04 Mai, 2008
Revolution im Schrank
Ich meine: Jeder gute Blog ist auch nutzwertig. Schon mal einen Food-Blog ohne Rezepte angeklickt?
28 neue Kleidungsstücke kauft jeder Deutsche im Jahr – etliche davon werden nie getragen. Deshalb ist es eine gute Idee, sich zu fragen: „Brauche ich das wirklich?“, bevor man zugreift. Und dann Teile zu bevorzugen, die nicht nach einer Saison out sind, sondern das Zeug zum Klassiker haben. Denn wahrhaft ökologisch ist Kleidung, die lange getragen wird. Zählt doch mal, wie viele Lieblingsteile ihr habt, die ihr immer wieder anzieht. Ich wette, das meiste hat die Farbe Schwarz. Das ist die Farbe, die nach wie vor am längsten in den Kleiderschränken hängen bleibt. Ach ja: manchmal reicht aggressives Zuwarten. Also: Babydolls (out) notfalls einmotten und warten, bis der Trend wiederkommt. Kann schneller gehen, als man denkt.
2. Setzt auf Qualität
Handwerklich gut gemachte Kleidung ist gar nicht so leicht zu finden. Checkt bei Teilen, die ihr kaufen wollt, die Nähte, die Reißverschlüsse und Knöpfe, denn das sind bekanntlich Sollbruchstellen. Das gilt auch bei Schuhen, ein Blick darauf, wie gut die Sohle befestigt ist, lohnt sich immer. Lasst hängen, was gleich so aussieht, als überstünde es nicht mal die erste Wäsche. Auch grüne Mode muss halten: wenn der Knopf aus Kokusnussschale nach dem Waschen schrumpelig ist und sich irgendwann ganz auflöst, beschwert euch und dringt auf Alternativen. Das ist schlicht Fashion-Schrott.
3. Steigt um auf Biobaumwolle
Konventionelle Baumwolle ist eine empfindliche Pflanze, die aufwändig mit Dünger und Pestiziden gepäppelt werden muss – und erheblich bewässert. In einem Shirt stecken 150 Gramm Pestizide und 2000 Liter Wasser. Biobaumwolle ist eine gute Alternative, denn sie wurzelt auf giftfreien Äckern. Fangt an, zumindest bei den Basics wie T-Shirts, Unterwäsche oder Kindersachen auf Kleidung aus Biobaumwolle umzusteigen. Und sie ist auch zu bekommen. In den Shoppingmeilen der Städte genauso wie in kleinen Läden, die sich auf grüne Kollektionen spezialisiert haben. Wer weiter draußen wohnt, kann via Internet bestellen. Anbieter nennt das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) und die Online-Portale Utopia und Ivy.
4. Seid skeptisch bei neuen Fasern
Tappt nicht in die Faser-Falle. Kein Zweifel, dass ihr von dem Hype um Bambus, Soja, Sisal, Nessel, Hanf oder Kapok gehört habt. Die Idee, Alternativen zu suchen, ist richtig. Aber einiges ist zweifelhaft. Beispielsweise Bambus. Wächst zwar schnell, dient aber – simpel gesagt – als Holz-Ersatz um Zellulose zu liefern, die dann zu Viskose weiterverarbeitet wird. Um die Zellulose auszukochen und die Spinnmasse zu gewinnen, ist der ausgiebige Einsatz von Chemikalien nötig. Von „öko“ kann man da nicht mehr reden. Greift nicht zu, nur weil „Eco“ oder ähnliches drauf steht. Macht euch vorher schlau.
5. Nehmt die Label unter die Lupe
Es ist nicht leicht, sich im Label-Dschungel zurechtzufinden. Was garantiert der Öko-Tex Standard, was die Euroblume? Welche Labels haben die Hersteller selbst kreiert, was davon wird unabhängig kontrolliert. Wer Bescheid wissen will, kann unter www.label-online.de recherchieren oder in der Textilfibel des Greenpeace Magazins (im Herbst neu). Achtet auf das einzig weltweit gültige Siegel, den „Global Organic Textile Standard“ –kurz GOTS- der jetzt im Kommen ist. Dieses Label garantiert, dass das Kleidungsstück auf dem g a n z e n Weg bis in den Schrank pur und weitgehend ohne Mitgift bleibt.
6. Sagt nein zu Kinderarbeit
Wie stelle ich sicher, dass keine Kinderarbeit in meinem T-Shirt steckt? Keine einfache Sache. Selbst wenn Kleidung eher teuer ist, kann sie in einem Sweatshop gemacht worden sein. So traf es jüngst die Markenhersteller Otto und Esprit, denen Journalisten nachwiesen, dass ihre Damen-Tops in Indien von Kindern mit Perlen und Pailetten bestickt wurden. Zwar ist der Textilindustrie dank des Druckes von Nichtregierungsorganisationen inzwischen klar, dass Kinderarbeit ein absolutes Nogo ist, aber die Kontrollen sind nach wie vor nicht lückenlos.
