09 Dez, 2011
Gift im Pelz? DPI reagiert unsäglich!
Vergangene Woche machte eine Studie von sich reden, die den Nachweis giftiger Substanzen in Pelzwaren thematisierte. Im Auftrag des Tierschutzvereins „Vier Pfoten“ e.V. ließ EcoAid by Manfred Krautter verschiedene Pelze auf Chemikalienrückstände prüfen und traf auf Substanzen, die humantoxikologisch bedenklich sind, etwa Formaldehyd und Chlorparaffine. Geprüft wurden „35 Pelze an Jacken, Mützen, Krägen, Schals oder Kapuzen, gekauft in sieben europäischen Ländern von internationalen Labels wie Gucci, Burberry oder Max Mara bis hin zu nationalen Modeketten.“ Am schlechtesten schnitt zu allem Überfluss die Kinderkleidung ab. Viele Produkte überschritten die gesetzlichen Grenzwerte, so der Tester. So traurig das Ergebnis ist; andere konventionelle Textilprodukte würden kein Anderes hervorbringen. Was mir bei der Sache aber besonders den Hals anschwellen lässt, ist die hanebüchene Reaktion des Deutschen Pelz Instituts, welche sie auf ihrer Homepage veröffentlicht haben.
Davon abgesehen, dass es hier nicht zu einer sachdienlichen Stellungnahme kommt, stößt mir die verbale Grobschlächtigkeit übel auf. Mit dem Titel: „Pelze sind nicht zum Essen geeignet“ wird mit redundanter Defensivhaltung versucht vom Thema abzulenken: „Wir haben es hier ausschließlich mit Outdoorbekleidung zum Schutz vor Kälte in freier Luft zu tun, nicht mit Babyspielzeug, das Kleinkinder in den Mund stecken und an dem sie stundenlang herum nuckeln“ heißt es beispielsweise. Was mag das bedeuten? Als Mutter muss ich sagen, dass es mir schon sehr recht wäre, wenn meine Kinder an meiner Outdoorkleidung nuckeln KÖNNTEN, ohne sich gleich zu vergiften. Und was ist mit den Personen, die das Gift in voller Konzentration auf den Pelz aufgebracht haben und womöglich schon keine Kinder mehr bekommen können? Und welche Subinformation ziehe ich aus der Nebenbemerkung, dass wir Pelze „in freier Luft“ tragen sollten? Ist die Giftkonzentration etwa so hoch, dass wir unsere Fellfreunde erst einmal ausdünsten lassen müssen?
Meine Lieblingsstelle der Gegendarstellung bezieht sich aber auf die Anschuldigung, dass die getesteten Pelzwaren nicht den geltenden Industriestandards entsprächen. Denn diesen unterlägen „nur diejenigen Unternehmen(…), die Mitglieder des jeweiligen Pools oder der jeweiligen Vereinigung sind. Die wenigsten internationalen Unternehmen sind überhaupt Mitglieder solcher Vereinigungen, diese Mitgliedschaft hat nur einen Sinn, wenn der Porduzent sich davon neue Kundenkreise verspricht, z.B. für Ökotextilien-Produzenten der Ökotex Standard.“ Ich lese daraus, dass das Deutsche Pelz Institut solchen Standards für Pelzprodukte keine Relevanz einräumt, weil es sich dabei bloß um ein Marketingwerkzeug zur Kundenakquise handelt, übrigens ein Fakt, der – so deute ich weiter – auf die gesamte Textilbranche zutrifft. Vielen Dank, geehrtes Pelzinstitut, dass sie mir mit dieser schnippischen Attacke erleichtert haben, ihre Glaubwürdigkeit bezüglich ökologischer und ethischer Vorgehensweisen bei der Bekleidungsproduktion einzuschätzen. Oder wollen sie schlicht nicht kontrolliert werden?
Erstaunlicherweise liest sich Punkt Eins, der DPI´schen Leitlinie folgendermaßen: „Das Kürschnerhandwerk und die gesamte Pelzbranche in der Bundesrepublik Deutschland, ihre Betriebe und jeder einzelne Mitarbeiter teilen mit allen Menschen die Fürsorgepflicht gegenüber der Natur, ihrer Artenvielfalt und ihren Ressourcen.“ Wie geht das einher mit der klaren Abwehr der Verantwortung ob der chemischen Veredelung von Pelzkleidung, die – wie bei jedem anderen konventionellen Kleidungsstück auch – einen nachweisbaren Effekt auf Natur, Artenvielfalt und Ressourcen hat? Es wäre also viel schlauer, und übrigens auch sachdienlicher, gewesen, eine gewisse Transparenz in die Sache zu bringen. Warum werden denn solche Chemikalien überhaupt bei Pelzen verwendet? Ich ahne es nur. Gibt es alternative Verfahren? Womöglich nicht. Dann hätten wir es hier auch mit einem technologischen Problem zu tun und nicht nur mit einem ethischen.
Um die Problematik mal im Sinne des vom DPI universal vorgeworfenen Green-Washings zu erklären: Da die Pelzbranche bekanntlich ein naturgegebenes Imageproblem hat, wäre diese Studie eine perfekte Vorlage für den DPI gewesen, um sich als kompetenter und umsichtiger Partner darzustellen und aus der Sache eine prima Öffentlichkeitsarbeit zu schlagen. Dazu hätte es allein einer gewissen Ernsthaftigkeit und Höflichkeit bedurft und der Fähigkeit einen Bruchteil von Verantwortung zu übernehmen. Und sollte an dieser Studie wirklich nichts dran sein, so dürfte es doch gerade dem DPI nicht vor ein Problem stellen, sie faktisch zu dementieren, oder? Das haben sie aber nicht getan. Anstatt dessen schlagen sie im ängstlichen Wuttaumel um sich und verteufeln – um auch ja den Richtigen zu treffen – gleich die ganze Eco-Branche. Die gute Nachricht: Wenn der Wolf sich so wenig im Zaum halten kann, wird ihm auch der Schafspelz nichts mehr nützen.
Text: Fredericke Winkler
Bild: Teil meines quicklebendigen Katers
Fredericke Winkler, Modedesignerin und Journalistin. Unterrichtet an der ESMOD in Berlin und führt "Beyond Berlin", eine Agentur, die die grüne Modeszene berät. Hier finden Sie alle Artikel von Fredericke . |
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