13 Mrz, 2011
Showiness
Michael Braungart hat verstanden, dass große Ideen eine gewisse Showiness brauchen. Braungart selber ist schon eine Show, aber die Mode, die nach seinen Vorstellungen von Designern entworfen wurde, hat diesen Auftrittscharakter auch. Sagen die Jungs von Lebenskleidung, die da waren. Erneut ein Gastblog aus ihrer Feder – merci aus Hamburg nach Berlin!
Mehr als Grün
Am 11.03.2011 fand sie also statt, die erste Cradle-to-Cradle Modenschau im Rahmen des Cradle-to-Cradle-Festivals in Berlin. Mode, die so konzipiert ist, dass sie keinen Abfall hinterlässt – kann das gut gehen? Na klar kann es. Das haben die Designerinnen Mona Ohlendorf, Matilda Wendelboe und Jeppe Larsen eindrucksvoll gezeigt. Man ist ja vielleicht anfangs ein wenig skeptisch, wenn ein systematischer Ansatz wie Cradle-to-Cradle auf Mode trifft. Aber Cradle-to-Cradle goes fashion funktioniert. Dies liegt jedoch nicht primär an der Auswahl der Stoffe, vielmehr an der Kreativität der Modedesigner, denn die Verfügbarkeit von wirklichen Cradle-to-Cradle Stoffen ist im Moment noch sehr begrenzt.
Die Kollektionen überzeugten durch Qualität, Wertigkeit und Niveau, ganz im Sinne des Cradle-to-Cradle Ansatzes selbst. Cradle-to-Cradle ist primär ein Designkonzept, so ist es vom Begründer des Prinzips Prof. Dr. Michael Braungart angelegt. Braungart selbst drückt es vor der Modenschau so aus: „Let´s celebrate beauty. Let´s celebrate the individual. Let´s celebrate diversity“.
Die gezeigten Kollektionen wurden aus Stoffen hergestellt, die allesamt hinsichtlich des Cradle-to-Cradle Prinzips optimiert sind. Davon gibt es auf dem Markt noch nicht viele. Die verwendeten Stoffe stammen von den Firmen Backhausen interior aus Österreich und Trigema aus Deutschland. Und bei diesen Stoffen geht es um mehr als um green & sustainable. Prof. Dr. Braungart betont immer wieder, dass die ökologische Produktion allein nicht genug sei. Cradle-to-Cradle dreht sich um holistische Schönheit, holistische Qualität und einen holistischen Denkansatz. Die Stoffe sind also nicht nur grün und fair hergestellt, sondern sind im Falle von Backhausen komplett wiederverwertbar bzw. im Falle von Trigema rückstandslos kompostierbar.
Backhausen interior hat zusammen mit dem Umweltforschungsinstitut EPEA einen flammhemmenden Stoff entwickelt, der am Ende des Produktlebens wieder von der Firma zurückgenommen wird und wiederverwertbar ist. Dem Stoff kann rückstandsfrei wieder neues Leben eingehaucht werden, der Kreislauf wird geschlossen. Die Trigema Stoffe können kompostiert werden und geben dabei keine schädlichen Chemikalien an die Umwelt ab. Was mit den Chemikalien passiert, die während des Produktionsprozesses eingesetzt wurden, konnte man leider nicht erfahren. Jedoch prüft EPEA in Zusammenarbeiten mit den Firmen gründlich die gesamten Produktionsprozesse und man mag nicht unterstellen, dass das Prinzip an irgendeiner Stelle aufgeweicht würde.
Matilda Wendelboe nutzte einzig Backhausen Stoffe, die eigentlich für den Interieur Bereich gedacht sind, d.h. sehr feste und schwere Möbelstoffe. Eine Kollektion daraus zu entwerfen hat sie trotzdem wunderbar und elegant gelöst. Große Krägen, weite Ärmel und viel Stofffläche mit wenigen Nähten machten ihre Designs aus. Durch die Einschränkung bei den Stoffen ist ihre Kollektion natürlich eher Couture als für den Alltag tragbar.
Mona Ohlendorf verarbeitet die bis dato einzigen Cradle-to-Cradle Stoffe von Trigema: Trikotagen. Die Kollektion aus Jerseystoffen,die gänzlich ohne Polyester auskamen, fiel durch raffinierte Faltenapplikationen auf. Sogar die Knöpfe waren aus Cradle-to-Cradle-Bio Plastik.
Die tollen Kinderkleider von Jeppe Larsen und Bonkeli Design wurden ebenfalls aus den Trigema Stoffen hergestellt. Schnörkellos und schlicht ohne die üblichen Bärchenmuster. Die Kinder selbst trugen die Kleidung sichtlich gern, wenn der Laufsteg für sie auch Neuland war. Das Publikum war sehr angetan.
Für die begrenzte Anzahl an verfügbaren Cradle-to-Cradle Stoffen haben die Designer allesamt wunderbare und einzigartige Lösungen gefunden. Alles in allem eine sehr gelungene Modenschau. Dazu gefiel auch die passende Anekdote, wie Mona Ohlendorf eigentlich zu Trigema kam. Sie hatte einen langen Brief an Trigema verfasst, welche Chancen die Produktion nach Cradle-to-Cradle für die Firma bieten würde. Grupp antwortete ihr, dass die Ideen allesamt toll wären aber dass diese auch umgesetzt werden müssten. Und stellte Mona Ohlendorf ein. Vorbildlich!
Am Rande beobachtet:
Auf der Cradle-to-Cradle Ausstellung, die im Rahmen des Festivals bereits seit dem 26.01. und noch bis zum 16.03. gezeigt wird, waren leider auch Handtücher und Trigema Shirts zu sehen, die einzig mit 100% Baumwolle ausgezeichnet waren. Wo bleibt da der holistische Ansatz von Prof. Braungart? Biobaumwolle sollte doch hier selbstverständlich sein! Da gilt es noch etwas nachzubessern. Im Falle von Trigema wurde zumindest am Hangtag 100% Biobaumwolle versprochen. Trigema Chef Wolfgang Grupp war auf jeden Fall selbst anwesend und es ist schön zu sehen, dass er neuen Ideen, wie dem Crade-to-Cradle Prinzip, sehr aufgeschlossen gegenüber steht.
Und hoffentlich beschäftigen sich mehr und mehr Menschen mit dem Cradle-to-Cradle Ansatz. Keine Müllvermeidung sondern Materialien, die erst gar nicht als Müll gelten. Keine weniger schädlichen Chemikalien in unserer Kleidung, sondern Materialien die eben gar nicht schädlich sind. Klingt eigentlich einfach oder?
Wer sich ausführlich zum Thema Cradle-to-Cradle informieren möchte, kann dies hier tun: http://epea-hamburg.org/index.php?id=69&L=4
Text: Benjamin Itter und Enrico Rima
Fotos: Enrico Rima
Kirsten Brodde, Blog-Gründerin und Autorin von "Saubere Sachen", hat das Thema Ökomode quasi aus dem Nichts entwickelt. Sie arbeitet als Greenpeace Detox-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland. Hier finden Sie alle Artikel von Kirsten . |
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