14 Aug, 2011

Der Jeans-Check

https://www.in-berlin-brandenburg.com/Verzeichnis/E/Bild/Jeans-j1.jpg

Natürlich will ich, dass mein Hintern in der Jeans knackig sitzt. Es gibt wahrscheinlich kein Kleidungsstück, das emotional aufgeladener ist , das mehr Wutanfälle in Umkleidekabinen auslöst, an dem mehr gezerrt und gezogen wird, bis die Silhouette im Spiegel gefällt. Eine Jeans ist mehr als eine Hose. Wahrscheinlich haben wir schon jetzt mehr Denims im Schrank als wir jemals für unser ganzes Leben brauchen werden. Meine britische Kollegin, die Guardian-Journalistin und Ökomode-Spezialistin Lucy Siegle, zählt 19 Paare in ihrem Schrank – gerade vier seien in „active service“. Ich habe weniger, reise aber demnächst nach Stockholm und beabsichtige mehrere Stunden im Nudie-Store zu verbringen, um aufzuholen.

Habe ich nicht immer davon geredet, es ginge nicht nur darum, was wir konsumieren, sondern auch wie viel? Stimmt, Verbrauch ist DAS Tabuthema in der Mode. Aber gleichwohl sind Jeans ideale Basics im grünen Kleiderschrank: eine Jeans ist robust, pflegeleicht und gut zu kombinieren. Jeans sind gute Wegbegleiter, keine Wegwerfmode.

Ich will die Blauen. In Grün. Ökologisch und ethisch einwandfrei. Nicht nur „waterless“ wie von Levi´s propagiert, sondern in Topform. Das geht. Selbst Karl-Heinz Müller, Jeansfürst und Messekönig, gab jüngst in der Zeitschrift X-Ray zu Protokoll, – Vorhang und tata – die ökologische Trendwende bei Jeans werde es geben. Davon sei er überzeugt. Abgesehen davon, dass wir eigentlich von einer Selbstverständlichkeit reden: Danke! Das schreibe ich in mein Poesiealbum. Jeans sind mengenmäßig so bedeutsam beim Modekonsum, dass sich Müller&Brodde-Plädoyers an G-Star, Diesel, Lee oder Pepe lohnen: Allein in Deutschland werden laut Bundesamt für Statistik jährlich rund 150 Millionen Jeans verkauft, in ganz Europa sind es fast 600 Millionen.

Die schlechte Nachricht ist: Bei keinem anderen Kleidungsstück ist es so schwierig, Mode und Mission zu vereinen. Nie stoßen Umweltschutz und Design so hart aufeinander wie bei Jeans. Selbst wenn der Rohstoff Natur pur ist (Biobaumwolle!), muss das Beinkleid noch etliche Färbungen, Waschungen und Veredelungen hinter sich bringen muss, bis es fertig im Laden hängt. Wenn Jeans nicht mit viel Handarbeit entstellt sind und so aussehen, als seien sie jahrelang getragen, sind sie eigentlich unverkäuflich. Erst diese Malträtierung macht sie einzigartig.

Kann ein Kleidungsstück eigentlich jemals ökologisch sein, wenn es wie Jeans erst mit sattem Indigo-Blau gefärbt wird und dann wieder trickreich entfärbt wird, bis es hell – gelegentlich sogar schneeweiß – ist? Eigentlich ist es blanker Irrsinn.  Aber es wird daran geforscht – schwermetallfreie Farben, natürliches Indigo, nur Bimsstein statt Extralast Chemie, Laser statt Sandstrahler und mehr. Und klar: Weniger Wasser ist ein Thema.

Bei Jeans geht es um extrem viel Handarbeit. Das Schleifen, Sandstrahlen oder Schmirgeln der Denims ist ein knochenharter Job. Deswegen ist ein Maximum an Ethik bei Jeansfabrikanten gefragt, soll heißen strengste Sozialstandards. Doch wer kümmert sich darum und wer baut GLÄSERNE TÜREN in seine Produktion damit Kontrolleure sich selbst ein Bild machen können?

Darüber gibt es ein neuer Warentest Aufschluss. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) untersuchte gemeinsam mit acht weiteren europäischen Verbraucherorganisationen die Ethik von insgesamt 13 Jeansherstellern.  Schwerpunkt war die Fertigung. Baumwollanbau blieb unberücksichtitgt. Die Ergebnisse sind in der Juli-Ausgabe des österreichischen Testmagazins Konsument publiziert, im Oktober folgt in Deutschland Stiftung Warentest, auf deren launige und zu Recht strenge Kommentare ich schon warte. Denn mit RUHM BECKLECKERT, hat sich offenbar kaum einer.

