18 Jun, 2011
Schön und Gut
Nun ist es schon wieder Mitte Juni. Die Berliner Fashion Week steht vor der Tür und in den Modeateliers, Agenturen und Büros der Messeveranstalter beginnt die Zeit, in der es sich nicht lohnt, nachts das Licht zu löschen. Es wird organisiert, genäht, geplant und im Falle von THEKEY.TO das Segel gestrichen. Wir treffen auf den GREENshowroom mit der Ethical Fashion Show zu Gast, dem Lavera Showfloor oder auf die Münchner InFashion mit ihrer Green Glamour-Fläche. Zum Feiern gehen wir dann zur Innatex-Lounge. Wir werden uns zuprosten und die Presse wird Loblieder durch ihre Kanäle jagen. Und die Brands? Tja die werden hoffentlich auch einen guten Saisonstart haben, oder sich an ihre vereinzelt ausgefüllten Orderformulare klammern und mit unerschöpflicher Hoffnung in die Zukunft schauen.
Denn lasst es uns mal ganz ehrlich aussprechen. Auch wenn der Hype groß ist und die Liste grüner Stores stetig wächst, wie man an unserem letzten Posting sieht; die meisten grünen Designer schlagen sich mit Ach und Krach durch, kämpfen um jede Bestellung und müssen sich Saison für Saison auf ein Neues fragen, mit welchen Perspektiven man zugunsten einer besseren Welt an der eigenen Zukunft arbeitet.
Der Weg zum Tor des Modehimmels ist für alle Jungdesigner steinig (und Jung steht hier für eine bestimmte Umsatzgröße), nur dass die Weltverbesserer unter Ihnen vielerorts mit dem üblen Stigma der Ökomode kämpfen müssen, dass wir immer noch nicht abschütteln konnten. Und so kommt es, dass zwar immer mehr Konsumenten eine nachhaltige Lebensweise bevorzugen und die Öffentlichkeit unserer zarten Bewegung positiv gegenübersteht, aber die Meinung der Einkäufer über nachhaltige Kleidung trotzdem erstaunlich schlecht bleibt. Vorurteile über hohe Preise, unansehnliche Stoffe, schlechte Passform und fehlende Finesse kleben an der grünen Branche, wie Kaugummi an einer Kautschuksohle. Heute sind ökologische Produkte technologisch zwar marktfähig, aber ein Cliché braucht bekanntermaßen keine Fakten.
Manchmal scheint es sinnvoller zu sein, potenziellen Einkäufern die nachhaltige Arbeitsweise zu verschweigen und sich andere Verkaufsargumente einfallen zu lassen. Und das lokalisiert meines Erachtens schon den Dorn im Fleisch der grünen Branche. Wir haben unsere ethischen Grundmauern zu unserem USP gemacht; zu unserem Alleinstellungsmerkmal, ohne Rücksicht darauf, dass die Branche in die wir uns einbinden müssen, um wirtschaftlich Fuß zu fassen, mit diesem Merkmal wenig anfangen kann. Welches konventionelle Label würde seine Wertschöpfungskette mehr thematisieren, als notwendig ist, um seine Qualität ins Licht zu rücken? Viele Ecobrands definieren sich aber genau über diese Verfahren. Es ist, als ob wir beim Speed-Dating einem Profifußballer ständig unsere Ballettausbildung schmackhaft machen wollen, anstatt die kostbare Zeit, die uns für die Überzeugungsarbeit bleibt, zu nutzen, um Gemeinsamkeiten zu finden.
Mode kann nicht auf eine technologische – also auf eine stoffliche – Ebene reduziert werden. Im Gegenteil nimmt sie als Gattung wie eine feine Antenne alle Impulse auf, die die Welt bewegt. Sie wird von Gestaltern antizipiert, materialisiert und nochmals an die Gesellschaft in Form von Produkten abgegeben. Nimmt man diese Aufgabe ernst, dann übernimmt man als Designer die große Verantwortung Identitäten zu schaffen. Und Werte. Denn mit jeder äußerlichen Veränderung gehen innerliche Prozesse einher bis am Ende Meinungen geschaffen werden und sich das ästhetische Prinzip verändert. Mit anderen Worten ist es die große Aufgabe aller ökorrekten Designer ihre Vorstellung von Ethik und Umweltschutz in das allgemeine ästhetische Prinzip zu implementieren. Das schaffen sie aber nicht nur über technologische Parameter, sondern durch Treffen von Stilaussagen.
Um es mal drastisch auszudrücken: es grenzt an Bigotterie auf Siegel zu bestehen und dafür massenhaft zertifizierten Schrott zu akzeptieren, den nicht einmal der letzte Alt-Öko geschenkt haben möchte. Nachhaltig ist das nicht. Dies sei nicht als Aufruf zum Greenwashing zu verstehen, oder dazu sich verstohlen in die Schlange konventioneller Modenewcomer einzureihen, sondern die inständige Bitte, die Gestaltung im Sinne der Anteilnahme an einem gemeinsamen ästhetischen Nenner und Parameter wahrer Innovation auch als ein Schlüssel für nachhaltigen Konsum anzuerkennen. Diejenigen unter euch, die das Glück der Mutter- oder Vaterschaft mit mir teilen, werden wissen, dass es kontraproduktiv ist, dem Kind das Gemüse als besonders gesund anzupreisen. Lecker muss es sein und gut aussehen. Und so inakzeptabel die Ignoranz mancher Händler auch sein mag; mit ihrer Selektion nach ästhetischen und kommerziellen Eigenschaften erhalten sie die immanent wichtige Qualität der Mode als gesellschaftlich relevantes Kommunikationswerkzeug.
Es ist gut, stolz auf sein nachhaltiges Fundament zu sein, sich mit anderen zusammenzuraufen, neue Konzepte zu entwickeln und grüne Plattformen zu nutzen. Beim Produkt aber wäre jeder Hinweis auf den Ökohintergrund eine hölzerne Holzbrücke und verschleiert oft seine wahre gestalterische Größe. Ich bin regelmäßig begeistert vom Ideenreichtum und der Strahlkraft grüner Waren und wundere mich, dass diese Kraft so oft durch einen erhobenen Zeigefinger in Form von mahnenden Bildern, Sprüchen oder moralisierenden Informationen auf Etiketten gleich wieder eingefangen wird. Transparenz ist das A und O unserer Szene aber sie muss doch nicht immer destruktiv sein. Vielmehr geht es unterdessen darum, klarzustellen, das grünes Arbeiten ein hochwertiges Ergebnis impliziert und das ein ethischer Überbau einhergeht mit intellektuellem Anspruch an die Marke und das Unternehmen dahinter, an das Produkt und an die Gesamtheit der Branche. Denn das ist unsere Stärke und unsere Chance den Einkäufern und Einzelhändlern dieser Welt keine Alternative zu grün mehr zu ermöglichen, wenn sie zukunftsfähig bleiben wollen. Das ist unser Versprechen. Und das werden wir auch halten. Darauf trinke ich mit Euch. Während der Berlin Fashion Week.
Text: Fredericke Winkler
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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