06 Sep, 2011
Simples Ende
Im Dezember wird Simple Shoes 20 Jahre alt. Und zum Jahreswechsel wird die Marke dann eingestellt. Ein Rückblick auf ein interessantes Lehrstück in Sachen Ecofashion und Börsenkapitalismus.
Seit Mitte der 90er gehört Simple Shoes zur Deckers Outdoor Corporation, einem börsennotierten Schuhunternehmen. Deckers gehören auch weitere bekannte Marken, wie der Outdoorsandalen-Anbieter Teva und die vergangenen Winter wieder sehr angesagten UGG Boots.
In den letzten Jahren rangierte der Umsatz mit Simple Shoes zwischen 15 und 25 Millionen Dollar. In den 1990ern waren es mal über 30 Millionen Dollar. Keine Traumentwicklung, aber doch eigentlich kein Grund gleich die ganze Marke einzustampfen.
Deckers begründet das Ende von Simple Shoes somit auch anders. Im Mai wurde mit Sanuk erneut eine Schuh-Marke gekauft. Die Surf-Sneaker weisen designmäßig eine gewisse Nähe zu Simple Shoes auf, allerdings bislang ohne jedes ökologische Konzept. Dafür mit 43 Millionen US-Dollar Umsatz in 2010. Und Deckers sieht hier offensichtlich großes Potential für mehr. Der Kaufpreis für Sanuk wird mit 120 Millionen Dollar beziffert. Was Deckers dazu bewegt haben könnte „Three times sales!“ für Sanuk hinzublättern, erörtert Action-Sports-Blogger Jeff Harbaugh hier.
Fakt ist: Damit Sanuk so richtig durchstarten kann, wird die vermeintliche Konkurrenz Simple Shoes einfach vom Markt genommen.
Gewinn zu erzielen ist eben nicht genug in der Börsenwelt. Entschieden wird nach maximaler Rendite. Und die scheint für Deckers ohne Simple Shoes besser zu erreichen als mit.
Aber was für eine Marke verliert der Ecofashion-Markt mit Simple Shoes da eigentlich?
Ursprünglich war Simple Shoes gar kein Öko-Schuh-Brand, obwohl die Designs immer etwas „ökig“ aussahen. Gründungsidee war es 1991 den damals vorherrschenden High-Tech-Sneakern etwas einfaches/simples und solides entgegenzusetzen. Erst 2005 gab es die ersten „Green Toes“. Gute 2 Jahre später hatten dann alle Simple Shoes ein Ökokonzept.
Durch unterschiedlichste Materialien von Bio-Baumwolle und Hanf bis zu recycelten Autoreifen und kompostierbaren Kunststoffen ist Simple innerhalb weniger Jahre zu einem innovativen Öko-Sneaker-Vorreiter geworden. Kein anderes Brand hatte ein vergleichbares Angebot von zugleich veganen und ökologischen („erdölfreien“) Schuhen.
Während Brandmanager Pete Worley hier die zu präsente Nachhaltigkeitskommunikation als einen Grund für Simples weniger erfolgreiche Entwicklung identifiziert, denke ich, dass eher das Design vieler Modelle noch etwas zu „ökig“ war. Gerade in den letzten Jahren sind einfache, cleane Sneaker ein Megatrend gewesen, für den die Simple Shoes oft eher nicht simple genug waren. Ironie der Geschichte, möchte man sagen.
Bis Mitte 2009 haben wir in unserem Laden (gruene wiese, Münster) trotz vielfacher Kundenanfragen Simple Shoes nicht verkauft. Zwar hat Simple Shoes – bzw. die Deckers Outdoor Corporation – auch für die sozialen Produktionsbedingungen einen sogenannten „Code of Conduct“. Die Einhaltung kontrollieren sie jedoch nur selbst.
Und auch der Kodex hat Lücken. So gibt es eine Klausel, die die Begrenzung der maximalen Wochenarbeitszeit einschränkt und es wird nur der nationale Mindestlohn – nicht aber ein existenzsichernder Lohn – direkt von den Zulieferern eingefordert.
Mangels Alternativen insbesondere im Bereich veganer ökologischer und „fairerer“ Sneaker haben wir Simple Shoes dann doch aufgenommen. Nicht zuletzt sprach eine positive Bewertung für die Deckers Outdoor Corporation bei EthicalConsumer (britische ethische Verbraucherorganisation) dafür.
Über unsere anhaltenden Bauchschmerzen hinsichtlich der mangelnden sozialen Zertifizierung und Kontrolle haben wir uns mit vielen anderen öko-fairen Modehändlern ausgetauscht, denen es durchweg genauso ging. Gemeinsam wollten wir deshalb versuchen, Simple Shoes zum Beitritt in eine Multi-Stakeholder-Initiative zu motivieren.
Die Ankündigung des Endes kam uns zuvor.
Eine große Lücke entsteht jetzt insbesondere im Bereich der veganen ökorrekten Treter. Ansonsten freue ich mich nun umso mehr auf stylishe Eco-Sneaker made in Europe von ekn. Vielleicht ja bald auch mit veganem Modell.
Autor: Lars Wittenbrink (gruene wiese, Münster)
Lars Wittenbrink schrieb seine Masterarbeit über Nachhaltigkeitspotentiale der Outdoorbranche. Er führt mit Simone Pleus die gruene wiese in Münster - einen der größten grünen Concept-Stores in Deutschland mit angebundenem Onlineshop. Wandelndes Ökomode-Lexikon und Chefredakteur des Blogs. Hier finden Sie alle Artikel von Lars Wittenbrink . |