Und jetzt Achtung – alte Überzeugungen auf den Prüfstand! Laut Testmagazin Konsument schneidet H&M in puncto Sozialpolitik am besten ab, wobei sich in der Praxis Mängel zeigen: Übermäßige und schlechte Überstunden, keine Arbeitsverträge für Leiharbeiter. Auf den nächsten Plätzen folgen Zara und wieder Levi´s. Bei Umweltschutz punkteten Jack&Jones und Levi´s.

Aber worauf ich hinaus will, sind die GLÄSERNEN TÜREN. Das ist meine essentielle politische Forderung an jeden Hersteller, der heute auf sich hält.

Und nun die Ergebnisse dazu im Detail: Sieben Firmen verweigerten die Kooperation (Diesel, Lee, Wrangler, Hugo Boss, KiK, 7 for all mankind und Kuyichi), nur sechs beantworteten die Fragebögen und erlaubten den Besuch der Produktionsstätten: H&M, Zara, Jack&Jones, Levi´s, Nudie Jeans und G-Star Raw.

H&M, der Modegigant, der beim T-Shirt-Test im August 2010 noch die Auskunft verweigerte, hat deutlich dazu gelernt. Das Ergebnis von Öko-Anbieter Kuyichi hat mich schockiert und wirft Fragen zum Kurs des Unternehmens auf. Die Händler von Kuyichi – allen voran die 40 grünen Concept Stores – sollten der Firma die mangelnde Transparenz nicht durchgehen lassen.

Nun, wie gesagt, Stiftung Warentest verspricht tiefere Einsichten – auch zur Qualität der Jeans. Und Kuyichi wird sich sicher ausführlich äußern.

So lange boykottiere ich als überzeugte Müslimaus den Kauf von Kuyichi-Jeans. Oder ist das eine zu steile Reaktion? Was meint ihr?

Autorin: Kirsten Brodde

 

 

 

     
 Kirsten   Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland.

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Veröffentlicht in: News

14 Kommentare auf "Der Jeans-Check"

1 | Christoph Dahn

August 14th, 2011 at 15:21

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Als Konsequenz trage ich persönlich nur noch Dry Denim, das heisst ungewaschene und unbearbeitete Jeans aus Biobaumwolle. Nach ca 1 Jahr sieht solch eine Jeans dann so ähnlich aus wie das ausgewaschene Modell.
Die Jeans halten doppelt so lang und er Vintage Effekt ist nicht künstlich sondern echtes Leben.

Auf die Reaktion von Kuyichi bin ich gespannt. Die kommende Frühjahrskollektion die ich mir letzte Woche angesehen habe war extrem stark verwaschen und behandelt.

2 | Sascha

August 14th, 2011 at 16:34

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Wir beobachten Kuyichi schon lange kritisch und haben uns in der Vergangenheit – zusammen mit anderen Korrekte Klamotten Händeler_innen – darum bemüht mehr Informationen von Kuyichi zu bekommen.
Wenn du willst, Kirsten, schicke ich dir in den nächsten Tagen die Antwort(en) von Kuyichi.
Seit dem die versuchen das Unternehmen umzustrukturieren ist sicherlich sehr viel schief und unbefriedigend gelaufen. Nicht nur was Transparenz angeht.
Vielleicht wäre es gut, gemeinsam offensiv auf die Brand zuzugehen und Forderungen zu erarbeiten, um noch mehr Druck zu erzeugen.

3 | Kirsten

August 14th, 2011 at 19:47

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@Sascha: Ich weiß, dass euch das unter den Nägeln brennt. Und ich weiß, ihr seid aktiv geworden. Stiftung Warentest gibt euch neues Futter. Ich lese sehr gern die Antwort von Kuyichi und hoffe, Sie lenken ein. Ihr seid diejenigen, die Kuyichi mit groß gemacht haben, sie sollten auf euch hören.

4 | Johanna Aigner

August 15th, 2011 at 11:13

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Kuyichi ist bei uns in Österreich auch schon lange ein Thema und wir hatten
schon häufig Kontakt, aber nie wirklich Informationen bekommen können. Bin schon gespannt ob sie dieses Jahr auf der wearfair anzutreffen sind. Danke, dass wir über diesen Blog zu Infos kommen!

5 | Fr.Jona&Son

August 15th, 2011 at 14:39

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Boycott von Kuyichi ist völlig okay, das haben sie nicht anders verdient.
Wichtig ist hier jetzt medial auf den Putz zu hauen und ihnen das Ökolabel abzuerkennen.

Und- ich trage SEY und Secondhand-Jeans.
Und habe genau 3 Jeans im Kleiderschrank- eine schöne, eine für die Drecksarbeit und eine für den Alltag :-)

@Johanna: Kuyichi ist bei einigen Shops, die bei der WearFair ausstellen werden, eigentlich im Programm.
Ob das so bleibt, ist abzuwarten :-)

6 | Tanja

August 15th, 2011 at 20:13

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Eine perfekt sitzende Jeans zu bekommen ist an sich schon eine Herausforderung. Wenn man zudem noch den Anspruch hat eine öko-faire Denim zu finden, dann verzweifelt man regelrecht!
Hat eigentlich schon jemand die Pearls of Laja Jeans getestet? Die sollen super sitzen und sind 100%Bio.