7. Sagt ja zu fairen Preisen
Fairtrade-Produkte boomen. Neben Kaffee, Tee, Bananen und Schokolade, gibt es jetzt auch Textilien (www.transfair.org). Der faire Handel hilft vor allem den Menschen, die die Waren produzieren. In ärmeren Ländern garantiert „Fairtrade“ menschenwürdige Arbeitsbedingungen (keine Kinderarbeit, , existenzsichernde Löhne). Statt ihre Ernte zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt verkaufen zu müssen, bekommen die Baumwollfarmer 36 Cent pro Kilo Baumwolle, für Biobaumwolle sogar 41 Cent – das sind rund 40 bis 70 Prozent mehr als zuvor. Ein Fairtrade-Shirt kostet rund drei Euro mehr.
8. Lasst euch nicht lumpen
Menschen bringen Sachen aus vielen Gründen in Second hand Läden – Sachen, die noch zu einer Oscar-Verleihung tragbar wären genauso wie runtergekommene Denims. Gönne Sachen, die ausgemustert wurden, ein zweites Leben und bereichert damit das Sortiment im Second-Hand-Laden, tauscht oder verschenkt eure guten Stücke!
9. Wascht weniger, wascht grüner
Lastet die Füllmenge der Maschine bei Normalwäsche immer maximal aus. In der Regel fasst eine Trommel rund fünf Kilogramm – im Schnitt werden nur drei Kilogramm hineingestopft! Und: der meiste Strom wird durch das Aufheizen der Maschine verbraucht – also runter mit den Temperaturen. Normal verschmutzte Buntwäsche wird bereits bei 30 Grad gut sauber. Dafür werden jetzt selbst die Waschmittel-Hersteller. Meistens reicht übrigens die Hälfte der angegebenen Waschmittel-Menge. Klingt bieder, aber prüft, ob nicht Lüften mancher Teile reicht!
10. Schneidert selbst
Do it yourself ist angesagt. Wer talentiert ist, wagt selber einen Versuch. Wem die Hürde zu hoch ist, versucht mutig einmal aus einer ausrangierten Jeans eine „Blue bag“ zu machen. Und sollte ein gutes Stück mal ein wenig ramponiert sein, Knöpfe annähen oder ein Reißverschluss austauschen, sollte man können. Als Muse dienen Großmütter, Mütter, selbst Schwiegermütter. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sucht um die Ecke den Schneider seines Vertrauens.
11. Werdet aktiv – seid laut und stellt Fragen
Farbe bekennen ist eine gute Sache. Fragt in eurer Lieblingsboutique oder Ladenkette nach clean clothes oder Recycling-Ware und verbreitet die Botschaft, was es schon alles (bei der Konkurrenz) gibt. Beim ersten Mal werden die Verkäuferinnen pampig und verweisen auf das unerreichbare Callcenter des Herstellers, bleibt hartnäckig. Manche halten euch vielleicht für die mittelalterliche Inquisition, aber wen schert das? Erklärt weiterhin, dass ihr nicht in Jutesäcken und Filzlatschen die Welt retten wollt, sondern auf tragbares Design besteht.
12. Macht mit bei einer Kampagne
Unterstützt Nichtregierungsorganisationen wie das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) oder die Kampagne für Saubere Kleidung, die sich für eine saubere und sozialverträgliche Textilproduktion einsetzen. Jüngste Aktionen: Play Fair Olympia 2008. Schickt Protestprotestkarten, macht mit bei Flashmob-Aktionen (www.inkota.de).
13. Werft nicht alles weg!
Wenn Sachen noch halbwegs in Ordnung sind, aber ausrangiert werden sollen, kann man sie an karitative Organisationen spenden! Auch nicht schlecht: die Freecycle-Gruppen, die es bei Yahoo in vielen Städten gibt. Man annonciert seine Altkleider, Interessenten melden sich per Mail und man verabredet, wann die guten Stücke abgeholt werden. Nebenwirkung: Man lernt skurrile Leute kennen.
14. Gebt was zurück!
Hersteller wie Patagonia oder Vaude bieten an, ausgediente Altkleider zurückzunehmen. Dazu müssen diese Windbreaker oder Wanderschuhe allerdings in die Läden zurückgebracht werden. Die Rücklaufquoten sind bisher gering. Fordert auch von anderen Herstellern, zurückzunehmen und zu recyceln. Mit tragbaren Ergebnissen. Der Song zum Tipp: „Reduce, Reuse, Recycle“ von Musiker und Surfer Jack Johnson.
15. Organisiert eine Kleiderwechsel-Party
Statt Tubberware, Duftkerzen oder Dessous im Freundeskreis zu verkaufen, gibt es mit der Stromwechsel-Party immerhin schon eine grüne Alternative. Wie wärs indes mal die Freundinnen einzuladen und die hippesten grünen Teile vorzuführen? Von der Hanf-Unterwäsche (kann man nicht in der Pfeife rauchen) über das lila Sommerkleid aus Biobaumwolle bis zum pflanzlich gefärbten Edel-Strickteil von der Öko-Designerin. Man sollte wissen, wo es was gibt und was es kostet. Und danach: Shoppen ohne Kater. In Maßen: siehe Tipp Nummer Eins.
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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