08 Nov, 2011
Naked Fashion – grüne Lektüre
Es ist unterdessen kein unmögliches Unterfangen mehr, ein kleines Regal mit Büchern zu füllen, die sich mit nachhaltiger Mode beschäftigen. Von verbraucherorientierten Ratgebern für den leichten Einstieg im Konsumalltag bis hin zu dezidierten Dokumentationen und Interpretationen des Status Präsens findet sich für jedes Niveau der passende Beitrag.
Wahrscheinlich stünden in diesem Regal Bücher, wie Naomi Kleins „No Logo“, eine der ersten Veröffentlichungen, die durch investigativen Journalismus zur Aufdeckung menschenunwürdiger Produktionsverhältnisse beitrugen, sowie Kirsten Broddes Buch „Saubere Sachen“, in dem unsere Blog-Herausgeberin mehr als zehn Jahre später einen Schritt weiter geht und konkrete Vorschläge macht, wie man als Einzelner dagegen vorgehen kann. Auch „To Die For: Is Fashion Wearing Out the World?“ von Lucy Siegle hält den Finger gnadenlos in die klaffende Wunde der Modeindustrie, ebenfalls ohne die Lösung aus den Augen zu verlieren. Für verschneite Winterabende am Kamin, die man sich nicht durch brutales Kopfkino verderben mag, empfehlen sich fröhliche Berichte vielfältiger Eigenversuche, wie „Hab ich selbst gemacht“ von Susanne Klingner. Erstaunlich ist, dass scheinbar alle Bücher zum Thema nicht von Branchenvertretern, sondern immer von ihren Beobachtern, den Journalisten, verfasst werden.
So muss man Safia Minney, Gründerin des britischen Erfolgs-Eco-Labels People Tree fast schon von vorneherein auf die Schulter klopfen, dass sie kürzlich ihr erstes Buch „Naked Fashion: The New Sustainable Fashion Revolution“ veröffentlichte, eine Art Routenplaner hin zu ethisch untermauerten Konsumentscheidungen. Mit viel Bildmaterial dokumentiert und analysiert sie in dem knapp zweihundertseitigen Ratgeber die Textilindustrie, beschreibt die nachhaltige Modebranche und gibt konkrete Hinweise, wie man sich persönlich zum Teil der Lösung machen kann, anstatt zum Teil des Problems. So kombiniert sie Informationen über die Missverhältnisse der Bekleidungsindustrie mit wirkungsstarken Bildern, bekömmlichen Berichten und eingänglichen Grafiken, wodurch das Buch mit dem massentauglichen Charakter und der Leseweise eines Magazins spielt. Das Ergebnis unterbreitet wohlinformierten Lesern womöglich keine großen Neuigkeiten, sondern ermöglicht vielmehr einem modisch hochempfänglichen und bewanderten Publikum den einfachen Zugang zum Thema Nachhaltigkeit. So bittet sie wichtige Vertreter der konventionellen Modebranche, wie Vivienne Westwood, oder Tsumori Chisato zu Wort, um für die grüne Idee von der anderen Seite aus Pate zu stehen. Safia Minney erreicht mit ihrer Methode zwei Ziele: zum Einen schlägt sie Eine von wenigen Brücken zwischen der ästhetisch motivierten Bekleidungsindustrie und ihren ethisch angetriebenen Branchenpartnern. Zum anderen gelingt es ihr in der Verbindung der intellektuellen Grundlage mit einer hübsch einprägsamen Performance einen motivierenden Ansatz zu schaffen. Im Subtext des Buches liegt die Andeutung sinnlicher Sinnhaftigkeit welche wir uns für die Zukunft nur wünschen können.
Text: Fredericke Winkler
Fredericke Winkler, Modedesignerin und Journalistin. Unterrichtet an der ESMOD in Berlin und führt "Beyond Berlin", eine Agentur, die die grüne Modeszene berät. Hier finden Sie alle Artikel von Fredericke . |
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