit kommt. Der grösste Teil der Ernte geht laut Simpson an Victoria’s Secret, wo sie in bestimmten Kollektionen beigemischt wird, ohne dass dies aber gelabelt wird. Der Artikel behauptet sogar, dass die höheren Profite von Bio- und Fairtrade-Baumwolle Ausbeutung motiviert habe: „paying lucrative premiums for organic and fair-trade cotton has – perversely – created fresh incentives for exploitation“.
Es ist wichtig, dass die Medien auf Probleme wie Kinderarbeit aufmerksam machen, auch wenn es sich um Probleme im Bereich vorbildlicher Praktiken wie Fairtrade- oder Biobaumwolle handelt, welche wir unterstützen und fördern wollen. Kinderarbeit ist schlimm und sollte verhindert werden, denn Kinder sollten eigentlich spielen statt auf Feldern zu arbeiten. Leider ist in vielen Ländern Kinderarbeit eine weit verbreitete Realität und in Afrika ist es für einen Journalisten relativ einfach ein Kind zu finden, das auf Baumwollfeldern arbeitet. Doch bei Kinderarbeit muss unterschieden werden zwischen Kindern, die den Eltern auf dem Feld mithelfen (und dann oft noch zur Schule gehen) und Kindern, die systematisch ausgebeutet werden und dafür nicht oder kaum bezahlt werden. Die erste Form der Kinderarbeit wird toleriert, die zweite nicht. Leider besteht trotz einer FLO-Zertifizierung (die zweite Variante der Kinderarbeit verbietet) immer das Risiko, dass Kinder auch auf „Fairtrade“ Feldern arbeiten – wie auch bei anderen Initiativen wie Cotton Made in Africa oder Better Cotton Initiative. Keine Zertifizierung kann Kinderarbeit vollkommen ausschliessen. Und deshalb war es Simpson möglich, ausbeuterische Kinderarbeit in Burkina Faso zu identifizieren.
Kommentare von Leserinnen auf amerikanischen Zeitungsseiten zeigen, dass sich einige der Leserinnen nun entsetzt von Victoria’s Secret abwenden. Auch wenn dies eine vielleicht verständliche Reaktion ist, bringt sie leider wenig, weil andere Firmen wie z.B. Triumph mit den gleichen Problemen konfrontiert sind. Problematisch wäre nun, wenn Konsumierende aufgrund des Artikels das Vertrauen in Bio- oder Fairtrade-Baumwolle verlören und ihre Kaufentscheidungen nicht mehr an Kriterien wie „Bio“ oder „Fairtrade“ orientierten – denn es wäre die falsche Reaktion. Fakt ist, dass kein Zertifizierungssystem perfekt ist und wir immer mit negativen Schlagzeilen rechnen müssen. Fakt ist aber auch, dass sowohl die Bio- als auch die Fairtrade-Baumwolle auf unterschiedliche Weisen dazu beitragen, dass sich die Situation der Bauern und ihrer Familien auf den Feldern verbessert. Hier seien kurz zwei von vielen positiven Aspekte genannt: Fairtrade-Baumwolle sorgt dafür, dass die Bauern einen garantierten Mindestpreis für ihre Baumwolle bekommen. Da der Weltmarktpreis für Baumwolle oftmals sehr viel niedriger als dieser Mindestpreis ist, hilft dies den Bauern in Zeiten niedriger Baumwollpreise enorm beim Überleben. Biobaumwolle trägt durch die vollkommen andere Felderbewirtschaftung nicht nur dazu bei, dass Felder auch langfristig Erträge bringen, sondern verzichtet auch auf chemische Düngemittel, die oftmals (von Kindern) ohne Schutzgeräte aufgetragen werden. Für das Wohl der Bauern und ihrer Umwelt sollte eigentlich nur noch Bio- und Fairtrade-Baumwolle gekauft werden.
Warum Simpsons Artikel auch Positives bewirken kann: Sowohl Helvetas (die sich seit 2004 in der Förderung der Bio-Baumwolle in Burkina Faso engagiert) als auch die Fair Labelling Organization (FLO) prüfen nun umfassend nach, wie es zu den in dem Artikel geschilderten Problemen kommen konnte, und werden so versuchen, ihre Systeme für das Wohl der Kinder zu optimieren.
Letztendlich sind sowohl Bio- also auch Fairtrade-Baumwolle keine Allheilmittel für die Armen in Afrika. Aber sie sind ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedinungen von Kleinbauern und der Umwelt – und jeder Konsumierende kann relativ einfach dazu beitragen. Beide Systeme helfen den Bauern und ihren Familien jedenfalls sehr viel mehr als die Baumwolle, die nach keinem Zertifizierungssystem angebaut wird.
Was in dem Artikel leider fehlte – und warum die von Simpson behauptete Kausalität zwischen höheren Profiten durch Bio/Fair Trade und Kinderarbeit eine sehr gewagte Hypothese ist: Vor allem die enormen Agrarsubventionen der USA für US-amerikanische Baumwollbauern tragen dazu bei, dass die Bauern in Afrika zu wenig Geld verdienen (und folglich ihre Kinder mitarbeiten lassen). Deshalb ist fraglich, warum der Artikel das Problem der Subventionen mit keinem Wort erwähnt hat – aber statt dessen behauptet, dass Mehreinnahmen durch Bio- oder Fairtrade-Baumwolle die Ausbeutung von Kindern fördere. Leider liest sich der Artikel stark wie eine Werbung für US-amerikanische Baumwolle, die ohne Subventionen überhaupt nicht konkurrenzfähig wäre.
Text: Mark Starmanns
Auf dem Blog findet ihr auch einen Auszug aus den Stellungnahmen von Helvetas und von FLO zum Bericht.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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