7 | Kirsten

August 15th, 2011 at 20:13

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Fr.Jona&son: Ich bin ja meist für medialen Druck, aber hier sollten wir auf eine Stellungnahme von Kuyichi warten und auch darauf, welchen diplomatischen Erfolge die Green-Concept-Stores jetzt erzielen, deren politischem Gespür und deren erneuter Initiative ich vertraue.
Yes, drei Jeans! Aber Jeans-Hemd (tailliert) suche ich noch immer.

8 | Lars

August 15th, 2011 at 20:47

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Eine gemeinsame Anfrage aller unter korrekte-klamotten.de zusammengeschlossenen Ethical Fashion Händler ist bereits heute an kuyichi und auch an Solidaridad und made-by rausgegangen.

Ich hoffe, wir erreichen da was. Wenns Neuigkeiten gibt, geben wir hier Bescheid.

Auf eine frühere Anfrage hin wurde uns 90 % Zertifizierung nach made-by Class A (meist SA8000 oder europäische Produktion) bis Winter 2012 angekündigt. Auch saisonweise Schritte bis Winter 2012 wurden genannt, sodass anhand der made-by Scorecard ein Kontrollieren der Zielerreichung möglich ist.

9 | Bernd W.

August 15th, 2011 at 22:59

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Meine erste ökofaire Jeans war eine sehr schöne kuyichi Lewis pocket play. Ihre made-by-track&trace Nummer ließ sich nicht anwenden. Auf meine Nachfrage hin bekam ich die Auskunft von kuyichi (7. April 2009): „The reason you can’t track and trace the jeans is because it’s a 0802 style. Track and trace is only available for the 0901 jeans.“ Tja, was sollte die Nummer dann?
Die Jeans war nach einem Jahr im Schritt eingerissen.
Meine Hemden von kuyichi sind meine absoluten Lieblingshemden. Hier kann ich mit dem Angebot von nudie nichts anfangen, eher schon mit kca.
nudie schreibt in der Beilage zur Jeans, dass sie das gesamte Angebot auf organic umstellen wollen. In den letzten zwei Jahren gab es da aber keinen großen Fortschritt, oder?
Ich bin gespannt auf kings of indigo…
@ Christoph Dahn: ja, raw-Jeans selber einen used-look zu verpassen, ist ein spannender Prozess, vorausgesetzt, die Jeans halten auch lang genug.

10 | Fr.Jona&Son

August 16th, 2011 at 15:57

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Liebe Kirsten, wie wäre es mit einem gepimpten Modell?
Einem schönen natürlich, keinem „Faschingsmodell“.
Ich bin da praktisch veranlagt, suche auf dem Flohmarkt oder im Secondhandladen nach einem passenden Modell und dann wird geändert.
Also, wenn Du nichts findest, könnte ich Dir ja ein REdesigntes schönes Hemd maßfertigen :-)

11 | Kirsten

August 17th, 2011 at 09:37

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@Fr.Jona&son: Ich halte eh dein gepimptes T-Shirt von der Wearfair in Ehren – es wird Teil der großen Greenfashion-Ausstellung, in der irgendwann meinen Kleiderschrank im Wandel der Zeiten dokumentiere. Also, es wäre mir Freude, wenn du das wagst und ich trauere schon jetzt, dass ich es nicht persönlich in Linz abholen kann. Faire Bezahlung garantiert oder möchtest du was im Tausch? Ein Detox-T-Shirt von Greenpeace?

12 | Fr.Jona&Son

August 17th, 2011 at 12:58

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Okay Madame Brodde,
dann brauche ich Deine Maße( per mail ;-)) und etwaige Wünsche.
Und dann mache ich mich mal auf die Suche nach einem passenden Jeanshemd. Und ich mache es nicht extra ausgefallen sondern absolut salonfähig und chic, okay?

13 | Ladyblog - der Blog für die klassische Lady mit Stil

Mai 27th, 2013 at 22:40

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[…] das Unternehmen nicht geäußert. Dafür bin ich heute auf diesen spannenden Blogbeitrag gestoßen: https://www.kirstenbrodde.de/?p=1330 Auch hier gab Diesel übrigens keine Auskünfte. […]

14 | Marketing und Mode; blah blah blah blah | Anderskleiden. Stories about fair fashion.

Juli 9th, 2015 at 20:42

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[…] nicht zu unterstützen ist (siehe Greenpeace Detox) und mensch bei Jeanswünschen lieber auf anderes zurückgreift, zum Beispiel mein Lieblingsjeanslabel Nudie , gefallen mir die Poster, die es ganz rechtzeitig zur […]